Die Dominikanische Republik bietet viel mehr als die bekannten Sandstrände. Der Südwesten gilt noch als Geheimtipp des Karibikstaats. Zeit, sich auf Entdeckungsreise zu begeben
Dunkel hängen die Wolken über der Klosterkirche Las Mercedes in Santo Domingos Altstadt. Eine große Menschenmenge drängt sich in und um das im 16. Jahrhundert erbaute Gotteshaus. Über Lautsprecher wird die Heilige Messe für die Gläubigen auch nach draußen übertragen. Auf der Strasse begrüßen sich Offiziere in ihren braunen, gebügelten Uniformen, Orden und Rangabzeichen ausführend. Unter einem Baum verkauft ein Mann Bibeln und andere katholische Devotionalien. Heute, am „Tag der gnadenreichen Jungfrau“, „Nuestra Senora de las Mercedes“, gehen die Geschäfte gut.
Santo Domingo: Feiernde Gläubige
Inbrünstig singt die Menge „Hosianna“, die Lautsprecher knacken und rauschen taktlos dazu. Auf der Straße formieren sich mehrere Militärmusikkapellen, ausgelassen fotografieren die Soldaten sich und ihre Familien . Aus der Kirche brandet Applaus und dann beginnen die Kirchenglocken zu läuten. Aber es ist nicht das bekannte, beruhigende Läuten, viel wilder, ungestümer, lauter. Die Glocken scheinen Merengue zu tanzen, sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen – Lebensfreude quillt in die Gehörgänge.
Dann brandet Jubel auf und ernst blickende Männer tragen ein Podest mit einer Marienstatue aus der Kirche, die Musikkapellen beginnen zu spielen. Hunderte Gläubige versuchen, die Mutter Gottes zu berühren, als sie langsam und schwankend auf die Straße einbiegt. Einige stolpern, werden hochgehoben, weitergeschoben, verschwinden in einer menschlichen Melange aus Gebeten, Emotionen und Gesängen. Von den Kirchtürmen regnen säckeweise Blütenblätter auf die Menge. Die Dominikanische Republik ist noch fest in katholischer Hand.
Dominikanische Republik – Detroit und zurück
An einer Hauswand lehnt ein Mann mit Spiegelbrille und trainiertem Oberkörper. „Cool“, sagt er, sein Name sei Wendy. „Lebte viele Jahre rund um Detroit, malochen, Dunkelheit, Kälte.“ Sein amerikanischer Slang ist schwer zu verstehen. Das Heimweh habe ihn zurückgetrieben in den Südwesten der Dominikanischen Republik, in die Nähe von El Paraiso. Ja, das Dorf heiße wirklich so, denn die Küste dort sei atemberaubend, und bei Touristen leider weitgehend unbekannt.
Dominikanische Republik: Die Paradies-Küste
Im Vergleich zum schwülen Santo Domingo herrscht in weiten Teilen des Südwestens ein trockenheißes Klima. Die Vegetationsdecke ist dünner, Kakteen wachsen am Straßenrand. Südlich des Gebirgsstocks der Cordillera Central, etwa zwei Autostunden von der Hauptstadt entfernt, öffnet sich inmitten staubig-rauer Landschaft das Tor zum ersten Weingut der Insel, der Ocoa Bay Winery. Dahinter wartet Gabriel Acevedo, Architekt, Bauunternehmer und ein Bekannter Wendys aus der Hauptstadt.
Ocoa Bay: Tempranillo und Kakteen
„Erst bezeichnete man mich als verrückt, jetzt bin ich plötzlich ein Visionär“, erzählt Gabriel. Über Jahre hatte er an der weiten Ocoa Bay Land gekauft, zunächst, weil er sich in die Gegend verliebt hatte und dort sein Ferienhaus baute. Irgendwann sei ihm mit Blick auf die kargen Hügel die Idee zu einem Weinberg gekommen. Dann habe er einfach Spezialisten in die Dominikanische Republik eingeflogen, die Mikroklima, Hangneigung und Bodenbeschaffenheit als für den Weinbau ideal einschätzten. Aus 32 getesteten Rebsorten wurden fünf für den Anbau ausgewählt, unter anderem Tempranillo, Tourterelle und French Colombard.
