Wer bei Luzern nur an Urlaub zwischen Schlösschen-Architektur, Chocolatiers, Juwelierläden und Victorinox-Shops denkt, tut der Stadt Unrecht. 12 überraschende Insider-Tipps vom Vierwaldstätter See
Die Geschichte Luzerns und seine Architekturikone, das neuschwansteinernde „Château Gütsch“, leisten solchen Klischees Vortrieb. Luzern setzt seit über 200 Jahren massiv auf den „Fremdenverkehr“. Als Folge spannt sich ein weiter architektonischer Bogen von Neo-Renaissance, Neo-Klassizismus und Neo-Barock über Biedermeier und Belle-Epoque bis zur Monumental-Moderne von Jean Nouvels KKL und dem modernistischen, von oxydiertem Kupfer umhüllten Migros-Bau neben dem Hotel „Schweizerhof“.
So richtig fing das Geschäft mit den Fremden 1845 an, mit der Eröffnung des luxuriösen „Schweizerhof“. 14 Jahre später fuhr der erste Zug im Bahnhof Luzern ein. Die altehrwürdige Kapellbrücke ist schon ein weltweit bekanntes Markenzeichen, als die ersten Dampfschiffe (ab 1836) in Betrieb genommen werden. Die Zahnrad-Bergbahn auf den Rigi, die Elektrostandseilbahn auf den Bürgenstock und die sensationell steile, ebenfalls 1888 eröffnete Pilatusbahn sind weitere Meilensteine der frühen alpinen Freizeitindustrie.
Und was hat Luzern seinen Besuchern heute zu bieten? Das wollten wir wissen und sahen uns nach etwas anderen, überraschenden bis verrückten Urlaubs- und Gastro-Optionen der Stadt um.
#1 Izakaya Nozomi: Alles außer Sushi!
Kaum zu glauben: Wer typisch japanische Küche jenseits von Sushi und Sashimi liebt, ist tatsächlich im Luzerner Löwengraben neben dem frühere Kantons-Zentralgefängnis bestens aufgehoben. Der in Ingwer- und Sojasoße marinierte, langsam gegarte Thunfisch (Maguro Kakuni) ist ebenso ein Traum wie die Gyoza mit Schweinefleischfüllung, die Miso-Aubergine (Nasu Dengaku) und der Spinatsalat mit Erdnuss- und Sesamdressing (Horensu No Goma Ae).
Dazu gibt es eine schwindelerregende Auswahl teils seltener Sake auch von kleinsten Herstellern und gutes japanisches Bier. Serviert werden abends kleine Gusto-Portionen „Tsumami“, eine Art Tapas. Mittags gibt es Bento-Gerichte.
Den Laden mit Izakaya-Charme werfen Benjamin Egli-Iwasaki und seine Frau Yuko. Der Chef kochte zuvor in Schweizer Top-Restaurants und lebte fast zwei Jahre in Japan. Oberhalb des Lokals werden drei Zimmer im japanischen Stil vermietet. „Quer-Beet“-Degustation ab 78 sfr/Person. nozomi-luzern.ch
# 2 Barabas: Bett im Knast
Bis Ende der 1990er diente der massige Bau im Löwengraben als Zentral-Knast des Kantons. Die 60 Zellen blieben im Grundriss erhalten, wurden zu Mehrbett-, Familien- und Zweibettzimmern und bekamen moderne Bäder. Auch in der Knastbibliothek kann man sich einmieten. Auf jeden Fall kein Plüsch-Hotel und eine Unterkunft mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. DZ ab 120 sfr. barabas-luzern.ch
# 3 Saunaboot: Schwitzen, Cruisen, Gucken
Einfach genial, die Idee von Stella Holz und Samuel Muff. Und eine gelungene Umsetzung in viel Handarbeit. Die Beiden wurden während einer Reise durch Finnland von Saunabooten inspiriert und bescherten danach dem Vierwaldstättersee die wohl gesündeste und lustigste „Dampfer“-Fahrt. Das erste (und bis vor kurzem einzige) Saunaboot der Schweiz ist ein Holzkubus auf zwei Schwimmrümpfen. Der finnische Harvia-Holzofen erhitzt die Sauna binnen 50 Minuten auf 90 bis 95 Grad. Gut, dass man Tauchbecken immer mit dabei hat – den erfrischenden See.
