Japan aus dem Bilderbuch: Die Region Tohoku im Nordosten von Honshu ist extrem vielseitig. Dieses Roadbook bringt euch in 10 Etappen zu den schönsten Sehenswürdigkeiten zwischen Felsküste und Bergen …
Das Reiseland Japan boomt, zählte 2019 knapp 32 Millionen Touristen. Das war nicht nur beim Besuch der bekannten Tempel und Schreine in Tokio oder Kyoto spürbar. An einer Region des Kaiserreichs aber ist diese Entwicklung komplett vorbeigegangen: der Region Tohoku.
Dort warten goldene Tempel, alte Schreine, authentische Bergdörfer, romantische Thermalbäder, ein kulinarisches Feuerwerk, Vulkane, riesige Kraterseen, wilde Schluchten, viel Natur und das Erbe der Samurai.
Deshalb ist Tohoku ein wahrer Flüstertipp für Japanfans und -interessierte. Dort ist die Schönheit der Natur ebenso erlebbar wie die feinsinnige Kultur und einzigartig raffinierte Küche des Landes. Zu Recht wirbt diese Region mit “Tohoku besuchen, Japan sehen”. Noch verirren sich gerade mal 0,1 Prozent aller ausländischen Reisenden in den Nordosten der Hauptinsel Honshu. Wir verraten euch, was ihr gesehen und erlebt haben müsst.
Tohoku Tipp # 1
Sendai: Rinderzunge und Samurai
Der Tohoku Shinkansen Super Express bringt euch in nur 90 Minuten von Tokio in die 360 Kilometer entfernte Hafenstadt Sendai. Die größte City der Region Tohoku zählt rund 1,1 Millionen Einwohner, kein Vergleich mit den 38 Millionen der Metropolregion Tokio oder den 17,5 Millionen von Kansai/Osaka.
Die altehrwürdige, sehr modern wirkende Stadt ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Rundreise durch Tohoku. Nach dem Check-in im 4-Sterne-Hotel „Metropolitan“ direkt am Bahnhof, im günstigeren „Grand Terrace“ oder im stilechten Ryokan „Bansuitei Ikoiso“ geht es in einen der Loople-Busse.
Diese Buslinie steuert alle Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Nach einer Viertelstunde ist der Zuihôden erreicht. Das Mausoleum des Stadtgründers ist klein, aber äußerst prachtvoll.
Es wurde zu Ehren des Fürsten Date Masamune Mitte des 17. Jahrhunderts im barocken Momoyama-Stil errichtet: Die kunstfertigen, farbenfrohen Holzschnitzereien und reichen Blattgold-Verzierungen kontrastieren in ihrer Pracht mit der der ansonsten fast schon zenartig meditativen Anlage inmitten eines Zypressenhains.
Am Abend dann das Kontrastprogramm. Wir besuchen das grelle Amüsierviertel Kokubuncho mit seiner für Japan typischen Mischung aus Imbissen, Kneipen, Rotlicht-Etablissements und Spitzengastronomie. Dort interessiert uns vor allem Sendais Spezialität: Gegrillte Rinderzunge schmeckt erheblich besser, als es klingt, etwa im „Rikyu Gyutan Ichibancho“.
Die deftigen, zarten Scheiben mit dem intensiven Grill-Aroma schmecken so ganz anders als man japanische Küche in Deutschland kennt. Wer eher Lust auf klassische Kaiseki-Küche hat, reserviert einen Tisch im „Santaro“, weniger teuer und abgehoben geht es im „Yakiniku Momo“ zu.
Tohoku Tipp # 2
Yamadera: Bergtempel und Samurai-Flair
Am nächsten Vormittag geht es mit dem Regionalzug der Senzan Line in etwas mehr als einer Stunde in das abgelegene Bergdorf Yamadera, was soviel wie Bergtempel bedeutet. Dort machen wir uns nach einem frühen Lunch im „Mitoya“ (Tipp: Soba-Nudeln mit Entenbrust-Scheiben) auf den Weg zur weitläufigen Tempelanlage aus dem 9. Jahrhundert.
Yamadera umfasst etwa ein Dutzend Gebäude. Diese ziehen sich einen recht steilen Berghang hinauf und bieten von oben einen großartigen Blick auf das Tal mit Reisfeldern und eine Reihe weitgehend unberührter, bewaldeter Berge.