Ocoa Bay Vinery and Hotel
Auf den nach Westen ausgerichteten Weinbergen wachsen Kakteen zwischen den Weinstöcken, mehrere Weinlesen hat er hinter sich. Das Ergebnis ist überraschend positiv: Der French Colombard schmeckt sehr fruchtig mit Spitzen von Säure, der Tempranillo ist weich mit einem Anflug Tannin.
Aber Gabriel ist das nicht genug, er will Teile seines zwei Mio. Quadratmeter großen Grundstücks für Privatvillen verkaufen und ein kleines Hotel errichten. Den Infinitypool gibt es bereits, daneben bereitet ein Koch Speisen aus biologischer Landwirtschaft zu. Nachhaltigkeit ist Gabriel Acevedo wichtig, das Abwasser wird organisch gereinigt und wiederverwendet und es gibt Solaranlagen, noch weitgehend Neuland für die Dominikanische Republik.
Und warum sollte sein Weingut auch nicht funktionieren, fragt er zum Abschied. Schließlich bauten die Franziskaner einige Jahrhunderte die Rebsorte „Mission“ für ihren Messwein auf der Insel erfolgreich an. Die Sorte ist heute noch weltweit verbreitet.
Vermutlich ist Wein den Fischern des Dorfs La Cienaga völlig gleichgültig. Sie können sich ihn sowieso nicht leisten und außerdem: Rum geht schneller ins Blut. Ihre Hütten stehen unter Bäumen zwischen Küstenstraße und Strand an der südwestlichen Ecke des Landes. Vom Weingut bis hierher sind es nur 90 Kilometer, aber es scheint eine völlig andere Welt zu sein.
Typisch Dominikanische Republik: Fischerdorf La Cienaga
Wichtig ist den Fischern nur, dass sie genügend Fisch in ihren Netzen haben. Davon gibt es immer weniger, erzählen sie, weil Trawler aus China, Japan und den USA die Gewässer vor ihrer Heimat abfischen. Heute haben sie glücklicherweise einen großen Thunfisch und einige Kilo anderen Fisch gefangen. Zusammen mit dem Fischaufkäufer aus Santo Domingo wiegt man den Fang und feilscht dabei um jedes Gramm.
La Cienaga liegt etwa 240 Kilometer von der Hauptstadt entfernt und ist eindeutig Dritte Welt. Die meisten Hütten haben im Hof ein Plumpsklo, wenige einen Wasseranschluss. Man sieht Frauen über Plastikwannen gebeugt Kleidung schrubben, viele Kinder laufen barfuß. Für Glücksritter hält das von Wald bewachsene Gebirge im Hinterland eine Besonderheit bereit: die einzige Larimarmiene der Welt.
Ein Edelstein namens Larimar
1974 fand Miguel Mendez bei einem Spaziergang am Meer zum ersten Mal die blauen Edelsteine und nannte sie nach dem Fundort und dem Namen seiner Tochter Larissa „Larimar“. Heute wird der Stein zu Schmuck verarbeitet und auf der Insel an Touristen verkauft.
Seit 1980 gehört Israel Gomez, „el Coronel“, der Oberst, zu den Mineiros, die unter einfachsten Bedingungen die Stollen in den Berg treiben. Niemand im Berg ist länger dabei als er. Es sei ein wenig gefährlich, sagt er, aber Risiko gehöre eben dazu. Während die Mineiros in den Anfangsjahren aus der Gegend kamen, arbeiten heute vor allem illegale Einwanderer aus Haiti in den Mienen, die die desolate Lage im Heimatland in die Dominikanische Republik getrieben hat.
„Wir graben mit Spitzhacke und Schaufel erst 80m waagrecht, dann 80 Meter senkrecht, wie eine Treppe nach unten bis zu 300 Meter tief“, erklärt er, ja, Wassereinbrüche würden immer wieder vorkommen. Altersschwache Generatoren versorgen die Schächte mit funzeligem Licht und Minimalluft, die Gänge sind kaum 170 Zentimeter hoch und nur so breit, dass ein Schubkarren hindurch passt.
