Asiens krassester Lost Place ist Hashima, auch bekannt als Battleship Island oder Gunkanjima. Im Rahmen einer Sondertour kamen wir ganz nah ran an die dunklen Ruinen. Das Kontrastprogramm: die Thermalquellen des Vulkan Unzen und der Kujukushima-Archipel
Hashima war über Jahrhunderte hinweg nur eine von Hunderten unbewohnten, wilden Inseln 15 Kilometer vor der Küste von Nagasaki auf der Insel Kyushu. Der Name bedeutet soviel wie „Insel am Rand“, das sagt schon alles. Doch das ändert sich im 19. Jahrhundert schlagartig: 1887 beginnt der Großkonzern Mitsubishi mit dem Abbau der extrem hochwertigen Kohle, nicht unter Tage, sondern tief unter dem Meer.

1.000 Meter unter dem Meeresboden wurden bis zu sechs Kilometer lange Stollen und Schächte durch das Gestein und die Flöze getrieben. Der Abbau endete 84 Jahre später, die Kohlevorräte waren erschöpft. Insgesamt wurden 15,7 Millionen Tonnen Kohle aus dem Erdreich geholt. Das entspricht einem Güterzug von 1,6 Millionen Waggons, die aneinandergereiht weiter als vom Nordpol zum Südpol reichen würden.
Zu Spitzenzeiten lebten über 5.300 Männer und Frauen, darunter 2.000 Kinder, auf der Insel. Damit war Hashima mit 84.127 Bewohnern pro Quadratkilometer (oder 12 Quadratmetern pro Person) der am dichtesten besiedelte Ort der Welt. Insgesamt 30 hohe Apartmentblöcke drängten sich auf engstem Raum. Sie bildeten enge, dunkle Straßenschluchten. Licht und Grün gab es vor allem auf den Dachgärten. Eine neun Meter hohe Seemauer aus Beton rund um die Insel bot Schutz vor sturmtobenden Wellen.

Bis 2009 war das Betreten der „Geister-Insel“ verboten, dann wurde das touristische Potenzial des Lost-Place-Trends erkannt und die Insel Hashima für Touristen geöffnet. Diese durften auf geführten Touren aus sicherer Entfernung einen Blick auf die Ruinen werfen.
2015 wurde die Insel, die aus der Ferne tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Schlachtschiff hat, zum UNESCO-Weltkulturerbe in Sachen „Japan’s Meiji Industrial Revolution“ erklärt und gilt nun als wichtiges Zeugnis der industriellen Revolution Japans.
Innovationstreiber Hashima
Neben einer siebenstöckigen Schule für bis zu 1.500 Kinder gab es auf Hashima ein Kino, eine Pachinko-Glücksspielhalle, einen Tempel, einen Schrein und einen Supermarkt, erzählt Minoru Kinoshita, einer der Hashima-Guides.

Auf Hashima wurde, so Minoru-san, 1916 das erste Stahlbeton-„Hochhaus“ Japans mit 140 Wohnungen fertiggestellt. „Genau dort habe ich mit meiner Familie gewohnt“, erzählt er, präsentiert einige Fotos aus dieser Zeit und zeigt auf die schwarze Ruine hinter ihm. Keine 200 Meter waren es von seiner Wohnort zum großen Meerwasserpool, dessen Reste immer noch zu sehen sind. „Abgelassen diente der Pool uns Kindern als Sportplatz.“

Die Wohnungen bestanden nur aus einer Küche und einem 10 Quadratmeter großen Wohn- und Schlafzimmer. Toiletten gab es auf der Etage. Wer sich waschen wollte, ging ins Gemeinschaftsbadehaus, dafür wanderte der Müll schon in Müllschlucker-Schächten (ebenfalls eine Premiere in Japan) an der Fassade nach unten.
Spitzenverdiener unter Tage
Unser Guide Minoru-san wohnte mit Eltern und Geschwistern von 1953 bis 1966 auf Hashima. Er drückte mit über 1.150 anderen Kindern die Schulbank in der sieben Etagen hohen Schule, vor der wir staunend stehen.

