Canyoning, Hochseilklettern, Blobbing: Wie viel Outdoor-Action passen in zwei Tage? Ein Selbstversuch in der Tiroler „Area 47“, die sich als Europas größte Abenteuerspielwiese bezeichnet
Drei Männer, zwei Tage, neun Sportarten. So lautet die Mission. Und unsere Frage: Wie viel Adrenalin können wir produzieren? Wir wollen es wissen. Von Chris Schnöller, der seit der Eröffnung der Area 47 2010 erst fürs Marketing zuständig war und nun als Geschäftsführer fungiert. Wir treffen Chris auf der Sonnenterrasse des „Lakeside“-Restaurants am Rand des künstlichen Badesees.
„Ich würd’ es locker angehen“, rät er, während gerade ein Mann mit Skiern (!) die 17 Meter hohe Mattenschanze runterrast und meterhoch durch die Luft wirbelt, bevor er nicht weit von uns ins Wasser platscht.
„Mit dem Flying Fox“, so Chris „habt ihr einen Superblick über das Gelände“. Und das sind immerhin 66.000 Quadratmeter. Die hier versammelte Konzentration von Sport und Spaß zieht an – 2019 strömten rund 300.000 Besucher in das, wie ORF mal meinte, „Ballermann-Spaßzentrum“ Area 47.
Überblick im Flying Fox
Ein Grund für den Erfolg: Jeder kann sich sein persönliches Level aussuchen. Bei Slacklining, Trampolinspringen und Beachvolleyball kommen auch Anfänger schnell rein. Für den „Fox“ braucht es aber mehr Mut als gedacht. Denn um zur Absprungplattform zu gelangen, geht es in rund 25 Meter Höhe über wacklige Bretter.
Das versteht Chris also unter „locker angehen“. Erste Schwitzattacke, erster Pulsanstieg. Der zweite kommt beim Absprung ins Nichts, wobei der freie Fall bei Weitem nicht so lange dauert wie beim nebenan angebotenen Megaswing. Über eine Länge von 320 Metern genieße ich den Ausblick über das zwischen Inn und Tiroler Ache befindliche Areal, inklusive der zweiten Station unseres Postenlaufs: dem Rutschenparadies.
Zum Schießen komisch
Helm und Klettergurt werden gegen Badehose getauscht. Während Florian die schräge Kletterwand über dem Wasser ausprobiert, nehme ich in der „Cannonball“-Rutsche Platz. Irre: Während ich mit ausgestreckten Beinen in einer Sitzschale kauere, katapultiert mich auf Knopfdruck plötzlich ein Wasserstoß meterweit in den Badesee. Vor lauter Verkrampfung verstauch ich mir glatt die Finger.
Aber halb so wild. Wild wird es dafür oben am über 20 Meter hohen Rutschenturm. Während andere Gäste zu 270-Grad-Twister- und Kamikaze-Rutsche abbiegen, nehmen wir uns die wahre Kamikaze-Aktion vor: die „Free Fall“, Vermarktungsname „Die Streif unter Europas Rutschen“. Eine Idee von Chris? Na egal. Alleine würde man jetzt vermutlich kehrtmachen – auch wegen der Warntafeln „Erst ab 15 Jahren“ und „Für Frauen nicht erlaubt“.
Mit 80 Sachen die Rutsche runter
Aber der Druck der Gruppe sorgt für „Motivation“. Also in die Rutsche gesetzt, die Hände an die Stange über dem Kopf und die Beine baumeln lassen. Beim Blick nach unten wird mir schummrig. Es geht locker 18 Meter runter, die Rinne ist nur leicht gekrümmt. Dann lass ich los – und heb ab, so steil ist der Winkel. Fünf Sekunden und eine Adrenalinexplosion später rausche ich mit Wucht in den Auslaufbereich. Angeblich wurden hier schon 80 km/h gemessen! Ob ich auch so schnell war? Mindestens!
