Japan aus dem Bilderbuch: Die Region Tohoku im Nordosten von Honshu ist extrem vielseitig. Dieses Roadbook bringt euch zu einigen der schönsten Orte zwischen Felsküste und Bergen …
Das Reiseland Japan steuert dieses Jahr auf über 43 Millionen Touristen zu, sechs Jahre vorher waren es noch knapp 32 Millionen. Das ist beim Besuch von Tokio, Osaka, Nara und Kyoto besonders spürbar. Steigende Hotelpreise und an allen sogenannten Must-sees immer größere Besuchermassen, die sich durch Straßen, Gassen und Tempelbezirke schieben. Das ist nicht jedermanns Sache, so entscheiden sich Liebhaber des Landes oft für Regionen, die zwar im „Abseits“ liegen, aber auch jede Menge zu bieten haben.

Eine dieser Regionen des Kaiserreichs ist das sechs Präfekturen umfassende Tohoku, der Nordteil der Hauptinsel Honshu. Dort warten kunstvolle Tempel und alte Shinto-Schreine, authentische Bergdörfer und urige Onsen-Thermalbäder. Außerdem dürfen Besucher ein kulinarisches Feuerwerk, Vulkane, riesige Kraterseen, wilde Schluchten und große Berglandschaften erwarten.

So ist Tohoku mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von 500 Kilometern und einer Breite von bis zu 150 Kilometern und seiner „Mini“-Metropole Sendai ein Flüstertipp für Japanfans und -interessierte.
Noch verirren sich weniger als 1 Prozent aller ausländischen Reisenden in den Nordosten von Honshu, der die Präfekturen Aomori, Akita, Iwate, Yamagata, Miyagi und Fukushima umfasst. Auch wenn der Tourismusverband, sehr selbstbewusst, mit „Tohoku besuchen, Japan sehen“ für sich werben.

Tohoku Tipp # 1
Sendai: Rinderzunge und Samurai
Der Tohoku Shinkansen Super Express bringt Reisende in nur 90 Minuten von Tokio in die 360 Kilometer entfernte Hafenstadt Sendai. Die größte City in Tohoku zählt rund 1,1 Millionen Einwohner, kein Vergleich mit den 38 Millionen der Metropolregion Tokio oder den 19 Millionen von Osaka.

Die altehrwürdige, aber nichtsdestoweniger modern wirkende Stadt ist der perfekte Startpunkt für eine Entdecker-Rundreise durch Tohoku. Die ulkig-nostalgischen Loople-Busse steuern alle Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Nach einer Viertelstunde ist der dritte von dreizehn Stopps am Zuihoden erreicht.

Das Mausoleum des Stadtgründers ist klein, aber äußerst prachtvoll. Zuihoden wurde zu Ehren des Fürsten Date Masamune Mitte des 17. Jahrhunderts im barocken Momoyama-Stil errichtet: Die kunstfertigen, farbenfrohen Holzschnitzereien und reichen Blattgold-Verzierungen kontrastieren in ihrer Pracht mit der der ansonsten fast schon zenartig meditativen Anlage inmitten eines Zypressenhains.
Ebenfalls sehenswert in der „Stadt der Bäume“ sind die Allee Jozenji Dori, das Schloss Aoba am Loople-Stopp Nummer 6 und der Sendai Asaichi Market mit lokalen Delikatessen.

Nicht verpassen sollte man das Amüsierviertel Kokubuncho mit seiner typischen Mischung aus Imbissen, Kneipen, Rotlicht-Etablissements und Spitzengastronomie. Dort sollte man Gyutan probieren, gegrillte Rinderzunge. Die deftigen, zarten Scheiben mit dem intensiven Grill-Aroma schmecken so ganz anders als man japanische Küche in Deutschland kennt. Unser Restaurant-Tipp: „Rikyu Gyutan Ichibancho“.

