Paradiesische Strände wie Waikiki Beach, klar, das ist Oahu. Hawaiis drittgrößte Insel wartet aber auch mit einer brodelnden Kunst- und Food-Szene
Das mit diesem Aloha ist so eine Sache. Irgendwie erwartet man, dass es sich beim Betreten hawaiianischen Bodens wie ein samtweicher Kranz aus Orchideen um den stressgeplagten Hals legt. Puff, Alltagstrubel und 20 Stunden Anreisegereiztheit lösen sich in Luft auf. Was bleibt ist, na ja, eben, Aloha. Klingt traumhaft. Willkommen im Paradies!
Schön wärs. Erster Stopp im Paradies: Stau. Da helfen auch die tatsächlich wunderbar anschmiegsamen Blüten des Begrüßungs-Lei wenig. Eine Blechlawine rollt gen Honolulu, mit einer routinierten Gemächlichkeit, die erahnen lässt: Der dichte Verkehr auf Oahu, Hawaiis drittgrößter Insel, ist eher Alltag als Seltenheit.
Diamond Head: Oahus Hausberg
Fairman, der Taxifahrer, bestätigt es mit einem Grinsen. „Damit will dir die Stadt sagen, dass du gefälligst am Strand abhängen sollst.“ Honolulu habe den zweitschlimmsten Verkehr der USA, nur Los Angeles sei stockender, legt Fairman geradezu bestgelaunt nach. Na prima.
Aber Fairman, gebürtiger Hawaiianer mit Filipino-Wurzeln, hat immerhin ein paar Tipps auf Lager: „Gleich zum Sonnenaufgang um 6 Uhr am Waikiki Beach aufschlagen, ab 10 Uhr wird es voll.“ Seine Empfehlung für weniger enges Strandgelage wird notiert, Makalei Beach, direkt unterhalb des Diamond Head, dem Hausberg Oahus.
Sonnenaufgang Hawaii Style: ab an den Waikiki Beach
Und vielleicht noch einen Rat, wo ich dieses Aloha aufsaugen, trinken, in Häppchen zerstückelt essen kann? So wirklich will sich die Hawaii-Laune nicht ausbreiten. „Oh girl“, schüttelt Fairman den Kopf, „you gotta relax. It will find you.“ Aloha, lerne ich, ist ein Gefühl, eine Essenz, eine Energie. Und laut Fairman wird mich der „Aloha Spirit“ schon finden.
Der Sonnenaufgang am Waikiki Beach stimmt immerhin versöhnlich, fast euphorisch. Der weiche Sand ist noch angenehm kühl, die Brandung das einzige, herrlich meditative Geräusch. In der Luft liegt ein betörend tropisches Aroma, eine Mischung aus Blumen, Palmen, Seetang und Salzwasser.
Während sich die Sonne im Osten langsam über den eierförmigen Kraterrand des Diamond Head schiebt, legt sich ein goldener Schimmer über die Bucht, der selbst die wuchtig aufragenden Hotelklötze im Hintergrund in bezaubernde Morgenfarben taucht.
Waikiki Beach: Die nächste Welle kommt bestimmt
Die ersten Surfer sitzen lässig auf ihren Brettern, die nächste Welle kommt bestimmt. Ebenso wie die gutgelaunte Mega-Gruppe laut plappernder Teenager, die sich direkt neben meiner kleinen Mini-Oase im Sand ausbreitet. Zeit, Honolulu zu erkunden.
Die Hauptstadt von Hawaii ist nicht umsonst Knoten- und Angelpunkt Oahus. Die Stadt nimmt es ernst mit der Übersetzung des Inselnames – „Ort der Zusammenkunft“: In Honolulu kommt alles zusammen: Kulturen, Ethnizitäten, Junge, Alte, Einheimische, Touristen, Künstler, Hippies, Surfer, Superreiche. 70 Prozent aller Einwohner des 50. US-Staates leben hier.
Und Multikulti ist nicht nur ein Schlagwort: Nachfahren von Chinesen, Japanern, Koreanern, Puertoricanern und Portugiesen zaubern eine charmante Mischung auf der Straße, in der Architektur, den Küchen und der Kultur. Oahus Puls ist schnell, das macht sich im ausschweifenden Nightlife, hippen Cocktail Bars und einer brodelnden Artszene bemerkbar.
Herrlich Multikulti: Honolulu
Jasper Wong hat dem Kunst-Boom Oahus den wohl kräftigsten Schups gegeben, als der Graffiti-Künstler 2010 beschloss, mit großen Wandgemälden Honolulus Sprüh-Kunst bei einem kleinen Street-Art-Festival zur Schau zu stellen.
