Segeltörn mit der „Kairós“ durchs Ionische Meer. Die Großyacht ist wie geschaffen fürs komfortable Insel-Hopping. Und zieht alle Blicke auf sich
Nachdem wir Korfu-Stadt mit seiner venezianischen Silhouette und der Alten Festung passiert haben, die den Seewind wie einen bösen Feind abzuhalten scheint, erwacht die “Kairós” zum Leben. Mit der ersten Brise, die nach Salz duftet und die Sommerhitze vom Teakholzdeck vertreibt, fährt Kapitän Kevin Ludwig per Knopfdruck die Großsegel aus, blickt dabei immer wieder konzentriert hinauf und lässt das große Steuerrad rotierend in der Sonne blitzen.
Mit Handzeichen und kurzen Zurufen dirigiert er Steuermann Peter Verbeek am Bug des 38 Meter langen Schiffs. Die Vorsegel müssen raus, „um den perfekten Kurs im Wind zu stabilisieren“, erklärt der junge Käptn gelassen, während sich das Schiff mit dem kirchturmhohen Stahlmast merklich auf die Seite legt.
550 Quadratmeter Segelfläche
Ganz oben in der Spitze ist nun auch das elegante, schmale Fisherman-Segel zum kleineren Vormast gespannt. Es macht die 555 Quadratmeter Segelfläche komplett und trägt dazu bei, den Wind über dem Ionischen Meer richtig einzufangen.
Wir nehmen deutlich Fahrt auf und liegen derart gut im Wind, dass ich die Tasse mit dem Frühstückskaffee auf dem Tisch festhalten muss. Einige der Winschen zum Spannen der Segel werden mit Motorkraft unterstützt, bei den kleineren ist Handarbeit gefragt.
Die Stewards Sven und Janin sowie zwei Passagiere kurbeln kräftig. Mit den Schoten, den Seilen zum Bedienen der Segel, muss das Großsegel ständig nachjustiert werden, sobald es flattert. Und auch das Trimmen der Vorsegel erfordert vollen Körpereinsatz.
Typisch “Kairós”: Ankern nach Lust und Laune
Wer Kreuzfahrten nur von gigantischen, schwerfälligen Schiffen kannte, erlebt auf der “Kairós” eine buchstäblich erfrischende Flexibilität. „Wer hat Lust auf einen Schwimmstopp?“, fragt der Kapitän vor dem Mittagessen eher rhetorisch. Klar, bei mehr als 30 Grad sind alle dabei. Kaum dass die Ankerkette vor der kleinen Riffinsel in der Tiefe verschwunden ist, springen wir kopfüber ins Wasser.
Eine sechsköpfige Crew – Käpten Kevin und Steuermann Peter, Steward Sven und Stewardess Janin, Maschinist Bruce und Köchin Elena – kümmert sich um das Schiff und die maximal 16 Passagiere. Bei diesem Törn sind es gerade einmal sieben Gäste, was die Fahrt zu einem besonders exklusiven Erlebnis macht – wie ein Sommertrip mit Freunden und reichlich Platz an Bord.
Ob auf den ledernen Sonnenbänken, der Sitz- und Essecke vor dem Steuerrad oder direkt auf dem warmen Holzdeck zwischen Takelage und chromblitzenden Armaturen – man kann sich frei ausbreiten.
Das fühlt sich gut an und vermittelt irgendwie das Gefühl, auf dem eigenen Boot unterwegs zu sein. Die “Kairós” wurde 2007 im Stil eines klassischen Stagsegelschoners gebaut. Der Schiffstyp wird auch Bermudaschoner genannt. Das klingt schön und ist es auch. Von einer der vielen monströs-protzigen Motoryachten, die mit uns in Korfu an der Pier lag und nun röhrend nebenherfährt, kommen neidvolle Blicke.
Und auch kleinere Segelboote, die uns entgegenkommen, drehen für Fotostopps bei. Mit Schieflage und dabei auffallend stabil zieht unser weißes, schlankes Schiff in Richtung Paxos und hinterlässt kleine Gischtwölkchen am Bug, wo sich gerade eine Gruppe Delfine ein Wettrennen mit der „Kairós“ liefert.
