Die Goto Islands vor der Nordwestküste der Insel Kyushu punkten mit wildschönen Steilküsten und einem von Japans schönsten Stränden. Von dort ist man mit dem Tragflügelboot schnell in Nagasaki
Den Goto-Archipel erreicht man von Fukuokas Hafen aus mit der Schnellfähre „Taiko“. Sie schippert quer durch „Fukuokas Schärengarten“ und legt an vier Inseln an, bevor sie nach neuneinhalb Stunden im Hafen von Fukue, der größten der Goto Islands, anlegt.

So wird die Anreise, zumal bei sechs Beaufort und drei Meter hohen Wellen zum Erlebnis. Und das beileibe nicht nur beim Balanceakt in der rutschigen Dusche, sondern auch beim Schwanken durch die Gänge – oder auf dem Klo.

Ein Bordbistro oder gar Bordrestaurant gibt es nicht, Getränke und Snacks liefern die in Japan omnipräsenten Vending Machines. Kabinen und Gemeinschaftsschlafräume gibt es, von zwei Ausnahmen abgesehen, nur als Futonvariante. Man schläft auf dem Boden, was bei der rauen See kein Schaden ist, so fällt man schon mal nicht aus dem Bett, wenn das Schiff stark rollt und stampft.

Kurz vor Sonnenaufgang ist es vorbei mit dem Schlaf. Also rauf aufs Deck, wo die Sehreise durch den Goto-Archipel beginnt, leider ohne die ersehnten Delfine. Dafür ist der Sonnenaufgang umso kitschiger. Dazu gibt es kalten Kaffee aus der Dose. Nach neun Stunden Fahrt macht die Fähre auf Fukue fest.
Goto Islands: Auf zum Traumstrand
Die Insel Fukue-jima ist dreimal so groß wie Sylt und größtenteils als Nationalpark geschützt. Die Straße 384 führt auf 90 Kilometern einmal rund um die Insel, passiert die Shochu-Brennerei Goto Retto Shuzo, die auf jeden Fall einen Stopp wert ist, und passiert den Takahama Beach.

Die Sandbucht von Takahama ziert so ziemlich jede Broschüre über die Goto Islands und zählt zu den schönsten Stränden ganz Japans. Es gibt einen großen Parkplatz, Duschen, Schließfächer, Toiletten und in der Hochsaison auch Verpflegungsmöglichkeiten.
Da hält mich nichts mehr, auch wenn der Guide für den Badestopp nur eine Viertelstunde spendiert. Raus aus den Klamotten, rein in die Badehose und ab ins Wasser: Aaaaah! Das Meer ist warm, klar und seicht. Beim Auftauchen folgt die Ernüchterung: Rechts und links der Bucht liegt angeschwemmter Plastikmüll, den in der Nebensaison offenbar niemand wegräumt.

Oberhalb der Bucht bedeckt dichtes, dschungeliges Grün die Hänge. Über der ganzen Pracht des Takahama Beach thront über einer Aussichts-Plattform mit prächtigem Blick über das Ostchina-Meer die Statue des Gyoran Kannon, der Gottheit mit Fischkorb.

Goto Islands: Osezaki Lighthouse
Landschaftlich fantastisch ist die Küste nördlich und südlich des Leuchtturms von Osezaki. Der thront spektakulär auf einer zerklüfteten Klippe 150 Meter hoch über dem Ostchinesischen Meer. Hätte es keine 33 Grad und fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, wähnte man sich beim schottischen Mull of Kintyre oder beim Sumburgh Head Lighthouse auf den Shetlands.
Vis-à-vis, ganz im Südosten der Insel, buckelt der Mount Onidake in den Himmel. Das Wahrzeichen von Goto ist ein 315 Meter hoher, kurioser Schlackenkegelvulkan: unten bewaldet, oben trägt er eine Gras-Tonsur.
Wo man geht oder steht, überall auf Fukue flattern und schweben riesige Schmetterlinge wie Rosskastanientigerfalter, Schwalbenschwänze und Faulbaumbläulinge. Fingerdicke Libellen besitzen die absolute Lufthoheit. Über dem Meer kreisen Schopfwespenbussarde und Rotmilane. Den kakophonen Soundtrack liefern Heerscharen ebenso riesiger wie lautstarker Zikaden.

