Von der mythischen, schönen Takachiho-Schlucht in den Bergen runter an den Pazifik. Weiter von Strand zu Strand und die wildschönen Steilküsten entlang. So entdeckt man auf der Insel Kyushu ein tropisch-grünes, ganz „anderes“ Japan
Fast schon fluoreszierend sind die hellgrünen Reisterrassen kurz vor der Ernte. Einen flimmerstarken Kontrast dazu bilden Tausende von roten und weißen Spinnenlilien neben der Straße und zwischen den Feldern. Deren Blüte erreicht jetzt, zur Tagundnachtgleiche, ihren Höhepunkt. Darüber wabern, zwischen den Ausläufern der riesigen Caldera des Mount Aso und dem 1.739 Meter hohen Mount Kunimi, fluffige Dunst- und Nebelkissen.

Die National Road 218 schlängelt sich kurvig durch die Berge. Sie folgt dem Fluss Oya und dann dem Kouchi, der bei Takachiho in den Fluss Gokase mündet. Der „Fluss mit den fünf Stromschnellen“ hat sich auf der Höhe von Takachiho tief in den Basalt gehobelt. So entstand eine von Japans schönsten Schluchten.

Takachiho und die nähere Umgebung sind eng mit der japanischen Mythologie verbunden: Am Fluss Iwate soll sich die Sonnengöttin Amaterasu in eine Höhle zurückgezogen haben, aus Zorn und Wut über die grausamen Streiche ihres Bruders.
Kyushu Reisetipp 1
Takachiho-Schlucht: Eine Wucht!
Die stellenweise bis zu 100 Meter hohen, senkrechten Felswände der Takachiho-Schlucht bestehen aus vulkanischen Basaltsäulen. Es handelt sich um Lavaströme vom Mount Aso, die nach dem apokalyptischen Ausbruch vor 90.000 Jahren im Fluss erkaltet ist. Der Basalt bildet faszinierende Strukturen, die mal verdreht, mal gekippt oder gefaltet sind.

Der Minainotaki-Wasserfall ist trotz seiner nur 17 Meter Höhe mit dem (nicht nach Regentagen wie bei uns) Smaragdblau des Wassers, dem dichten Grün und dem Dunkelgrau der Felswände ein Hingucker und ausgesprochen instagrammable.
Folglich wird an Land und in den Ruderbooten eifrig posiert und fotografiert, gekreischt und gejubelt. Zwischen Mai und November ist die Schlucht bis 22 Uhr beleuchtet. Das schafft zusammen mit den typischen Dunst- und Nebelschwaden ein unwirklich mystische Stimmung.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Schlucht zu erkunden. Man mietet (nur mit Reservierung!) am Südende der Schlucht ein Boot und rudert knapp 70 Meter den Fluss hinauf zum Wasserfall. Das ist die 25 Euro für 30 Minuten kaum wert.
Die Alternative mit spannenderen Impressionen: Man spaziert die Schlucht entlang und in einem weiten Bogen zurück zur Ortsmitte. Das sind rund fünf Kilometer, die bei schwülen 32 Grad aber schweißtreibend geraten können.
Kyushu Reisetipp 2
Takachiho: Methusalem-Zedern und Göttertanz
Der Schrein Takachiho-jinja liegt unter majestätischen, fast 40 Meter hohen und bis zu 1.000 Jahre alte Sugi-Zedern. Der sogenannte Meoto-sugi besteht aus zwei altehrwürdigen Zedern, deren Basis miteinander verwachsen ist.
Der Volksmund beschwört, es bringe Glück in der Liebe, wenn Paare drei Mal Hand in Hand den Baum umrunden. Das Baum-Doppel trägt, wie alle bedeutsamen Zedern, in denen Götter wohnen, die geometrisch schönen, „Shimenawa“ genannten Reisstroh-Seile mit Papierschleifen.

Jeden Abend um acht findet im Takachiho-jinja am Ortsrand von Takachiho eine Kagura-Vorführung statt, der man von duftenden Tatamimatten aus folgt. Der Begriff Kagura bedeutet wörtlich „Götterunterhaltung“. Diese Aufführungen sind tief in der japanischen Mythologie und dem Shintoismus verwurzelt.