Im Herbst finden nur wenige Besucher den Weg hierher, so dass wir die wildromantische Anlage in Ruhe auf uns wirken lassen können. Die bemoosten Buddha-Statuen und Steinlaternen zwischen Ahornbäumen und Zypressen wirken wie aus einem Samurai-Film des Großmeisters Kurosawa Akira.
Ein Gefühl, das wir im Laufe der Reise noch öfter haben werden. Oder, wie es der große Dichter Matsuo Bashô 1689 ausdrückte, als er Yamadera besuchte: „Ruhe und Gelassenheit. Der Klang der Zikade. Durchdringt den Fels.“
Noch mystischer geht es am Berg Haguro-san zu, gute 105 Kilometer weiter nordöstlich. Er ist einer der drei Heilgen Berge von Dewa. Über 2.446 Steinstufen führt der Weg durch einen zauberhaften Zedernwald bis zur fünfstöckigen Pagode, die vor über 1.000 Jahren auf Geheiß des Samurai Taira no Masakado errichtet wurde.
Tohoku Tipp # 3
Zao Onsen: Stilvoll entspannen
Nach so viel Natur und Spiritualität geht es in einen der vielen Thermalbadeorte in Tohoku. Das abgelegene Zao Onsen ist zugleich das größte Skigebiet der Region. Abends serviert uns die Besitzerin der kleinen B&B-Herberge süßlich-deftigen Sukiyaki-Rindfleischeintopf.
Danach entspannen wir in dem nach Schwefel riechenden, dampfend-heißen Thermalwasser im Bad der Herberge. Die Becken besteigt man niemals ohne ausgiebige und sehr gründliche vorherige Reinigung des Körpers mit viel Seife und Wasser! Reisende mit dickerer Brieftasche buchen sich eher im ryokanähnlichen „Zao Kokusai“ ein, günstiger und sehr originell (Schweizer Chaletstil) ist das von sehr netten Gastgebern geführte B&B „Apple“. Unser Restaurant-Tipp für Ramen-Fans ist das „Daichan“.
Tohoku Tipp # 4
Mount Zao: Bergtour mit Mars-Ambiente
Am Folgetag nehmen wir die Wanderung von Zao Onsen zum Gipfel des über 1.800 Meter hohen Mount Zao und zum berühmten Kratersee Okama in Angriff. Bärenspray und -glocke nicht vergessen sowie aktuelle Sicherheitshinweise beachten, hier leben Schwarzbären.
Für diese nicht allzu anspruchsvolle Tour benötigt man etwa sechs Stunden. Den Krater mit seinem Kratersee darf man nicht betreten, aber vom höher gelegenen Hauptgipfel des Zao, dem 1.840 Meter hohen Kumanodake und dem dortigen Zao-Schrein, hat man einen tollen Blick über die surreale Marslandschaft rund um den Krater und Yamagatas gesamte Bergwelt.
An den Hängen des Zao wartet im Winter ein einzigartiges Naturphänomen. Die „Snow Monster” sind Bäume an der Westflanke, die so stark eingeschneit sind, dass sie wie groteske Schneemonster wirken.
Tohoku Tipp # 5
Ginzan Onsen: Heiße Quellen, coole Architektur
Nach unserer Rückkehr von der Bergtour geht es mit Bus und Zug in rund zweieinhalb Stunden in den idyllisch in einem engen Tal gelegenen autofreien Thermalbad-Ort Ginzan Onsen. Das Besondere an diesem winzigen Dorf? Die Architektur. Vom Krieg verschont besteht die Siedlung größtenteils aus stilechten Gebäuden aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Dort wartet auch ein toller Übernachtungstipp für Architekturfans: Der Ryokan „Fujiya Inn“ (180 bis 600 Euro pro Kopf und Nacht) wurde von Stararchitekt Kengo Kuma renoviert und bezaubert mit seiner einzigartigen Mischung aus traditioneller japanischer Architektur und modernem Minimalismus. Von außen fügt sich das Gebäude perfekt in die ansonsten mittelalterlich wirkenden Häuser des abends in warmes Licht gehüllten Orts ein. Die gemütlich-romantische Atmosphäre des alten Japans verzaubert jeden Besucher von Ginzan Onsen.