Dominikanische Republik abseits der Touristenpfade: Schuften für eine Handvoll Pesos
Viele der Arbeiter erhalten solange nur Kost und Logis, bis sie auf eine Larimarschicht stoßen, die sie hier „la Veta“ nennen. Dann bekommen sie vom Verkaufspreis 10%, und können in kurzer Zeit mehrere tausend Dollar verdienen. Aber nur in etwa einem Drittel der Stollen wird überhaupt Larimar gefunden. Wer Pech hat, arbeitet viele Jahre umsonst. Die meisten verschulden sich währenddessen bei Laden-, Stollenbesitzern und Prostituierten, die ihrem Geschäft in einer schmutzigen Hüttensiedlung am Berghang nachgehen. „Wenn du in der Dunkelheit arbeitest, dann willst du auch einmal schöne Frauen sehen“, meint der Coronel dazu.
Etwa 70 Stollen sind in die steile Bergflanke getrieben, an mehreren Stellen sind alte Bergrutsche zu erkennen. Gleich hinter hinter dem Stolleneingang ist es stockdunkel, es herrscht eine drückende, schwüle Hitze, von der Decke tropft es. Auf dem unebenen Boden steht das Wasser knöcheltief, ein Stromkabel schwimmt darin.
Tief im Berg schlagen zwei junge Mineiros mit der Hacke auf den porösen Fels ein, ihre nackten Oberkörper glänzen vor Schweiß. In einer Ecke kauern Kollegen, hustend und spuckend warten sie auf ihren Einsatz. Die Luft ist staubig und riecht nach Diesel und Testosteron.
„Ich bin Juan Anderson aus Haiti“, stellt sich einer der jungen Männer vor. Fünf Jahre arbeite er schon im Berg, aber gefunden habe er noch nichts. Aber alles sei besser als Haiti. Dort gebe es keine Arbeit, hier hätte er sein Glück wenigstens selbst in der Hand. „Eigentlich darf ich hier gar nicht sein, rechtlos, aber die Dominikanische Republik ist meine Hoffnung”, sagt er leise.
Unberührte Strände des Südwesten
Die Dominikanische Republik ist ein Land der Gegensätze. Während die Mineiros in der Dunkelheit schuften, erstreckt sich draußen einer der schönsten Küstenabschnitte der Insel. Trotzdem kennen die wenigsten Besucher die Region zwischen Bahoruco und Enriquillo.
Hoch über der kurvigen Küstenstraße hängen Wolken an den Berggipfeln, das Meer leuchtet in unzähligen Blauschattierungen. Dazwischen liegen dösende Dörfer, die nur kurz aufschrecken, wenn ein Jugendlicher mit knatterndem Moped über die Dorfstraße heizt. Oder, wenn jemand beim Domino falsch spielt.
Rio los Patos: Baden in heißem Wasser
Am Rio Los Patos, kurz hinter Paraiso, treffe ich Wendy wieder. Das sei einer der kürzesten Flüsse der Welt, erklärt er, knapp 500m legt er von der Quelle bis zum Meer an der Playa Caletón zurück. Kurz vor dem Strand wird er aufgestaut. Im seichten Becken plantschen Kinder unter der Aufsicht ganzer Familienclans, es riecht nach Grillfleisch.
Am palmengesäumten Ufer stehen Imbissbuden aus denen lauter Merengue scahallt. „Wir Männer haben es sehr schwer“, meint Wendy mit Blick auf das Treiben, „es kommen ständig hübsche Frauen vorbei und irgendwann können wir einfach nicht mehr „nein“ sagen.“ Da antwortet die Frau neben ihm: “Glaubst du, das geht nur euch Männer so? Träum weiter, Süßer, träum weiter!“.
Nach diesem Schock braucht Wendy dringend ein Bier am Strand. Ich solle seinen Freund Domingo zu besuchen, der als Ranger im Jaragua Nationalpark arbeitet.
Auf dem Weg dahin liegt Enriquillo, ein Ort, der von entflohenen Sklaven gegründet wurde. Die Sonne brennt, kein Windhauch regt sich, Mittagshitze steht zwischen bunt gestrichenen Häusern. Das Meer leuchtet so hellblau, dass es trotz Sonnenbrille in den Augen schmerzt.
