Das stadtgewordene Dolce Vita bietet neben den monumentalen auch viele weniger besuchte Sehenswürdigkeiten, die nicht minder spektakulär sind
Wer richtig viel Zeit nach Rom mitbringt, kann sich die Vatikanischen Museen antun: 50.000 Exponate – von ägyptischen Mumien bis zum 600er-Mercedes aus der Zeit, als das katholische Kirchenoberhaupt noch nicht Mittelklasse fuhr. Eine Leistungsschau der Raffgier von Kirchenfürsten. Bei den unvorstellbaren Mengen an Gold und Elfenbein, Brokat und Marmor kann einem allerdings ebenso blümerant werden wie angesichts des Andrangs.
Vatikan: Erlösung im Petersdom
Der babylonische Massenauflauf in den Museen folgt einer Dramaturgie: Am Ende wird man entlassen in Michelangelos Deckenfresken-Meisterwerk der Sixtinischen Kapelle und dann in die enorme Größe des Petersdoms. „Das wirkt wie eine Erlösung“, findet James und sein Standort passt zu dieser biblisch klingenden Erkenntnis. Der New Yorker macht mit dem Handy gerade Selfies inmitten eines breiten Sonnenstrahls, der durch die hohen Seitenfenster das monströse Kirchenschiff erhellt. Derart erleuchtet sieht er aus, als würde er gleich gen Himmel auffahren.
Viele Museen gibt es in Rom, einige davon sind weitaus weniger besucht, gleichwohl spektakulär. Die Centrale Montemartini gehört definitiv dazu. Das ehemalige Elektrizitätswerk nahm Teile der Sammlung der Kapitolinischen Museen auf. Wo seit 1912 Strom für Rom entstand, verteilen sich nun die alten Römer und ein Stück Industrie-Archäologie.
Centrale Montemartini: Götter am Kondensator
Die Kombination aus Industriedenkmal und antiker Kunst sorgt für eindrucksstarke Kontraste: Marmorstatuen und Skulpturen posieren zwischen Getrieben, gigantischen Kondensatoren und großen Metallrohren. Zu den Highlights des Museums zählen die Giebelfiguren des antiken Tempels des Apollo Sosiano. Im großen Maschinenraum sind Büsten zwischen den zwei riesigen Dieselmotoren aufgereiht.
Das Museum Centrale Montemartini liegt in Ostiense, etwas abseits der Altstadt und südlich in Tiber-Nähe. „Darum verirren sich nur selten Besucher hierher“, verrät die Dame an der Kasse. Und da wenig los ist, schlafen die Aufpasser schon mal auf ihren Stühlen ein.
Museum MAXXI: Schön schräg, herrlich modern
Das Museo Nazionale delle Arti del XXI secolo, kurz MAXXI genannt und ein paar Kilometer tiberaufwärts gelegen, ist dagegen so gar nicht einschläfernd. In einer Stadt, in der die Antike zum USP gehört, ist radikale Moderne ein echter Hingucker.
Das Meisterwerk von Star-Architektin Zaha Hadid wirkt wie ein Raumschiff. Buchstäblich schräg: Das Museum für zeitgenössische Kunst kommt ganz ohne rechte Winkel und senkrechte Wände aus. Schon der Eingangsbereich ist ein eigenes Kunstwerk: eine hohe Halle, in der sich Korridore und Treppen treffen, die allesamt zu schweben scheinen.
Ein paar Meter weiter – und schon ändert sich die Perspektive aus weißen Leuchtflächen, grauem Beton und schwarzen Stahlverkleidungen völlig. Ach ja, Exponate gibt es auch, unter vielen anderen sind hier Arbeiten von Francesco Clemente, William Kentridge, Mario Merz und Gerhard Richter zu bewundern. Im Café gegenüber dem kleinen Hauptplatz kann man den ganzen Bau bei einem inspirierenden Espresso auf sich wirken lassen. Oder vor der Tür einfach im Gras liegen.
Piazza Venezia: Rush Hour der Italien-Klischees
Das laute Zentrum des Zentrums ist die Piazza Venezia, quirligster Platz der ganzen Stadt. Der Kreisverkehr am gigantomanischen Nationaldenkmal ist ideal für den Start durchs klassische Rom, aber auch bestens geeignet fürs Reise-Ende, als Last-Minute-Fotostopp, wenn einem noch das eine oder andere „Typisch-italienisch-Motiv“ fehlt. Man muss sich nur an die Straße stellen und im Takt der Ampelgrünphasen die Kamera in Position zu bringen.
In Schwärmen von Vespas fliegen auffallend schicke Frauen im engen Businesskostüm und auffallend coole Typen im Anzug vorbei, in gelben Taxikolonnen gestikulieren genervte Fahrer und hinter den getönten Scheiben schwarzer Limousinen sind nur die altmodisch wirkenden, goldfarbenen Ränder von Sonnenbrillen auszumachen.
Bei Rot flitzen Gruppen von Nonnen mit wehenden Schleiern über die Fußgängerüberwege, dazu Hochzeitspaare und Scharen von Touristengruppen. Dafür, dass der Trubel nicht im Chaos endet, sorgt Luigi Rossi, der wirklich so heißt und noch besser ist als jedes Klischee vom coolen Verkehrspolizisten. „Ja, klar, du darfst gern ein Foto machen“, sagt er gelassen und routiniert, noch bevor ich überhaupt fragen konnte.
Kapitol und Foro Romano: Housebeats mit Marc Aurel
Über eine große Treppe geht es hinauf zum Kapitolsplatz, von Michelangelo entworfen. Der mittlere der drei Palazzi beherbergt das Rathaus. An diesem Abend gibt es davor fantastische Lichtprojektionen, vertont von einem DJ und bewacht vom Reiterstandbild Marc Aurels in der Platzmitte. Die House-Beats wummern hinter dem Kapitol auch über die Ruinen des Foro Romano.