„Manche Gäste, die zum ersten Mal auf einer großen Segelyacht sind, befürchten, dass ein vergleichsweise kleines Schiff stampfen und rollen müsse“, erzählt Steuermann Peter und korrigiert dabei immer wieder den Kurs, „dabei bewegen wir uns auch bei 12 Knoten noch völlig ruhig.“
Im Seglerparadies: Kaffeeklatsch mit Schräglage
Was auch daran liege, betont der Kapitän, dass das Ionische Meer meist flach sei wie ein Baggersee. „Toller Wind, kaum Wellen, für Segeleinsteiger ist das ein ideales Revier.“ Für Mannschaft und Servicekräfte wohl kaum. Denn jetzt – unter Segeln und kräftig am Wind – ist deren Arbeitsplatz ganz schön schräg!
Schon bei diesen Idealbedingungen mutet es spektakulär an, wie Steward Sven mit akrobatischer Leichtigkeit zwei Kuchen aus der kleinen Küche die Treppe hoch an Deck balanciert und zur Kaffeezeit läutet. Mit 30 Grad Krängung (so wird die Seitenneigung unter Profis genannt) liegt die „Kairós“ im Wasser.
In der Karibik hat Kapitän Kevin sie schon auf mehr als 60 gebracht, „bis die Wellen kräftig über Deck spülten“, aber so heftig wird es im Ionischen Meer nicht”. Die Launen der Meteorologie und der Qualitätsanspruch an Bord führen dazu, dass die täglich frisch gebackenen Kuchen regelmäßig zur Zeit des stärksten Windes um 16 Uhr serviert werden.
Frisches Brot am Morgen, Kuchen am Nachmittag: Köchin Elena, die schon ein paar Jahre mit dabei ist, bekennt sich offen zu ihrer Passion: „Ich backe für mein Leben gern, auch hier an Bord.“ Das hört sich sehr gut an.
Und es schmeckt hervorragend, obgleich der Wind mitunter den einen oder anderen Happen von der Gabel fegt. Dabei hält die Arbeit auf einem Segelschiff auch in der Küche ganz besondere Herausforderungen bereit, so Elena: „Es hat doch einige Experimente und vor allem Anläufe gebraucht, bis ich den Kuchen dazu brachte, im Ofen gerade aufzugehen.“ Elenas Mix aus Fusionsküche mit griechischen Anleihen und Großmutters Geheimrezepten kommt auch beim Mittag- und Abendessen gut an. Zum Dinner beim Sonnenuntergang haben wir obendrein einen ruhigen Logenplatz.
„Kairós“: Jede Menge Platz für 16 Passagiere
Die „Kairós“ liegt in der Hafenbucht des Fischerdörfchens Gaios auf Paxos. Nach dem Essen tuckern wir im Schlauchboot an Land und setzen uns in eine der kleinen Tavernen. In den folgenden Tagen entpuppt sich unser Schiff als perfektes Vehikel fürs Inselhopping: groß genug, um an Bord echten Kreuzfahrt-Komfort zu vermitteln, aber auch klein genug, um tagsüber spontan jede Traumbucht anzusteuern und am Abend zwischen Fischerbooten in einer romantischen Bucht zu parken.
Was es nicht gebe, sei ein vorab festgelegtes Reiseprogramm, betont Kapitän Kevin beim abendlichen Briefing an Deck. „Innerhalb des Reviers muss ich unsere grobe Routenplanung immer wieder Wetter und Wind anpassen.“
Das führt zu spontanen Aktionen wie dem Schnorchelstopp ganz nah an einem Riff bei Antipaxos oder morgendlichen Stand-up-Paddel-Training auf dem spiegelglatten Meer vor Lefkada. In der Straße von Meganisi erkunden wir mit dem Schlauchboot die Meereshöhle Papanikolis, deren natürliche, große Halle wie eine Kathedrale wirkt, in der Tausende Schwalben umherschwirren, die hier ihre Nester haben.
Während Kreuzfahrtschiffe in kleinen Häfen zunehmend als Invasoren betrachtet werden und große, protzige Motoryachten unangenehm auffallen, wird die “Kairos” fortwährend bestaunt. Es ist Vollmond, und das Weiß des Bootes hebt sich, verstärkt durch die Mastbeleuchtung, schön von der Nacht über Ithaka ab.