Goto Islands: Jungfrau von Lourdes auf Tropisch
Die Goto Islands waren Rückzugsort für die nach dem Religionsverbot von 1614 in Bedrängnis geratenen Katholiken. 250 Jahre lang praktizierten sie ihren Glauben am Rand des Reichs und im Verborgenen. Ab 1875, als die Verfologungen ein Ende hatten, errichteten sie auf den Goto Islands wie in und um Nagasaki viele Kirchen und große Marienstatuen wie die von Kaminoshima an der Einfahrt zu Nagasakis Hafen. Noch heute ist jeder sechste Bewohner der Goto Islands Christ.

Zu den wichtigsten Kirchen auf Fukue, die an die „Versteckten Christen“ (Kakure Kirishitan) erinnern, zählt die aus roten Ziegeln errichtete Dozaki Church. 54 Jahre nach der Einweihung dieses Backsteinbaus wurde die moderne, strahlend weiße Betonkirche Fukue Catholic Church in Dienst genommen.
Aktuell bekennt sich jeder sechste Bewohner der Goto Islands zum christlichen Glauben. Auch auf den Nachbarinseln sind kulturhistorisch bedeutende Kirchen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts erhalten.

Lange davor, zur Blütezeit der chinesischen Tang-Dynastie zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert, waren die Goto-Inseln ein wichtiger Stopover im Seehandel zwischen China, Korea und Japan. Damals legten Japans Gesandschaften auf Fukue an, bevor sie den asiatischen Kontinent ansteuerten.
Über Goto gelangten neue Ideen nach Japan: Der im 8. Jahrhundert geborene Priester Kukai aka Kobo Dashi war einer dieser Reisenden. Er kam über Fukue von China nach Hause, gründete die Shingon-Schule des japanischen Buddhismus und trug so zur Verbreitung des Buddhismus in Japan bei.
Goto Cuisine: Bitte mit Kamelie
Kulinarische Aushängeschilder der Inseln sind Austern, Seeigel (Uni), Goto-Wagyu und Goto-Udon. Udon wird in der Regel aus nur drei Zutaten hergestellt: Weizenmehl, Salz und Wasser. Goto Udon enthält jedoch eine vierte Zutat: Kamelienöl. Es dient als Konservierungsmittel und verleiht den Nudeln eine besondere Geschmeidigkeit. Kamelie bereichert übrigens auch den Schnaps der handwerklichen Shochu-Brennerei Goto Retto Shuzo. Geschmacklich ist Kamelie aber nicht wirklich greifbar.

Goto Chique: Design-Juwel am Strand
Das Hotel „Colorit“ in Ohama liegt direkt am gleichnamigen Strand. Es ist eine echte Überraschung, wirkt doch die ganze Umgebung eher verschlafen und sympathisch kaffig. Das Strandhotel bietet neben cooler Architektur und hellen Zimmern (DZ/F ab 99 Euro) mit Holzboden zwei stilvolle Onzen-Bäder für Männer und Frauen sowie eine schicke Außensauna hinter einer schwarz verkohlten Yagasuki-Wand.
Drinnen prägen Sichtbeton und Holz das Bild. Das Frühstück wird im Betongewölbe mit Riesenpanoramafensterfront zum Meer serviert.
Man kann schnorcheln, Räder mieten und die ländlich-friedliche Umgebung erkunden oder mit Miet-Standup-Paddling-Boards (nur mit Guide) unterwegs sein. Bei unserem Besuch Ende September gab es viele Quallen, die bei einem ins Wasser gefallen Kayaker böse Spuren hinterließen. Der Autor dieses Artikels überstand seine 20-Minuten-Schwimmrunde ohne Blessuren. Am besten also vor dem Sprung ins Meer nach der aktuellen Lage erkundigen und sich mit der in Japan erfundenen und produzierten Jellys Guard Protection Cream einschmieren.