Die musikalische Untermalung kommt von großen Taiko-Trommeln, Bambusflöten und dem Suzu-Glockenstab. Die Kostüme und Masken verkörpern Gottheiten, Geister oder mythologische Figuren. Die allabendliche Vorstellung in Takachiho dreht sich darum, wie der göttliche Kraftprotz Ameno-Tajikarao die Sonnengöttin ans Licht gezogen hat.
Kyushu Reisetipp 3
Takachiho-Cuisine: Kalte Nudeln und Wagyu Beef
Lust auf kalte Nudeln, die man sich aus einer Bambusrinne mit fließendem Wasser angelt? Dann auf ans Ende der Schlucht ins Restaurant „Nagashi Somen“. Die Köche dort legen die dünnen Nudeln einzeln ins Wasser, die fischen sich die Gäste mit Stäbchen und dippen sie in Sojasoße mit Ingwer, Frühlingszwiebeln und Wasabi.

Wer lieber warm isst, genießt hervorragendes Gyudon mit butterzartem Takachiho Wagyu Beef (mit immerhin 4+ von 5 offiziellen Qualitätsstufen) für 2.500 Yen im von außen weniger ansehnlichen „Tomoemaru“, das auch gutes Chicken Nanban macht.
Das von Japan Agriculture betriebene Restaurant „Takachihogyu Nagomi“ beim Bauernmarkt Gamadase, das täglich außer mittwochs von 11 bis 14 und von 17 bis 20.30 Uhr geöffnet ist, kredenzt ebenfalls wunderbare Wagyu-Steaks direkt vom Erzeuger. Und das zu sehr freundlichen Preisen: 200 Gramm Sirloin kosten 6.200 Yen, umgerechnet rund 37 Euro, das Filet-Steak kommt auf 8.000 Yen, rund 48 Euro.
Kyushu Reisetipp 4
Heilige Höhle: Amanoiwato-jinja
Gut acht Kilometer von Takachiho liegt malerisch in einer Höhle am Fluss Iwato der Schrein Amanoiwato-jinja. Zwischen dem Tori-Bogen bis zum wild gurgelnden Fluss stehen Tausende kleine und große Steindauben, die von Gläubigen errichtet wurden.

Amaterasu, die Sonnengöttin des Shintoismus, soll sich aus Ärger über ihren grausamen, ruchlosen Bruder in die diese Höhle zurückgezogen und damit der Welt ihr lebensspendendes Licht vorenthalten haben.

Alle anderen Götter und Göttinnen versammelten sich, um sie wieder herauszulocken. Alle Versuch bleiben ohne Erfolg. Bis die Göttin Amenouzume einen äußerst frivolen Tanz aufführte, bei dem sie sich komplett nackt zeigte. Das brachte die anderen Götter zum Lachen.
Dadurch neugierig geworden, schaute Amaterasu aus der Höhle, um zu sehen, was so lustig war. Ameno-Tajikarao, der Gott mit den dicken Muskeln, packte sie am Schlafittchen, zog sie aus der Höhle und gab so der Welt ihr Licht zurück. Danach verschloss er die Höhle für immer.
Kyushu Reisetipp 5
Shimo Aso Beach: Chicken Nanban und Sashimi
65 Kilometer östlich von Takachiho liegt die Küstenstadt Nobeoka. In den Gewässern vor der Stadt, im Nippo Kaigan Quasi National Park, gibt es viele interessante Reviere und Spots für Taucher und Schnorchler. Das gilt für offene Hyuga Nada Sea wie für die vorgelagerte Insel Shimanoura, die man in 20 Fährminuten erreicht.

Zu den Unterwasserattraktionen des Nippo Kaigan Quasi National Park gehören Angler- und Clownfisch sowie große Ansiedlungen von Gray-Steinkorallen. In den Gewässern vor der Insel Shimanoura gibt es über 100 Korallenarten, darunter die großen Osuribachi-Pilzkorallen bei Nozakanohama.
Gut für Taucher und Schnorchler: Im Sommer herrschen vor der Ostküste von Kyushu bei ruhiger See im Wasser Sichtweiten von bis zu 20 Metern. Uns hat der Taifun Bualoi leider mit trübem Meer und gewaltiger Brandung einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Vor der Nichinan Coast und auch bei Nobeoka sind gelegentlich Adlerrochen, Fuchs- und Hammerhaie sowie Mola-Mola-Mondfische zu sehen. Letztere sind dafür bekannt, dass sie zwar bis zu zwei Tonnen schwer werden, sich aber mit einem Gehirn von knapp sechs Gramm begnügen müssen. Von Ende Mai bis Juli legen an den Stränden Meerschildkröten ihre Eier ab.
Außerdem bekomme man in den Gewässern vor Miyazaki Delfine und Mantarochen zu sehen, so der in Nobeoka lebende Tauchlehrer und Manager von Nobeoka Marine Services, Narusaki-san, der Interessierte mit auf Schnorcheltörns nimmt (ab 85 Euro).