Die Crew der „Kairós“: Träume leben
Sie fängt nicht nur den Wind über dem Meer ein, sie ist zudem eine Art Traumfänger, auch für die Crew. Kapitän Kevin war Klempner im Sauerland, als er vor ein paar Jahren durch einen Aushilfsjob in Bremerhaven auf ein Schiff kam, seine Liebe fürs Segeln entdeckte und der Seefahrt treu blieb. Steuermann Peter war Hochschullehrer für Design in den Niederlanden. Kurz vor dem Rentenalter fand der passionierte Segler an Bord den „besten Job meines Lebens“, wie er sagt.
Stewardess Janin arbeitete vor einem Jahr noch als Sozialarbeiterin für Jugendliche, verliebte sich erst ins Schiff und dann in Kapitän Kevin. Seitdem sind die beiden ein Paar. Und Maschinist Bruce trauert den großen Pötten, auf denen er schon gearbeitet hat, keine Sekunde nach. Nichts sei schöner, als sein eigener Herr zu sein, erklärt der Neuseeländer, der mit seiner Familie in der französischen Provinz lebt.
Nur einmal auf der Reise müssen wir das Schiff wechseln: In den Fluss Acheron bei Ammoudia auf dem griechischen Festland kann sich auch die „Kairós“ nicht hineinquetschen. Das ist vielleicht auch besser so! Denn laut griechischer Mythologie ist er einer der fünf Flüsse der Unterwelt und mäandert angeblich geradewegs ins Totenreich Hades.
Auf unserem Bootsausflug sehen wir tiefenentspannte Schildkröten, die am Ufer ein Sonnenbad nehmen. Gegen Ende der Tour warten noch zwei besondere Ziele auf uns: Beim Picknick am Mesovikra Beach mit seinem schneeweißen Kiesstrand, der flach abfällt ins glasklare Wasser, fühlt man sich wie der Statist einer Bacardi Werbung. Dazu passt, dass Steward Sven am Strand Cocktails mixt.
Mit dem Dorf Loggos auf Paxos hält die Crew ihren schönsten Stopp für uns bereit. Im kleinen Fischerhafen, in dem sich die farbenfrohen Häuser ganz eng in eine kleine Felsenbucht hineinschmiegen, wird die Crew im Restaurant Vassilis begeistert begrüßt: „Lang nicht gesehen, herzlich willkommen!“ Und auch wir Passagiere
werden offen aufgenommen – wie beim Familienbesuch. Die „Kairós“ dümpelt derweil entspannt im ruhigen Hafenwasser. Es wirkt fast so, als würde sie uns zufrieden beobachten.
Mehr Segeln: Mit Star Clippers in Südostasien und mit Silhouette Cruises auf den Sechellen
Segel-Cruises
INFO “KAIRÓS” SEGEL-CRUISE
Sailing Classics
Die “Kairós” ist mit ihren 38 Metern Länge (max. 16 Passagiere) das kleinste der drei Schiffe von Sailing Classics und vermittelt echtes Segel-Feeling. Wer möchte, packt mit an und kann auf den einwöchigen Törns viel übers Segeln lernen. Wie die „Chronos“ (54 Meter, max. 26 Gäste) und die „Rhea (54 m, max. 28 Gäste) ist die “Kairós” im Mittelmeer und der Karibik unterwegs. Sehr spannend sind auch die Atlantiküberquerungen. 7 Tage ab 2.250 Euro/Person, ohne Flug.
Star Clippers
Segeln XXL bei Star Clippers: Die beiden Viermaster „Star Flyer“ und „Star Clipper“ sind bereits riesig, die „Royal Clipper“ zählt mit ihren 132 Metern Länge zu den größten Segelschiffen überhaupt. Angesteuert werden karibische Ziele und Mittelmeerinseln, es gibt auch Routen in Thailand und rund um Bali. 8 Tage ab 1.850 Euro/Person ohne Flug.
Sea Cloud Cruises
1931 für den US-amerikanischen Börsenmakler Edward Francis Hutton auf Kiel gelegt, hält die „Sea Cloud“ bis heute den Titel als größte jemals gebaute Privatsegeljacht der Welt. Als Kreuzfahrtschiff bekam sie 1999 mit der „Sea Cloud II“ eine noch größere Schwester, die sogar Gym und Spas an Bord hat. Sea Cloud Cruises steuern die Karibik an, das Mittelmeer, Nordeuropa in Nord- und Ostsee sowie Kanaren, Azoren und Madeira. 11 Tage ab 4.065 Euro/Person ohne Flug.