Das jährliche POW! WOW! hat sich zum internationalen Event mit Hundertschaften von Teilnehmern, sowie Ablegern in Israel oder Japan gemausert. Jasper allerdings bleibt erstmal Inkognito, den vereinbarten Termin hat er schlichtweg vergessen.
Junge Kreative lassen sich von Hawaii inspirieren
„Zu viel Aloha“, murmelt der mittlerweile eingetroffene, Jetlag-geplagte und noch von jeglichem „Insel-Geist“ befreite Fotograf Thomas etwas unleidlich. Wir erkunden unterdessen die Lana Lane Studios, eine Künstlerkollektive, die jungen Kreativen in einer ehemaligen Fabrikanlage Raum und Netzwerk zu Kollaborationen bereitstellt. Cherish Prado-Sherman hat hier ihre riesige alte Druckpresse aufgestellt, die sie aus Portland, Oregon, auf die Insel geschifft hat.
Wie viele junge Hawaiianer hatte die Künstlerin ihrer Heimat im Studienalter den Rücken gekehrt, auch, „weil hier Anfang des Millenniums eine kreative Wüstenlandschaft herrschte.“ Mittlerweile habe sich die Atmosphäre geändert. „Als ob es nach langer Dürre in Strömen geregnet hat.
Überall sprießt Buntes aus dem Boden. Viele, wie ich, kommen zurück und buddeln vergessene Traditionen aus“, sagt Cherish, die mit ihrem Mann 2015 wieder nach Honolulu zog.
Jasper, mittlerweile eingetroffen, nickt zustimmend und führt durch die abgerockten hohen Räume, die einen geschäftigen Vibe ausstrahlen. Es riecht nach Farbe und Maschinenöl. Dazu mischt sich ein Hauch frischer Ananas – vor den Garagentüren haben die Jungs von „The Cut“ ihren kleinen Fruchtdrink-Stand aufgestellt.
Oahus Hipster-Renaissance
Das Viertel Kaka’ako ist hip, Graffitybemalt und längst von der Gentrifizierung erfasst, dank der Autowerkstätten und Lagerhallen aber noch wunderbar originell. Die coole Mall SALT at Our Kaka’ako beispielsweise ist in einem ehemaligen Lagergebäude untergebracht und voller Brauereien, Feinschmecker-Kleinigkeiten und lokalem Handwerk. Zum Start in den Tag empfiehlt sich ein Espresso und eine erfrischende Acai-Schüssel im Cafe Arvo mitten im Blumenladen Paiko.
Auch die Gastroszene brodelt. Lässige Restaurants wie Mud Hen Water oder Mahina & Sun’s locken mit einem Mix aus Tradition, Farm (bzw Beach)-to-table und stylischem Design. Die schmale, dunkle Bar The Manifest in Chinatown wiederum ist Nightclub, Mini-Konzert- und Ausstellungs-Space, sowie günstiger Happy-Hour-Treff mit teuflisch guten Deviled Eggs.
Das minimalistische The Curb Kaimuki verbindet Hawaii-Tradition mit simplem Design. Was einst mit einem Food-Truck begann, ist heute Szenetreff und Kaffee-Info-Institution. Hier erfährt man alles über Hawaiis braune Bohnen von der Herkunft über Produzenten bis hin zu Röstern. „Wir erleben eine Renaissance, eine neue junge Energie, die auf der Suche nach ihren Wurzeln ist“, sagt Jasper.
Poi – Grundnahrungsmittel der Hawaiianer
Überhaupt scheint jeder irgendwas zu suchen auf Hawaii, stellen wir bei der Erkundung der Insel fest. Das muss nicht immer Aloha sein – wobei das Wort bei jedem Gespräch so sicher fällt wie ein Stück hell-lila Taroknollen-Masse auf ein Zubereitungsbrett aus Mangoholz. Daniel Anthony beispielsweise, sucht Nachhaltigkeit und Spiritualität. In seinem Haus bei Kaneohe gibt er Kurse und Seminare zur Poi-Herstellung.
Wir lernen: Beim Fermentierungsprozess entstehen gesunde Bakterien, was Poi – eine Art Porridge, das zu allem gereicht werden kann – lange zum Grundnahrungsmittel der Hawaiianer gemacht hat.
„Unsere Kultur glaubt, dass der Geist von Hāloa, dem Urahn des hawaiischen Volkes, nur dann gegenwärtig ist, wenn Poi Teil der Mahlzeit ist“, sagt Daniel und verteilt die violette Poi-Masse, die leicht süßlich und kartoffelähnlich schmeckt.