Beinahe vergessen: Der Jaragua-Nationalpark
Die Dominikanische Republik ist fast zu Ende, aber der Jaragua-Nationalpark im südwestlichsten Zipfel ist eine Offenbarung, ein beinahe vergessenes Gebiet aus Lagunen, Brachland und unberührten Stränden. Das Geld, das dem Park von der Regierung zur Verfügung gestellt wird, reicht nicht einmal aus, die Bootsmotoren regelmäßig mit Benzin zu füllen, um den Nationalpark abzufahren und illegale Fischer und Vogeleiersammler aufzuspüren, erzählen die Ranger. Deshalb bessern sie ihr kleines Einkommen mit Bootstouren für Touristen auf, die sie über die 27 qkm große Laguna de Oviedo schippern, oder sie über eine der 24 Inseln führen, auf denen sich Höhlenbilder der Taino-Kultur befinden.
„Ich liebe den Nationalpark. Mein Vater war der erste Ranger und ich möchte seine Arbeit weiterführen um die Schönheit des Gebiets für nächste Generationen zu bewahren“, sagt Domingo, während er, bis zur Hüfte im Wasser watend, unser Boot immer näher an die Flamingokolonie heran bugsiert. Dort, wo die rosafarbenen Vögel umher staksen und Shrimps fangen, ist das Wasser für die Nutzung des Außenborders zu seicht.
Dominikanische Republik wie aus dem Bilderbuch
Neben den Flamingos leben mehr als 60 weitere Vogelarten im Nationalpark, seine Strände dienen Schildkröten zur Eierablage. Wolken segeln über blauem Himmel, am grünen Uferstreifen sitzt ein Paar weißer Ibisse. Einfach zu verstehen, warum Domingo und seine Kollegen all das schützen wollen. Und er fragt zurecht, warum einerseits Millionen Touristen in Hotelburgen an der Ostküste sitzen, aber von dort niemand zu ihnen kommt.
Unberührter Traumstrand: Bahia de Las Aguilas
Sie verpassen an der Bahia de Las Aguilas einen der schönsten Sandstrände der gesamten Karibik. Am besten ist er mit einem Boot vom Restaurant „Rancho Tipico“ am Rand des Nationalparks zu erreichen. Viele Kilometer Einsamkeit. Einsiedlerkrebse schippen feinen Sand aus ihren Löchern, Möwen schaukeln auf der sanften Meeresdünung. Dort, wo der Strand in trockenes Land übergeht, sonnen sich Eidechsen auf einem Akazienast. Ein schwarzer Fregattvogel fliegt übers Meer.
Gabriel hofft auf eine gute Ernte. Die Mineiros graben nach blauem Stein, den Fischern brennen die Hände vom Salzwasser und Domingo wartet jeden Tag auf Besucher. Was aus dem so schönen, aber vergessenen Südwesten wird, ist unklar, die Menschen träumen von einer besseren Zukunft. Auch das ist die Dominikanische Republik.
Habt ihr Lust auf mehr warmes Wasser bekommen? Oder wollt ihr doch weiter in Kolumbiens Dschungel?
Dominikanische Republik
INFO DOMINIKANISCHE REPUBLIK
Anreise
Verschiedenen Airlines bedienen die Dominikanische Republik. u.a. Condor sowie Lufthansa
Beste Reisezeit
Für den Südwesten speziell empfiehlt sich der Zeitraum September bis April – es ist grundsätzlich nicht so schwül wie im Norden. Hurrikansaison in der Regel Juli bis Oktober.
Mehr Informationen
Die Dominikanische Republik versorgt Urlauber mit praktischen Tipps und vielen Anregungen rund um das Land godominicanrepublic.com
Übernachten
Casa del Mar
Vier lichtdurchflutete Villas mit Natursteinböden und großen Terrassen, Infinitypool, hervorragendes Frühstück mit hausgemachten Marmeladen und Säften sowie ein exklusiver Kiesstrand. Der Italiener Manuel Alberti hat sich seinen Traum vom eigenen Hotel erfüllt. Mein Haus ist dein Haus, ist sein Motto. casadelmarlodge.com
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Der Flug in die Dominikanische Republik ist lang. Wer sich nach der Ankunft zunächst in der Hauptstadt Santo Domingo erholen möchte, ist in diesem kleinen Boutiquehotel in der Altstadt richtig. Große Zimmer und mehrere ruhige Innenhöfe. Tolle Dachterrasse mit kleinem Pool und Tagesbetten. Neben dem Willkommensmojito sind Tablets, WIFI und gutes Frühstück im Preis inklusive. billinihotel.com