Tohoku Tipp # 2
Yamadera: Bergtempel und Samurai-Flair
Am nächsten Vormittag geht es im Regionalzug ins abgelegene Bergdorf Yamadera, gut 50 Kilometer von Sendai. Yamadera bedeutet Bergtempel. Sehr weitläufig ist die Tempelanlage Risshaku-ji aus dem 9. Jahrhundert, deren Gebäude sich einen steilen Berghang hinaufziehen.
Der Tempel ist ein bedeutendes Zentrum des Tendai-Buddhismus und wurde im Jahr 860 gegründet. Der Konpon-chudo, das spirituelle Zentrum am Eingang zur Schlucht, beherbergt eine heilige Flamme, die der Legende nach seit 860 ununterbrochen brennt.
Ein steiler Weg führt in über 1.000 Stufen durch verwunschenen, dichten Wald und vorbei an kleinen Schreinen und durch das Niomon-Tor mit kunstvollen Schnitzereien auf das Gipfelplateau. Vom Godaido aus ganz oben hat man einen tollen Blick über das Tal des Tachiya, die Reisfelder und die bewaldeten Berge in der Nachbarschaft.

Die bemoosten Buddha-Statuen und Steinlaternen zwischen Ahornbäumen und Zypressen, die man beim rund 30-minütigen Aufstieg passiert, wirken wie aus einem Samurai-Film von Kurosawa Akira. Ein Gefühl, das Besucher von Tohoku öfter haben. Passend bringt es der große Haiku-Dichter Matsuo Bashô 1689 nach seinem Besuch von Yamadera auf den Punkt: „Ruhe und Gelassenheit. Der Klang der Zikade. Durchdringt den Fels.“
Mystisch geht es auch am Berg Haguro-san zu, gut 105 Kilometer weiter nordöstlich. Über 2.446 Steinstufen führt der Weg durch einen zauberhaften Zedernwald bis zur fünfstöckigen Pagode, die vor über 1.080 Jahren errichtet wurde. Nur wenige Schritte davon ragt die gut 1.000 Jahre alte „Opa-Zeder“ Jiji-sugi in die Höhe.

Auf dem Gipfel steht neben dem Schrein Sanjin-Gosaiden und der frühere Tempel „Saikan“. Er versorgte Generationen von Pilgern mit Shojin-Ryori-Küche und Schlafplätzen. Heute steht der Saikan auch Touristen in Form eines „Temple Stay“ offen.
Shugendo ist eine synkretistische Mischung aus Buddhismus, Schamanismus, Shintoismus und Daoismus. Zentrum sind die „Drei Berge von Dewa“ im Bandai-Asahi-Nationalpark: Neben besagtem Haguro-san (414 Meter) sind das der 1.948 Meter hohe Gassan und 1.500 Meter hohe Yudono-san. Sie sind durch die „Reise der Wiedergeburt“, eine landschaftlich betörende Pilgerroute auf den Spuren der Yamabushi, verbunden.
Tohoku Tipp # 3
Zao Onsen: Stilvoll entspannen
Nach so viel Natur und Spiritualität geht es in einen der vielen Thermalbadeorte in Tohoku. Das abgelegene Zao Onsen ist zugleich das größte Skigebiet der Region. Dort entspannt man in dem nach Schwefel riechenden, dampfend-heißen Thermalwasser.

Die Becken eines Onsen besteigt man niemals ohne ausgiebige und sehr gründliche vorherige Reinigung des Körpers mit viel Seife und Wasser! Reisende mit dickerer Brieftasche buchen sich eher im ryokanähnlichen Hot Spring Hotel „Zao Kokusai“ ein.
Tohoku Tipp # 4
Mount Zao: Bergtour mit Mars-Ambiente
Für die Wanderung vom historischen Thermalort Zao Onsen zum Gipfel des über 1.800 Meter hohen Mount Zao sollte man Bärenspray und -glocke nicht vergessen und die aktuellen Sicherheitshinweise beachten, hier leben Schwarzbären. Für die nicht allzu anspruchsvolle Tour benötigt man etwa sechs Stunden.

Den Krater mit dem Kratersee Okama darf nicht betreten werden. Vom höher gelegenen Hauptgipfel des Zao, dem 1.840 Meter hohen Kumanodake, und dem dortigen Schrein aus aber hat man einen tollen Blick über die surreale Marslandschaft um den Krater.
An den Hängen des Mount Zao ist im Winter ein einzigartiges Naturphänomen zu beobachten. Die „Snow Monster“ sind Bäume an der Westflanke, die so stark eingeschneit sind, dass sie wie Schneemonster wirken.