Und an Land? Einen Besuch und ein Bad in den Wellen wert ist der Sumie Beach mit dem wunderschönen Guest House „Sumie Seaside“. Das bietet sich auch als preiswürdigere Basis für einen Besuch des 60 Kilometer entfernten Takachiho an. Bei unserem Besuch waren über der Bucht sogar Fischadler zu beobachten.
Ein paar Kilometer weiter leuchtet einer von vier blauen Tori-Bögen Japans in der Sonne: Der Minato Shrine steht etwas außerhalb von Nobeoka an der Mündung von Gokase, Ose und Kitagawa ins Meer.

Gourmets sollten einen Stopp in der Kitaura Roadside Station einlegen. Sie liegt direkt oberhalb des sehr beliebten Sandstrands Shimo Aso Beach. Wer früh genug da ist, also vor halb zwölf, bekommt auch ohne Reservierung noch einen freien Platz im Restaurant „Kaisenkan“ und genießt dann Ise Ebi (Japanische Felsenlanguste), für die Kyushu bekannt ist, sowie Stachelmakrelen (Hyuga aji) und exzellente Sashimi – mit unschlagbarem Meerblick. Sehr gut ist im „Kaisenkan“ auch eine weitere lokale Spezialität: Chicken Nanban mit Jidori-Hühnchen aus Freilandhaltung.

Kyushu Reisetipp 6
Halbinsel Hyuga und Mimitsu-machi
Zerklüftete vulkanische Küstenzüge prägen die Halbinsel Cap Hyuga. Auf dem Skeluccha View Deck und dem Cape Hyuga Observation Deck, das auf einem schmalen Grat liegt, bewundert man die wildschöne Küsten mit tief eingeschnittenen „Fjorden“, immer unterlegt mit dem die Ohren betäubenden Gesang absurd großer Zikaden. Der kleine Leuchtturm auf der Halbinsel ist wegen der schönen Aussicht auch einen kurzen Abstecher wert.


An den südlich anschließenden Stränden tanzen Dutzende schwarzer Punkte auf den gewaltigen Wellen: Okuragahama und Kanegahama sind zwei der besten und populärsten Surfstrände auf Kyushu.

Bei der Weiterfahrt nach Süden auf der Road 10 erreicht man das denkmalgeschützte, reizende Hafenstädtchen Mimitsu-machi an der Mündung des breiten Oita ins Meer. Historische Holzhäuser säumen die gepflasterten Hauptstraßen, besonders reizend ist die Feuerwache mit ihrer traditionellen „Seegurken“-Namakofassade. All dies sind Relikte aus dem 17. Jahrhundert, als Mimitsu-machi ein wichtiger und wohlhabender Handelshafen war.

Kyushu Reisetipp 7
Wilde Schönheit: Nichinan Coast
Südlich von Miyazaki, der Stadt mit den japanweit meisten Sonnenstunden, liegt die Insel Aoshima. Der gleichnamige Schrein steht am Rand eines kleinen, artenreichen Dschungels. Dort lässt das ganz spezielle Mikroklima 200 in der Region endemische, subtropische Arten wie Strahlenaralie sowie die nördlichsten Bestände Chinesischer Fächerpalmen sprießen.

Geologisch spannend ist das Waschbrett der Dämonen (Oni no sentakuita), exakt parallele Furchen des Meeresbodens. Diese Formationen sind nicht nur rund um die Insel Aoshima, sondern auch an vielen Abschnitten der sich südlich anschließenden Küste zu sehen.
Kyushu Reisetipp 8
Shrimp-Softeis und Panoramablick
Kurz nach dem Horikiri Pass wartet der Rastplatz mit Japans vielleicht schönster Aussicht. Die Phoenix Road Station versüßt den Blick auf die hinter Gischtwolken flimmernde Ishinami Coast mit Softeis (Sofuto Kurīmu) mit Geschmacksnote Shrimp.

Wörtlich bedeutet Ishinami „Steinwellen-Küste“. Woher der Name kommt, wird klar, wenn man während der Fahrt auf der schmalen Road 448 ab und einen Stopp einlegt und nach unten blickt: wilde Basaltformationen fingern aus dem Meer hoch ins tropische Grün.

Kyushu Reisetipp 9
Nichinan Coast und Schrein am Meer
Weiter geht es durch dampfendes Grün die Nichinan Coast entlang zum spektakulär am Meer gelegenen Schrein Udo Jingu mit vielen roten Torii-Bögen und einer Haupthalle fast direkt am Meer. Gewidmet ist die Anlage dem Vater von Jimmu, dem mythenumwobenen ersten Kaiser Japans.