Perfekt wird das Japan-Erlebnis, wenn, wie es in traditionellen Ryokanen wie dem „Takimikan“ oder „Notoya“ üblich ist, die in einen Kimono gekleidete Bedienung das Kaiseki-Abendessen auf dem Tatami-Zimmer serviert: unzählige Schälchen und Schüsselchen mit kleinen Kunstwerken, die man kaum zu essen wagt. Bodenständiger geht es im „Izu no Hana“ zu, einem schönen, traditionellen Restaurant, das für seine hausgemachten Soba-Nudeln bekannt ist.
Slideshow Schlemmen in Tohoku
Tohoku Tipp # 6
Kakunodate: Samurai-Villen und kalte Nudeln
Kakunodate ist bekannt für seinen “Samurai District”, in dem noch eine Handvoll originaler Samurai-Herrenhäuser erhalten und für die Besichtigung geöffnet ist. Davor steht aber erst einmal die lokale Spezialität an: eine Schüssel kalter Inaniwa-Udon-Nudeln.
Danach besuchen wir zwei der Samurai-Anwesen am Ostufer des Hinokinai River. Das „Kakunodate Samurai House“ und das 300 Meter entfernte „Aoyagi Samurai House“ vermitteln einen sehr guten Eindruck von dem teils sehr entbehrungsreichen Leben der japanischen Landbevölkerung.
Die minimalistisch-strengen Tatami-Räume wirken geradezu meditativ. Angesichts der dünnen und zugigen Reispapier-Fenster und des völligen Fehlens von Öfen möchte man sich nicht ausmalen, wie kalt es in solchen Häusern im harschen japanischen Winter wird. Einige Schritte ums Eck stellt das Omura-Museum historische Rüstungen, Waffen und Gebrauchsgegenstände aus der japanischen Feudalzeit aus.
Tohoku Tipp # 7
Towada-See: Riesenkrater und Anime-Kulisse
Die einstündige Bahnfahrt von Kakunodate nach Akita führt durch die malerische nordjapanische Bergwelt. In der Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur Akita lohnt ein kurzer Stopp im Senshu-Park, einem kunstvoll komponierten Landschaftsgarten auf dem Gelände der früheren Burg. Im vorher reservierten Mietwagen geht es weiter zum Towada-See, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen ist.
Nach dem Einchecken im „Towada Hotel“, dessen Eingangshalle die Designer des mit einem Oscar gekrönten japanischen Anime-Films „Chihiros Reise ins Zauberland“ inspirierte und das schon japanische Kaiser beherbergte, ist Zeit für einen Spaziergang am Ufer des bis zu 330 Meter tiefen Sees und danach ein weiteres Kaiseki-Ryôri-Menü nach entspannenden Stunden im hoteleigenen Onsen.
Tohoku Tipp # 8
Tempel aus Gold und ultimative Steaks.
Die Bootstour auf dem atemberaubend schönen Kratersee ist ein Muss (unbedingt am Vortag reservieren). An einer Stelle zeigt das klare Wasser ein Türkis wie in der Karibik. Bizarre Felsformationen säumen einen der größten Kraterseen der Welt. Lohnenswert ist die einstündige Wanderung entlang des Flusses Oirase, über den der See entwässert: Der Weg führt vorbei an Wasserfällen und Stromschnellen durch dichten Wald.
Das nächste Ziel ist Hiraizumis kleiner Nachbarort Maesawa. Fleischliebhaber verkosten dort etwa im Yakiniku-Lokal „Ogata“ ein Steak aus Japans bestem Rindfleisch, dem Maesawa-Gyû. Dieses schlägt bei Blindverkostungen in Japan regelmäßig das viel bekanntere Kobe-Gyû.
Danach steht die Tempelanlage von Hiraizumi auf dem Plan. Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert eine der größten Städte Japans, war Hiraizumi Residenzstadt der mächtigen Fujiwara. Der komplett mit Blattgold bedeckte Pavillon des Chusonji-Tempels verdeutlicht Reichtum und Macht dieses Regenten-Clans. Die gesamte Anlage ist UNESCO-Weltkulturerbe und thront auf einem Hügel inmitten eines idyllischen Hains aus Zypressen, Ahorn, Ginkgo und Zedern.