Tohoku Tipp # 5
Ginzan Onsen: Heiße Quellen, coole Architektur
Mit Bus und Zug geht es zum idyllisch in einem engen Tal gelegenen, autofreien Thermalbad-Ort Ginzan Onsen. Das Besondere an diesem Dorf: Vom Krieg verschont besteht die Siedlung größtenteils aus stilechten Gebäuden aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert.
In Ginzan Onsen wartet auf Architekturfans der Ryokan „Fujiya Inn“ (ab 500 Euro pro Kopf und Nacht). Er wurde von Stararchitekt Kengo Kuma renoviert und bezaubert mit seiner einzigartigen Mischung aus traditioneller japanischer Architektur und modernem Minimalismus. Von außen fügt sich das Gebäude perfekt in die ansonsten mittelalterlich wirkenden, abends in warmes Licht gehüllten Häuserzeile ein. Die gemütlich-romantische Atmosphäre des alten Japans verzaubert jeden Besucher.

Perfekt wird das Japan-Erlebnis, wenn, wie es in traditionellen Ryokanen üblich ist, die Kimono tragende Bedienung das Kaiseki-Abendessen auf dem Tatami-Zimmer serviert: unzählige Schälchen und Schüsselchen mit kleinen Kunstwerken, die man kaum zu essen wagt.
Tohoku Tipp # 6
Kakunodate: Samurai-Villen und Blütenträume
Das Städtchen ist bekannt für seinen Samurai District, in dem noch eine Handvoll originaler Samurai-Herrenhäuser erhalten und für die Besichtigung geöffnet ist. Davor steht aber erst einmal die lokale Spezialität von „Klein-Kyoto“ an: eine Schüssel kalter Inaniwa-Udon-Nudeln.
Danach warten zwei der Samurai-Anwesen am Ostufer des Hinokinai River. Das Kakunodate Samurai House und das 300 Meter entfernte Aoyagi Samurai House vermitteln einen sehr guten Eindruck von dem teils sehr entbehrungsreichen Leben der japanischen Landbevölkerung: Die minimalistischen Tatami-Räume wirken geradezu meditativ. Angesichts der zugigen Reispapier-Fenster möchte man sich nicht ausmalen, wie kalt es hier im harschen japanischen Winter wurde.

Im Frühjahr zur Kirschblüte zeigt sich der Ort in voller Pracht. Entlang des Fluss Hinokinai und entlang der Bukeyashiki-dori im Samurai-Viertel blühen Hunderte Kirschbäume. Spektakulär sind die über 400 hängenden Trauerkirschen (Shidare Zakura) entlang des Flusses, die einen zwei Kilometer langen Blütentunnel bilden.
Tohoku Tipp # 7
Towada-See: Riesenkrater und Anime-Kulisse
Die einstündige Bahnfahrt nach Akita führt durch die malerische Bergwelt des nördlichen Honshu. Von dort geht es per Taxi oder im Mietwagen weiter zum Towada-See, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen ist.
Das „Towada Hotel“ ist bekannt, weil dessen Eingangshalle die Designer des mit einem Oscar gekrönten japanischen Anime-Films „Chihiros Reise ins Zauberland“ inspirierte. Nach einem Spaziergang am Ufer des bis zu 330 Meter tiefen Sees und einem weitere Kaiseki-Ryôri-Menü im „Towada Hotel“ lockt der hoteleigene Onsen.

Die Bootstour auf dem atemberaubend schönen See ist ein Muss. Bizarre Felsformationen säumen einen der größten Kraterseen der Welt. Lohnenswert ist die einstündige Wanderung entlang des Flusses Oirase vorbei an Wasserfällen und Stromschnellen durch dichten Wald.

Tohoku Tipp # 8
Tempel aus Gold und ultimative Steaks
Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert eine der größten Städte Japans, war Hiraizumi Residenzstadt der mächtigen Fujiwara. Der 850 gegründete und komplett mit Blattgold bedeckte Pavillon des Chūson-ji-Tempel verdeutlicht Reichtum und Macht dieses Regenten-Clans. Er beherbergt die Mumien der Fujiwara beherbergt und ist einer der wenigen erhaltenen Originalbauten. Die gesamte Anlage thront auf einem Hügel inmitten eines Hains aus Zypressen, Ahorn, Ginkgo und Zedern.