Wir rollen gemütlich weiter nach Süden, vorbei an großartigen Stränden wie den bei Surfern beliebten Koigaura Beach. Dort parken Dutzende Vintage Vans und Ford F 150 aus den 1970ern, vor denen sich braungebrannte Surf Dudes aus ihren Neoprenanzügen schälen.

Dann schlängelt sich die schmale, kurvige Road 448, die später zur Mautstraße wird, hoch zum Cape Toi.

Kyushu Reisetipp 10
Cape Toi: Wildpferde und Sago-Palmen
Auf den Wiesen und in den Wäldern der Halbinsel Cape Toi leben Misakiuma-Wildpferde. Sie sollen, so die Legende, von Pferden abstammen, die für Samurai gezüchtet wurden. Seit über 70 Jahren werden sie als nationales Naturdenkmal verehrt und umsorgt.

Bei unserem Besuch findet einer der jährlich zwei Abtriebe statt. Dabei treiben Hunderte Freiwillige die relativ kleinen Tiere mit Bambusstöcken in einen großen Pferch, die dann dort untersucht und von Zecken befreit werden. Einige Tiere sind der Kesseljagd entkommen und äsen friedlich hinter einer engen Kurve im Wald. Dabei lassen sie sich vom Touristen in seinem Kleinwagen in keiner Weise irritieren.
Vom Leuchtturm Toi-Misaki hat man einen weiten Blick über den Pazifik, die dampfende Nichinan Coast und das Hinterland. 1929 errichtet ist er einer der wenigen Leuchttürme auf Kyushu, die man innen besichtigen kann.
An diesem Punkt, 225 Meter über dem Meer, zwischen Tausenden Sago-Palmen, 140 Wildpferden, riesigen Schmetterlingen, infernalisch lauten Zikaden und einem fast 100 Jahre alten Leuchtturm endet die Entdeckungsreise entlang der Küste von Miyazaki.
INFO
Info Kyushu
Anreise nach Kyushu
Die Boutique-Airline EVA Air fliegt viermal pro Woche von München via Taipei (Link) zu acht Zielen in Japan: Tokio, Osaka, Fukuoka, Okinawa, Sendai, Sapporo, Komatsu und Hakodate. Tickets nach Taipei in der komfortablen Premium Economy Class und weiter nach Fukuoka in der Economy gibt es ab 1.850 Euro, für die ganze Strecke in der Economy sind ab 780 Euro fällig.
Veranstalter-Tipp: Kyushu individuell
Keine Lust auf Gruppenreisen? Dann organisiert das Unternehmen Albrecht & Kojima des langjährigen Japan-Kenners Jörg Albrecht eine individuelle Mietwagen-Rundreise ganz nach Ihren Wünschen mit digitaler Begleitung vor Ort via App. japan-touren.de
Hotel-Tipps

Solest Takachiho Hotel
Von außen ein dunkelgrauer Kasten, innen hell. Sehr gute Lage und schöne Zimmer (auch Tatami) sowie ein stimmungsvolles, sehr beliebtes Restaurant mit heller Glasfront. Das Personal ist ausnahmslos zugewandt und freundlich. DZ/F ab 135 Euro
solest-takachiho.jp
Nichinankaigan Nango Prince Hotel
Störrischer Beton-Glas-Kasten im Stil der 1970er in direkt am Strand einer schönen Bucht. Sehr helle Zimmer mit raumhohen Fensterfronten, teilweise recht heruntergekommen. Openair-Onsen. Restaurant mit XXL-Fensterfront zum Meer. DZ/F ab 75 Euro. princehotels.com/nango


Sumie Seaside
Reizende kleine Unterkunft direkt am Sandstrand von Sumie. 2024 komplett renoviert. Drei große, helle, blitzblanke Tatamizimmer mit Platz für jeweils bis zu 6 Gäste und tollem Blick auf den Pazifik. Es gibt, ganz traditionell, ein Gemeinschaftsbad mit traditionellem Ofuro-Becken, Gemeinschafts-WC. Exzellentes Dinner mit viel frischem Fisch, den der Hausherr selbst aus dem Meer. Liebevolles Frühstück mit exzellentem Reis, ebenfalls mit viel Fisch. Gastgeberin Rika und ihr Mann, sind überaus charmante, zurückhaltende und bescheidene Gastgeber. HP ab 16.000 Yen / 120 Euro. seasidesumie.wixsite.com/mysite
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