Mit acht PS tuckert man raus, fährt die Küste mit vielen alten und hochmodernen Villen entlang, wirft in einer Bucht Anker – und schwitzt dann mit Blick auf den Bürgenstock. Das leichte Schaukeln des Boots in den Wellen sorgt für perfekte Kontemplation. Mindfulness on the Water ….
Das Saunaboot im 360-Grad-Rundumfoto kennenlernen
Das Ganze geht super einfach, macht viel Spaß und verlangt keinen Bootsführerschein. In der Regel ist man vier Stunden unterwegs – Handtücher und Bademäntel werden gestellt. Der Heimathafen ist beim „Seehotel Kastanienbaum“, gut 12 Busminuten vom Stadtzentrum Luzerns. Kostet je nach Wochentag 300/450 sfr inklusive Benzin, Feuerholz. Badeschlappen, -tücher und -mäntel mietet man für 10 sfr pro Person. saunaboot.ch
# 4 KKL: Kolossaler Kunst-Kasten
Die fast schon brutale Architektur des von Jean Nouvel entworfenen KKL (Kultur- und Kongresszentrum Luzern) zwischen Bahnhof und der Seefront ist allein schon einen längeren Aufenthalt wert. Und natürlich das Kunstmuseum Luzern im vierten Stock oder eines der weltberühmten Konzerte etwa im Rahmen des Lucerne Festival Summer. kkl-lucerne.ch
# 5 Bizeps? Sunrise-Paddeln
Wer früh aus den Federn kommt, paddelt im Kanu der Sonne entgegen. Romantisch ist das und gut für den Body. Es gibt auch geführte dreieinhalbstündige Sonnenuntergangstouren. Sie kosten mit Guide und Kanu ab 30 sfr/Person. kanuzentrum.ch
# 6 Felsenwelt: Tief im Berg
Der Gletschergarten lohnt nicht nur wegen der „Gletschermurmeln“ einen Besuch, sondern auch wegen der dunkel-tropfnassen, dröhnenden, erst 2021 eröffneten Felsenwelt. Lichteffekte, Betontreppen, ein laut gurgelnder unterirdischer „See“, Soundshows und Projektionen. Der Einzeleintritt kostet happige 20 sfr, am besten Museumspass kaufen. gletschergarten.ch
# 7 Stanserhorn: Oben ohne auf den Berg
Die ersten zehn Minuten gen Stanserhorn-Gipfel sind sehr nostalgisch: Man kriecht Höhenmeter für Höhenmeter in einer hölzernen Standseilbahn aus dem Jahr 1893 bergan. Erst dann steigt man in die topmoderne, „swiss made“ Gondel der CabriO-Bahn, deren zweite Etage offen ist. Ein einzigartiges Erlebnis für Unverfrorene (Decken liegen bereit).
Wer Zeit hat, gönnt sich das Candle Light Dinner im Drehrestaurant, bei dem Zutaten aus der Region die Hauptrolle spielen. Die wahren Stars des Abends aber sind die Drachenflieger auf Weinglas-Höhe, der famose Blick über den Vierwaldstättersee und der echt spektakuläre Sonnenuntergang. Berg- und Talfahrt 74 sfr, 4-Gang-Menü mit Berg- und Talfahrt 111 sfr. stanserhorn.ch
# 8 Abtauchen: Ufschötti
Der Name des beliebten Strandbads gut zehn Gehminuten vom KKL bedeutet „Aufschüttung“. Es entstand vor 50 Jahren aus dem Abraum beim Bau des Sonnenbergtunnels. Was euch dort erwartet? Rasenhügel, Kiosk, Bar „Strandleben“, der See, knapp 200 Meter Strand – und viel zu sehen. Der neue E-Grill bei der Buvette kann frei genutzt werden, so will man den beißender Qualm der Einweggrills reduzieren.