Hiraizumis kleiner Nachbarort Maesawa ist ein Must-see für Fleischliebhaber. Yakiniku-Lokale wie das „Ogata“ servieren Steaks aus Japans bestem Rindfleisch, dem Maesawa-Gyû. Dieses schlägt bei Blindverkostungen immer wieder das bekanntere Kobe-Gyû.
Tohoku Tipp # 9
Matsushima: Pazifisches Finale mit Austern
Über die schöne Ofunato-Bucht geht es die Küste entlang, immer wieder eröffnen sich spektakuläre Aussichten. Im Fischerort Kesennuma gibt es exzellente Nigiri Sushi: Fingerdicke Scheiben Fisch höchster Qualität auf perfekt zubereitetem Reis. Besser geht’s nicht.

Die malerisch gelegene Hafenstadt Matsushima ist nur 30 Zugminuten von Sendai entfernt. Der Blick auf die Bucht zählt neben neben Miyajima und Amanohashidate zu den Nihon Sankei, den drei schönsten Landschaften Japans.
In der Bucht verteilen sich über 250 kleine, von Kiefern bestandene Inseln, daher auch der Name Matsushima, also Kieferninseln. Zwei sind über Brücken mit dem Festland verbunden, alle anderen sind nur per Boot zu erreichen. Die schönsten Ausblicke genießt man von den Matsushima Shidaikan genannten vier Aussichtspunkten.

Der Zuiganji-Tempel ist das bedeutendste Monument in Matsushima. 828 gegründet, wurde er von Date Masamune, dem Gründer Sendais, 1609 als Familientempel prachtvoll ausgestatte. Die Haupthalle Hondo besticht durch aufwendige Holzschnitzereien, vergoldete Wände und exquisit bemalte Schiebetüren mit Naturmotiven und Drachen. Besonders schön: Der Weg zum Tempel durch die imposante Zedernallee.
Das Wahrzeichen der Stadt aber ist der Godaido, der 807 auf einer kleinen Felsinsel im Meer errichtet und 1604 neuerrichtet wurde. Ihn erreicht man über zwei knallrote Brücken, deren Querplanken gefährlich weite Abstände aufweisen.

Matsushima ist für frittierte Austern bekannt, auf Japanisch „Kaki Furai“. Die weit geschwungene Bucht ist eines der wichtigsten Austernzuchtgebiete Japans. Die frischen Austern werden in Panko-Paniermehl gewendet, frittiert und mit Tonkatsu-Soße serviert. Die Kaki-Furai-Saison erstreckt sich von Oktober bis März, dann sind die Austern besonders saftig und geschmackvoll. Nach dem Lunch geht es zurück nach Sendai, dort schließt sich der Kreis durch ein ebenso zauberhaftes wie unbekanntes Stück Japan.

Tohoku
INFO TOHOKU
Vor Ort unterwegs
Japan ist das Bahnland schlechthin. Von Tokio aus ist man schnell in Sendai, der Metropole von Tohoku. Die Region wird durch ein gutes Bahnnetz erschlossen. Für Touristen empfiehlt sich statt des teuren Japan Rail Pass, der für 14 Tage happige 600 Euro kostet, der JR East Pass, der für zehn Tage rund 280 Euro kostet und die Region abdeckt.
Wer mit dem Mietwagen reisen will, benötigt eine beglaubigte Übersetzung des nationalen Führerscheins. Diese erhält man beim ADAC in Deutschland oder vor Ort bei der Japan Automobile Federation JAF in Tokio oder in Sendai. Dauert etwa eine Stunde, kostet rund 25 Euro. Übersetzung meist am Folgetag erhältlich. Österreicher brauchen den nationalen und einen internationalen Führerschein.
Weitere Infos und Japan-Berichte
👉 Impressionen und Tipps für die Region Tohoku: Website von Travel to Tohoku
👉 Reise-Ideen und viele praktische Tipps zu ganz Japan: Website von Travel Japan
👉 Story Insel Hokkaido im Winter
👉 Story Kyoto im Herbst
👉 22 Things to do in Tokio
👉 30 Spartipps für Japanreisende