Tohoku Tipp # 9
Ofunato Bay: Harter Fels, zarter Schwertfischkopf
Wildromantisch präsentiert sich die felsige Küste von Iwate. Dort steuern wir das an einer Bucht gelegene „Ofunato Onsen“-Hotel mit famosem Blick übers Meer an und genießen ein Kaiseki-Dinner mit der Spezialität des Hauses: Drei Tage in einem süßlich-deftigen Dashi-Sud eingekochter Schwertfisch-Kopf. Der ist dermaßen zart, dass man sogar die Knochen essen kann.
Tohoku Tipp # 10
Finale am Pazifik: Matsushima
Von der traumhaft schönen Ofunato-Bucht geht die Fahrt die Küste entlang, immer wieder mit spektakulären Aussichten. Im Fischerort Kesennuma wartet etwa im „Asahizushi“ oder im „Omasa Sushi“ die wohl beste Sushi-Platte, die wir je hatten. Fingerdicke Scheiben Fisch frischester Qualität auf perfekt zubereitetem Reis. Besser geht’s nicht. Dass wir erst am Ende unserer Tohoku-Tour zum ersten Mal Japans weltweit beliebtes „Nationalgericht“ essen, sagt alles über die Vielfalt und Abwechslung der Küche von Tohoku.
Nachmittags erreichen wir die wunderschön gelegene Hafenstadt Matsushima, 30 Zugminuten von Sendai. Der Blick auf die Bucht der Stadt zählt offiziell zu den drei sehenswertesten Aussichten Japans, neben Miyajima und Amanohashidate.
In der Bucht verteilen sich über 250 kleine, von Kiefern bestandene Inseln. Fukuura und Oshima sind über Brücken mit dem Festland verbunden, alle anderen sind nur per Boot zu erreichen. Die schönsten Ausblicke genießt man von den Matsushima Shidaikan genannten vier Aussichtspunkten.
Nach einem Lunch in Form frittierter Austern, die vor Ort gezüchtet werden, geht es zum Zuiganji-Tempel aus dem 17. Jahrhundert. Dessen goldene Innenwände belegen einmal mehr den Reichtum der Samurai. Besuchenswert ist der benachbarte Entsu-In-Tempel wegen seines vor allem im Herbst herrlichen Gartens. Dann schließt sich im 30 Kilometer entfernten Sendai der Kreis.
東北地方
INFO TOHOKU
Vor Ort unterwegs
Japan ist das Bahnland schlechthin. Von Tokio aus ist man schnell in Sendai, der Metropole der Region Tohoku. Die Region wird durch ein gutes Bahnnetz erschlossen. Für Touristen empfiehlt sich der Japan Rail Pass, kurz JR Pass. Er kostet für ein, zwei oder drei Wochen Gültigkeit zwischen 250 und 500 Euro und berechtigt zu unbegrenzten Reisen auf fast allen von Japan Rail betriebenen Zug-, Bus- und Schifffahrtslinien. Kann von Deutschland aus online bestellt werden.
Wer mit dem Mietwagen reisen will, benötigt eine beglaubigte Übersetzung des nationalen Führerscheins. Diese erhält man bei der Japan Automobile Federation JAF in Tokio oder in Sendai. Dauert etwa eine Stunde, kostet rund 25 Euro. Übersetzung meist am Folgetag erhältlich. Österreicher brauchen den nationalen und einen internationalen Führerschein.
Weitere Infos und Routenvorschläge
Viel Wissenswertes und tolle Tipps zu Tohoku finden Sie hier bei JNTO
Impressionen und Tipps für die Region Tohoku auf der Website von Travel to Tohoku
Reise-Ideen und viele praktische Tipps zu ganz Japan auf Website der Japan National Tourism Organization
Interesse an mehr Storys und Inspirationen zu Japan? Dann entdeckt mit trpstr. die nördlich von Honshu gelegene Insel Hokkaido im Winter, Kyoto im Herbst und die 22 Things to do in Tokio sowie unsere Lieblingsplätze in Osaka
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Fotos soweit nicht anders angegeben © Travel to Tohoku (tohokukanko.jp/en)