Mit stolzgeschwellter Brust marschiere ich zum „Blobbing“. Kenn ich nicht, will ich kennenlernen. Aus zwei Metern Höhe hüpfe ich auf einen riesigen Gummiberg und schleudere meinen dort sitzenden Compagnon, den Gesetzen der Luftverdrängung folgend, in die Höhe. Dann krabble ich selbst bis zum Rand des sich ständig verformenden XXL-Gebildes und warte meinerseits darauf, den Abflug zu machen. Auch wenn ich mit mickrigen zwei Metern weit unter dem 22-Meter-Weltrekord liege, tut das Aufkommen auf dem Wasser kurz weh. Sinkt meine Anspannung? Ein Anzeichen für Hunger?
Area 47? Lunch-Area!
Der wird bei einer „Pizza Area“ (mit Bergkäse, Speck und Radieserln), Salat und Energydrinks (die vielen Werbebotschaften allerorts verfehlen nicht ihre Wirkung) gestillt. Wie wir schon wissen, gibt es gratis Freibad-TV dazu! Blobber, Schanzenspringer, Badende und ganz hinten freuen sich Anfänger an der Little Bro Wakeboard-Anlage, dass ihnen der Lift alleine gehört und sich die Geschwindigkeit entsprechend anpasst.
Das sieht bei der „echten“ Wakeboardanlage der Area 47, die nun – Punkt 5 – auf dem Programm steht und die wir in fünf Gehminuten erreichen, anders aus. Am Kunstsee zieht ein Lift die Brettljünger mit 30 Sachen übers Wasser – auf 420 Meter Länge, vorbei an fünf Masten und verschiedenen Obstacles. Bei einem Cappuccino im Café machen wir uns mit der Szenerie vertraut und staunen nicht schlecht über die Bunny Hops, Flips und Grabs, die manche draufhaben.
Brettspiele mit Pulsanstieg
Gut, es gibt auch Untergeher, Nichtdiekurvekrieger, Vombrettfaller. Zu denen werde ich gleich gehören und mit missglückten Startversuchen zum Dauergast im Startbereich, wo man mit einem Ruck von den Planken aufs Wasser gezogen wird. Leider halt ich mich immer nur Sekunden auf dem Brett. Woran es liegt? „Zu viel Rückenlage“, „zu wenig Boarderfahrung“, zu viel dies, zu wenig das. Einmal aber schaffe ich einen astreinen Antritt, flitze galant übers Wasser, fühle mich großartig. Bis zur 2. Kurve, wo die Traumfahrt abrupt endet.
Beim Rafting habe ich mehr Erfahrung, nicht zuletzt da ich vor Jahren die Imster Schlucht durchfuhr. Jetzt steht mit der Ötztaler Ache ein schwierigeres Gewässer an. „Stufe vier von sechs. Und sechs sind die Niagara-Fälle!“, witzelt Dan, der englische Guide. Da auch Dänen an Bord sind, sprechen wir – als wir nach kurzer Busfahrt von der der „Outdoor Base“, Kommando- und Equipmentzentrale für alle externen Area 47-Trips, nach Oetz die Boote klarmachen – nur noch Englisch.
Oder besser: hören es in Form von Kommandos wie „All forward!“ (paddeln wie die Irren), „hold on!“ (kurz nichts tun) oder „get down!“ (runterducken und zwar rasch!). Nach einer Stunde etwa, als wir die wildesten Strudel hinter uns haben, kommt das Spezialkommando „Tequila“ dazu.
Area 47 kann auch Weißwasserfreuden
Dabei lehnt man sich sehr weit aus dem Boot und bekommt dank einer Welle einen ordentlichen Schluck Achenwasser ab. Wie im Rausch sind wir ohnehin: So viel Weißwasser, so viel Gischt! Unsere Berg- und Talfahrt wird zur fahrenden Dusche, das Wasser rund ums Boot spritzt meterhoch. Entspannung gibt es nur auf den letzten Inn-Kilometern auf dem Inn.