# 9 Radtour Horwer Halbinsel
Bike am Bahnhof mieten (E-MTB: 64 sfr pro halben Tag) und dann via Neustadtstraße zum Freigleis, dort Richtung Horw und autofrei direkt am See entlang um die Halbinsel mit Blick auf Pilatus, Rigi und Stanserhorn. Pitstops? Schwimmen im See. Oder Weinverkostung bei Kevin Studer und Denis Koch vom Weinbau Ottiger in Kastanienbaum.
rentabike.ch
# 10 Karel Korner
In der Winkelriedstraße wartet das Nirwana für Cocktail-Lovers in coolem Design. Serviert werden ebenso fantasievoll benamte wie komponierte „Kocktail“-Kreationen. „Ost-End“ etwa, mit Ketel One Vodka, Kümmellikör, Dill-Öl, Vanillesirup, Aprikosen-Palinka. „Ayurveda Bla-Bla“ mit Balsamico Bianco, Süßholz, Muskat, Zimt und Ingwer. Oder „Vleischfogel“ mit Bulleit Rye Whisky, San Cosme Mezcal, Pancetta Fat-Wash und karamellisierter Walnuss. Die Cocktails und Drinks werden von einschlägigen Titeln wie „Falstaff“ und „Gault & Millaut“ hoch gelobt. Barkeeperin Judith Lauber, eine Autodidaktin, wurde zur Barfrau 2022 gekürt. karelkorner.ch
# 11 Zur Werkstatt: Anders essen
Ungewöhnliches Konzept – den Salat gibt es DIY-Style aus einer hölzernen „Werkzeugkiste“, Fleischgerichte werden direkt in der gusseisernen Pfanne serviert. Es werden auch Koch- und Cocktailkurse angeboten. Das sehenswerte Mural „Ignition“ im Kaufmannweg ist sprichwörtlich direkt ums Eck. zurwerkstatt.ch
# 12 Bummeln
Die Kapellbrücke ist weltbekannt, die muss man sehen. Sehr schön ist auch die hölzerne Spreuerbrücke (seit 1408 in Betrieb) mit ihren 45 kunstvollen Danse-Macabre-Bildern aus dem frühen 17. Jahrhundert nebst Wasserkraftwerk, Bibertreppe und dem Mühlenplatz.
Das dortige Restaurant „Mill’ Feuille“ ist unser Tipp fürs Lunch, serviert aber auch Frühstück bis abends um sechs. Reizend sind die Sitzplätze direkt am Fluss. Aber auch das Geviert zwischen Zentral-, Pilatus-, Obergrund- und Moosstraße ist einen längeren Bummel wert.
Windowshopper und Shopper toben sich zwischen Löwengraben, Musegg- und Alpenstraße aus. Überall stechen Prunkfassaden, Erker, Balkone und Ecktürme ins Auge.
Bestens vertreten sind in Luzern natürlich die Schweizer Top-Marken aus dem Bereich Uhren, Schmuck, Brillen sowie internationale Mode-Labels. Freunden süßer Genüsse empfehlen wir einen Besuch von „Max Chocolatier“ in der Hertensteinstraße.
Rund um den Rathausplatz, am Weinmarkt, am Kornmarkt und in den angrenzenden Gassen wie der Furrengasse zeigt sich Luzern sehr malerisch und mitunter sogar sehr italienisch. Weitere Tipps für den Stadtbummel, Touren und Sehenswürdigkeiten auf luzern.com
Lust auf Luzern, den Vierwaldstättersee und die angrenzenden Kantone bekommen, dann hier weiterlesen und die Vorzüge des Tell-Pass kennenlernen. Oder darf es etwas nordischer sein, dann ab nach Glasgow oder Rotterdam