Minoru-san: „Wir waren eine große Familie, gehörten alle zusammen. Der Veteranenclub trifft sich regelmäßig, einmal im Jahr kommen wir alle hierher auf die Insel.“
Die Arbeit unter Tage war sicher Maloche? Ja, bestätigt Minoru-san: „Die Männer schufteten unter Tage bei 35 Grad und fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Aber sie verdienten doppelt so gut wie Akademiker!“ Besonders gut bezahlt waren die Hauer in den Stollen. „Da keine Miete fällig war, konnten die Familien viel Geld auf die Seite legen.“
Hashima wurde 1974 fast über Nacht aufgegeben, da die Kohlevorräte zur Neige gegangen waren. Die Bewohner verließen die Insel binnen weniger Tage, das letzte Boot legte am 20. April 1974 ab. Die Ex-Kumpels wurden von Mitsubishi anderweitig beschäftigt, etwa in der großen Werft, wo Minoru-san bis zu seiner Rente gearbeitet hat.

Zurück blieben Wohnungen voller Möbel, die heute noch zu sehen sind. Seit 2015 ist Hashima aka Gunkanjima UNESCO-Weltkulturerbe. Besondere – und Monate im Voraus ausgebuchte – Touren für 600 Euro pro Person bringen Neugierige nicht nur mit der Yacht „Triton“ auf die Insel und in einen kleinen abgesperrten Bereich, sondern für gute eine Stunde mitten hinein und durch die Häuserschluchten, immer mit Helm und Zeitzeugen-Guides.
Im Anschluss unbedingt das Gunkanjima Digital Museum in Nagasaki besuchen, es ist technisch state of the art mit tollen Videos, Simulationen, Gebäudemodelle sowie faszinierenden VR-Flügen mitten durch die Wohnungen und Treppenhäuser der Häuserruinen.
Zuletzt zu sehen war die knapp 480 Meter lange und maximal 160 Meter breite Insel übrigens im James-Bond-Film „Skyfall“ und in „Attack on Titan“. Einen Überblick verschiedener Anbieter der rund dreistündigen Inseltouren gibt es hier. Wir waren mit Gunkanjima Concierge unterwegs, für 55 Euro inklusive Museumseintritt: gunkanjima-concierge.com.

Mount Unzen: Der nimmermüde Vulkan
Knapp 65 Kilometer östlich von Nagasaki wartet auf der Halbinsel Shimabara der Unzen, ein Komplex aus acht Schichtvulkanen. Fugendake, Mayuyama, Kinugasa-dake, Myōken-dake, Heisei-Shinzan, Kunimidake, Iwaya-dake und Kusenbuyama zählen zu den wildesten und gefährlichsten ganz Japans. Kyushu allein zählt 26 Vulkane, neun davon sind aktiv. Der Mount Aso ist mit seiner gigantische 25 Kilometer messenden Caldera und mehreren Vulkankegeln gilt gar als der aktivste Vulkan Japans.

Schlagzeilen machte zuletzt der Fukendake. 300 bis 800 Grad heißen Gemische aus Gas, Asche und Gesteinsstücken schossen als Tausende pyroklastischer Ströme zwischen 1990 und 1995 mit bis zu 130 Stundenkilometern die Hänge hinab und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Über 50 Menschen kamen ums Leben.

Alles weg unter zehn Metern Asche
Hunderte Häuser verglühten und verschwanden wie Straßen und Felder unter einer fast zehn Meter dicken Ascheschicht. Ein eindrückliches Bild davon vermitteln die überdachten „Buried Houses“ neben der Michino Eki Himawari Roadside Station.
Der „Neue Berg“ Heisei-Shinzan ist mit 1.486 Metern der höchste Gipfel des Mount Unzen. Er entstand während der Ausbrüche in den 1990ern. Und der Fukendake wuchs durch die Ausbrüche um 126 Meter auf 1.359 Meter Höhe. Zuvor war er fast 200 Jahre inaktiv…