Von Goto nach Nagasaki
Nagasaki erreicht man nach eineinhalb Stunden mit dem bis zu 70 Stundenkilometer schnellen Tragflügelboot. Die Hafenstadt ist stolz wie Bolle, dass ihr Skyline beim World Night View Summit 2012 neben Hongkong und Monaco zu einer der „drei schönsten Nachtansichten der Welt“ gekürt wurde. 2021 wurde Platz 3 bestätigt, diesmal hinter Monaco und Shanghai.
Das wollen wir wissen. Erwartungsvoll fahren wir mit dem Taxi und der neuen Standseilbahn Nagasaki Inasayama Slope Car auf den Aussichtsberg Inasayama. Und müssen schmunzeln: Zwischen den nächtlichen Skylines der Hafenstädte Hongkong (550 Gebäude über 150 Meter Höhe) oder Shanghai (mehr als 200 Gebäude über 150 Meter Höhe) und der von Nagasaki, dessen höchstes Gebäude putzige 28 Etagen zählt, liegen Welten.

Glover Garden ist ein Freilichtmuseum, das nach dem in Schottland geborenen Thomas Blake Glover benannt wurde. Glover ging 1859 mit 21 Jahren in Japan an Land, das damals begann, seine über 210 Jahre lange Phase der totalen Isolation zu überwinden.
Glover kam, sah und legte richtig los. Er gründete in Nagasaki die erste moderne Schiffswerft, auf der Insel Takashima entwickelte er Japans erste Kohlemine mit westlicher Technik und war auch Mitbegründer der Japan Brewery Company, der späteren Kirin-Brauerei. Darüber hinaus förderte Glover den Austausch zwischen Japan und dem Westen, indem er japanische Studenten ins Ausland schickte und ausländische Fachleute ins Land holte.

Atomic Bomb Museum
Der Name der Stadt Nagasaki ist untrennbar mit dem zweiten Atombombenabwurf der Menschheit verbunden, auch wenn Hiroshima gemeinhin als Synonym für das unaussprechliche Leid und den Horror gilt.
Der „Fat Man“ legt am 9. August 1945, drei Tage nach der Verwüstung Hiroshimas durch die Bombe „Little Boy“, Nagasaki in Trümmer und tötet binnen Sekunden Zehntausende. Daran erinnern erschütternde Exponate im Atomic Bomb Museum.

Unser Tipp, um mehr von der Stadt zu erleben und zu erfahren? Beim „Café and Petit Hostel Route“ für 18 Euro pro Tag ein E-Bike mieten. Die Route führt von dort vorbei am Museum für Geschichte und Kultur und dann zünftig bergauf und die Flanke des Bergs Tateyama entlang zum Peace Park und zum Nagasaki Atomic Bomb Museum. Spannend ist es auch, so auch in den Seitenstraßen die Vibes der Stadt zu fühlen und ganz normale Alltagsszenen zu passieren.

Abends geht es in die Nagasaki Dejima Wharf. Dort sitzt man im Freien am Hafenbecken mit schmucken Yachten und genießt superfrisches Seafood genießt. Laue Luft, leichte Brise, das Klappern der Masten und Glucksen des Meers – eine Stimmung wie in Villefranche oder Portofino.
INFOS Goto Islands
Anreise
Die Boutique-Airline EVA Air fliegt viermal pro Woche von München via Taipei zu acht Zielen in Japan: Tokio, Osaka, Fukuoka, Okinawa, Sendai, Sapporo, Komatsu und Hakodate. Tickets nach Taipei in der Premium Economy Class und weiter nach Fukuoka ab 1.850 Euro. ANA und Lufthansa fliegen über Tokio nach Fukuoka, Economy ab 830 Euro.
Veranstalter-Tipp: Kyushu individuell
Keine Lust auf Gruppenreisen? Das Unternehmen Albrecht & Kojima des langjährigen Japan-Kenners Jörg Albrecht organisiert individuelle Reisen auch zu Goto Islands und nach Nagasaki. Der Gag? Digitale Begleitung vor Ort via App. japan-touren.de
Übernachten
Hilton Nagasaki
Modernes Premiumhotel im Herzen der Stadt, direkt beim Bahnhof Nagasaki und neben dem Kongresszentrum Dejima Messe Nagasaki. 2021 eröffnet, 200 große, elegante Zimmer. Sehr reichhaltiges Frühstücksbüffet. DZ/F ab 180 Euro.
Colorit
Viel Sichtbeton, reduziertes Design, relativ große, sehr helle und blitzsaubere Zimmer. Gutes traditionelles Frühstück auf Zedernholztellern. Rad-, Kayaka- und Autoverleih. Toller Onsen, schicke Sauna und Münzwaschmaschine. DZ/F ab 99 Euro.
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