Nicht den Fehler machen und sich jetzt im einfachen, aber netten Doppelzimmer der Area-Unterkunft aufs Bett legen. Einschlafgefahr! Also duschen und ab zum „Argentinian BBQ“. Schwierigste Frage dort: Welche Sauce verdient das T-Bone-Steak? Barbecue, Mayonnaise-Jalapeños oder Kräuter?
Via Klettersteig zum Canyoning
Der nächste Tag startet gleich mit dem nächsten Knaller: Canyoning. Punkt neun Begrüßung an der „Outdoor Base“, Gruppeneinteilung, Materialausgabe. Rein in den Neoprenanzug, Helm auf und Seilgurt an. Kurze Busfahrt, kurzer Marsch durch den Wald, kurze Einweisung von Patti, dem Guide unserer Sechsergruppe.
Der Unterschied zur stärker gebuchten Einsteigerrunde wird schnell klar: Bei unserer „Lost Valley“-Tour für Leute mit Erfahrung geht’s gleich zur Sache und via Klettersteig in die Auerklamm. Nach ein paar Minuten der Erstkontakt mit Wasser. Hui, höchstens sieben Grad! Weiter geht es zu Fuß an Felswänden entlang und den Bach hinab. Mal über glitschige Steine, mal durch Spalten, mal über einen Trail durchs Unterholz.
Großer Sprung ins kleine Becken
Es gilt nicht nur Balanceakte und hohe Sprünge in Gumpen zu überwinden, sondern auch den inneren Schweinehund. Das gilt vor allem in einer Wasserfallrinne. Gut, dass uns Patti kontrolliert ins nächste Becken ablässt. Das Finale besteht aus einem 12-Meter-Sprung und einer Rutsch-Sprung-Kombi. Die macht derart Laune, dass wir sie gleich mehrmals wiederholen.
Auf der Naturskala befindet sich die 2-Stunden-Tour ganz oben, auf der Adrenalinskala ebenfalls. Die wird bei der für mich anstrengendsten Station noch getoppt: dem Hochseilgarten „Air Trail“, der bis zu 25 Meter über dem Boden entlangführt, wieder an der Brückenunterseite. An der wurden extrem wacklige Hindernisse befestigt: rutschige Balancierstämme, unhandliche Baumstumpen, Wackelplatten, die nur mit gutem Gleichgewichtssinn zu überwinden sind. Ich erreiche den Punkt, an dem ich beinahe die weiße Flagge hisse.
Bike-Upgrade in der Area 47
Die Höhe, die drückende Hitze, fehlende Klettertechnik, die durch enormen Kraftaufwand kompensiert werden will, und die vorangegangenen Aktivitäten, zollen ihren Tribut. Mit Hängen und Würgen erreiche ich das Ende des Trails. Nach einer längeren Pause wartet schließlich noch die Fahrt mit Mountainbike – ein Bereich, der zunehmend ausgebaut wird, auch im Bereich E-MTB.
Wir bekommen analoge Treter und steuern den idyllischen Piburger See an. Geht erst schön flach an der Tiroler Ache entlang und dann schön anstrengend 250 Höhenmeter rauf. Das Beste ist das Bergab, wenn wir auf Teerstraßen und noch besser Trails durch den Wald versuchen, möglichst geschmeidig die Kurven zu kratzen.
Mission completed
Stichwort Kurve kratzen. Die Rückreise steht an. Und unser Fazit: Irre, wie viel man in zwei Tagen an bekanntem und neuen Thrill erleben kann. Und wie sehr der Spaß ins Geld geht, schließlich kostet fast jeder einzelne Posten extra. Dennoch: Unsere Mission ist erfüllt, das Bedürfnis nach Action mehr als gestillt. Mehr Adrenalinausschüttung ist momentan nicht möglich. Over.
Noch lange nicht müde? Wie wär’s mit Paddeln rund um Rab, einem Höhlentrekking in der Schweiz oder einem Survivalcamp in Oberschwaben?
Area 47
INFO AREA 47
Mai bis Anfang Oktober geöffnet, Packages möglich,
etwa zwei Ü/F, Rafting und Canyoning ab etwa 250 Euro. area47.at
Fotos: (c) Area 47