Mit Hāloas polternden Geist im Magen suchen wir anschließend bei der Fahrt entlang von Oahus Nordküste vor allem eines: Bewegung. Und die nächste Welle. Aber die sucht ohnehin jeder Zweite auf Hawaii: Die acht Hauptinseln des Archipels sind weltbekannt für perfekte Surfbedingungen – aber auch für gefährlich hohe Wellen, Haie und starke Strömungen.
Bucht von Waimea: Riesenwellen
Trotzdem oder gerade deshalb: Hawaiis Surfkultur brodelt als vibrierender Mix aus Bohemians, Hippies und Millennials. In der Bucht von Waimea wartet Hawaiis größte Brandung mit bis zu 35 Meter hohen Wellen, das Adrenalin liegt geradezu greifbar in der Luft.
Auch Carol Philips hat hier etwas gesucht und gefunden: Wellen, ja, aber vor allem ein neues Bewusstsein und Gleichberechtigung in der Surfer-Kultur. „Die ist nämlich ganz schön „Bro“-bezogen“, sagt die gebürtige Kalifornierin.
Die 55-Jährige muss es wissen: 1966 ist sie als erste Frau bei Big-Wave-Bodyboarding-Wettkämpfen angetreten, „was damals vielen Surf-Gladiatoren die Laune verdarb“, erinnert sich die braungebrannte Sportlerin.
Um surfbegeisterte Mädchen und Frauen zu unterstützen, rief die Pionierin nicht nur die World Championship of Women’s Bodyboarding ins Leben, sondern gründete auch die North Shore Surf Girls, eine Surfschule mit ausschließlich weiblichen Lehrern. Vor allem will sie ihre Liebe zum Meer weitergeben. „Das Meer interessiert nicht, ob du Mann oder Frau bist. Da draußen ist gibt es nur Mensch und Natur. Ein befreiendes und spirituelles Gefühl. Meine Form von Aloha.“
Lust auf weitere Traum-Strände? Wie wäre es mit den Seychellen oder der Resortinsel Wa Ale in Myanmars Mergui-Archipel?
HAWAII
INFO HAWAII – OAHU
Anreise
Lufthansa fliegt täglich nach Honolulu, mit Zwischenstopp in Los Angeles, San Francisco oder Vancouver dauert die Reise zwischen 18 und 23 Stunden.
Übernachten
The Surfjack Hotel & Swim Club
Genau der richtige Abstand zu Waikiki Beach! Surfjack liegt ein paar Blocks ab von Honolulus Strand- und Shoppingmeile, die Ruhe des Boutique Hotels ist herrlich. 2016 eröffnet, zaubern helle Zimmer, blaugekachelte Poolanlage und das offene Restaurant mit einem ansteckenden Beach-Vibe von der ersten Minute an Urlaubsstimmung. Bonus: Strandtaschen, Badetücher und Fahrräder kostenlos auszuleihen. The Surf Jack
Hilton Hawaiian Village
Auf den ersten Blick wirkt die Anlage mit ihren sechs Hochhaustürmen auf 22 Hektar riesig, die Touristenmasse verläuft sich aber im „Hawaiian Village“ mit seinen vielen Nischen, weiten Gärten- und Stränden. Die Zimmer sind hell und geräumig – das Pochen auf die Kategorie „Diamond Head-Meerblick“ lohnt sich. Die volle Ladung Aloha gibt es bei zahlreichen Kursen wie Hula-Dance, oder Lei-Kranz-binden. Abends meist Live-Musik mit Ukulelen-Band. Hilton Hawaiian Village
Paradise Bay Resort
Üppig grün mit Dschungel-Flair: Die Anlage mit 46 Zimmern ist eine Oase an der Ostküste. Der Blick geht auf weite Bergketten und blaugrünes Wasser, die Zimmer mit Holzterrassen und BBQ-Grills verstecken sich zwischen Monkey Pot Trees, Palmen und riesigen Orchideenstauden. Zwei Mal die Woche führt eine mehrstündige Cruise per Glasbodenboot zu den besten Schnorchel-Stellen der Bay. Paradise Bay Resort
Turtle Bay Resort
Die drei unschönen weißen Hotelkästen sitzen auf einem Felsvorsprung im Norden der Insel. Zimmer, Lage und Strand sind herrlich, solang man den Bunkerbau im Rücken behält. Neben Yoga, Schnorchel und Stand-up-Paddeling ist hier vor allem Surfen angesagt, die Wellen hier sind legendär. Die Hans Hedemann Surf School versorgt mit Ausstattung und Anfängerkursen. Turtle Bay Resort