Wellness mit Odeur aus dem Untergrund
Der wilde, vulkanische Untergrund des Landes hat Vorteile: Große, dampfende Thermalfelder voller Quellen, blubbernder Schlammlöcher und Mini-Geysire geben einen Vorgeschmack auf die thermalen Wohltaten, die man in klassischen Ryokanen wie „Unzen Fukudaya“ genießt. Neben zwei Freiluft-Onsenbädern mit heilsamem Wasser gibt es zwei Innenbäder und Saunen. Abends wird exzellente Kaiseki-Küche auf Basis regionaler Produkte serviert, auch „Tanzender Braten“ (gebratene Abalone, Odori yaki) und Shabu Shabu mit Nagasaki Wagyu Beef.
Nach dem Dinner geht es spät in der Nacht nochmals in den Onsen. Das leicht milchige Wasser sorgt für spürbare. Die könnte aber auch dem Sake geschuldet sein, der zum Kaiseki-Menü floss.
Kujukushima: zauberhafter Archipel
Der wunderschöne Kujukushima-Archipel liegt zwei Stunden nördlich von Nagasaki. Wobei der japanische Name trügt, es sind keine „99 Inseln“, sondern 208 kleine und kleinste Inseln, die diesen Archipel bilden, eine Art tropischen Schärengarten im Saikai Nation Park Kujukishima.
Kuroshima, wörtlich „Schwarze Insel“, ist mit 5,3 Quadratkilometern die größte Insel des Archipels. Von deren 650 Einwohnern sind 80 Prozent römisch-katholisch, Nachfahren von Christen, die 1637 nach dem Shimabara-Aufstand hier Zuflucht suchten.

Um der Inselwelt näherzukommen, empfiehlt sich ein einstündiger Bootstörn mit der „Pearl Queen“ (2.200 Yen, hier zu buchen) oder an Bord eines Katamaran. Alternativ steuert man im Mietwagen von View Point zu View Point wie dem Funakoshi Observatory und dem Ishidake Observatory.
Frisch gegrillte Austern direkt vom Züchter genießt man bei „Marumo Suisan Kujukushima Oyster Hut“ im Hafen von Funakoshicho. Dort grillt man auf einer improvisierten, leicht schaukelnden Plattform im Hafen die Schalentiere selbst.
Anreise
Die Boutique-Airline EVA Air fliegt viermal pro Woche von München via Taipei zu acht Zielen in Japan, darunter auch Fukuoka. Tickets nach Taipei in der komfortablen Premium Economy Class und weiter nach Fukuoka in der Economy gibt es ab 1.850 Euro, für die ganze Strecke in der Economy sind ab 780 Euro fällig.
Infos
Offizielle Tourismus-Website von Nagasaki: discover-nagasaki.com/en
Offizielle Tourismus-Website von Japan: japan.travel/de
Lese-Tipps zum Thema Japan
👉 Tipps für den sorgenfreien Mietwagenurlaub in Japan
👉 Goto Islands: Japans unbekanntes Inselparadies
👉 Budget-Tipps für Japan, die euch jede Menge Geld sparen
👉 Die Klassiker für Erstbesucher: Tokio, Osaka, Kyoto, Nara und Koya-san
👉 12 Top-Tipps für Fukuoka – vor oder nach der Kyushu-Rundreise

Streit um Hashimas Historie
Wie war das Leben auf Hashima vor 1945? Eine spannende Frage. Die Antworten fallen je nach Befragten sehr unterschiedlich aus. Historisch belegt sei, dass nach der Besetzung Koreas durch Japan Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, verstärkt während des Zweiten Weltkriegs und auch auf Hashima, sagen die einen. Unsinn, alles antijapanische Propaganda aus Korea, sagen die anderen. Die Diskussionen dazu und über die Positionierung des Industrial Heritage Information Center in Tokio sind laut UNESCO noch nicht abgeschlossen.
Japan erklärte 2020, man sei „bereit, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem Verständnis dafür beitragen, dass in den 1940er Jahren eine große Anzahl von Koreanern und anderen Menschen gegen ihren Willen an einige dieser Standorte gebracht und dort unter harten Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden (…). Japan ist bereit, geeignete Maßnahmen in die Interpretationsstrategie zur Erinnerung an die Opfer aufzunehmen, wie beispielsweise die Einrichtung eines Informationszentrums.“