Das Vorzeige- und Machtzentrum des einstigen Imperiums ist ein eigener Stadtteil aus Marmortempeln und öffentlichen Plätzen. Viel ist nicht übrig geblieben und so braucht es schon eine gewisse Fantasie, sich in die Zeit Ciceros zu versetzen, der hier seine berühmten Brandreden hielt.
Im Mittelalter war die Örtlichkeit wenig glamourös als Campo Vaccino, also als „Feld der Kühe“ bekannt und ausgiebig wurden Steine und Marmor geplündert. Erst als der europäische Adel auf der Grand Tour die Antike für sich entdeckte, begannen im 18. Jahrhundert die aufwendigen Ausgrabungen, die teilweise bis heute andauern.
Am nächsten Morgen finden sich schon früh die ersten Brautpaare ein, um sich nach der Trauung auf dem Kapitol am Aussichtspunkt über dem Foro Romano für die Fotografen in Position zu bringen. An dessen Ende steht die wohl berühmteste Ruine der Welt: das Colosseum.
Man den ganzen Tag damit zubringen, nur die Besucher des Colosseums zu beobachten: die Fotoshootings, die Brautpaare, die Parkour-Läufer, die auf den Mauern davor trainieren (was sie drinnen nicht dürfen), und vor allem die Touristen, die kreativ sind bei den absurdesten Anstrengungen, das Monster ins Bild zu bekommen. Besonders beliebt: sich so fotografieren zu lassen, dass es so aussieht, als ob man das Colosseum auf der Handfläche trägt.
Pantheon: Beton für die Ewigkeit
Manche Hinterlassenschaft der Antike ist so grandios, dass man bis heute hin und weg ist. Das Geheimnis der Langlebigkeit ist dabei oft: Beton. Damit errichteten die Römer auch das Pantheon. Im Jahr 120 als Tempel errichtet, seit 608 Kirche und das besterhaltene Denkmal des antiken Roms. Den Rekord als größte freitragende Betonkuppel der Welt musste es erst Ende des 20. Jahrhunderts an den Louisiana Superdome in New Orleans abgeben.
Die göttliche Harmonie des Baus ist geblieben, dank einer präzise kalibrierten Symmetrie, der zufolge der Durchmesser exakt der Innenhöhe von 43,3 Metern entspricht. Den Höhepunkt im wahrsten Sinne bildet die 8,7 Meter weite Öffnung, durch die das Sonnenlicht tritt – die Verbindung von Tempel und Götterwelt.
Wo wir schon mal mittendrin sind in den Rom-Top-Ten, geht es gleich weiter zur riesigen Piazza Navona, deren Dimensionen von Kaiser Domitian vor 2.000 Jahren festgelegt worden waren: Er hatte sich hier ein Stadion für Pferderennen bauen lassen.
Von all den schönen Plätzen in Rom ist er der schönste. Was auch an den drei barocken Brunnen liegt: Berninis Vierströmebrunnen im Zentrum sowie der Mohren- und der Neptunbrunnen an den beiden Enden des Platzes. In der Mitte der westlichen Platzseite erhebt sich Borrominis barocke Kirche Sant’Agnese in Agone.
Kleine Fluchten gibt es auch abends genug in Rom. Manche sind nur ein paar Gehminuten entfernt von den Hotspots. Eines der beliebtesten Viertel ist Trastevere auf der westlichen Tiber-Seite, auch wenn es vielen Einheimischen als eine Art Szene-Kiez für Touristen und Neu-Römer gilt.
Dort finden sich genügend beschauliche Restaurants und Trattorien, etwa rund um die Piazza di Santa Maria. In Trastevere kann man am Abend gemütlich versacken oder Feuerschlucker und Seifenblasen-Künstler bewundern, während man sich in den Tavernen, Trattorien und Gelaterias des Zentrums vom Besuchsstress erholt.
Abends: Kleine Fluchten an der großen Treppe
Dort, im Zentrum, bleiben die meisten Rom-Gäste am Abend – was wiederum gut ist für Trastevere. Es scheint, als versammle sich die eine Hälfte der Besucher abends am Trevi-Brunnen, während die andere auf der Spanischen Treppe Platz nimmt. Hier wie dort ist dann kaum ein Durchkommen.
Die Geschichte der Treppe ist so international wie das Publikum, das von früh bis spät auf ihr hockt. Sie hat ihren Namen von der spanischen Botschaft beim Vatikan, die sich im 18. Jahrhundert hier befand, entworfen hat sie der Italiener Francesco de Sanctis als Aufgang zur Kirche Chiesa della Trinità dei Monti, die die Franzosen finanzierten. Abends starren alle wie hypnotisiert auf die Wasserspiele im Brunnen.
Aber selbst an so wuseligen Orten wie der Piazza di Spagna findet man ein Plätzchen fast ganz für sich: Oben vor der Kirche führt nach links eine Mauer, die besonders bei Pärchen beliebt ist – wegen ihres romantischen Flairs. Nur ein paar Meter von der Spanischen Treppe entfernt ist hier der Menschenlärm fast nicht mehr zu hören.
Kaum ist die Sonne hinter dem Petersdom verschwunden, färbt sich der Himmel über Rom feuerrot und die Stadt liegt einem von der kleinen Mauer aus zu Füßen. Ganz exklusiv!
Lust auf mehr spannende Städte? Hier geht’s zum Streifzug durch die Streetart-Szene von New York, hier zum köstlichen Citytrip nach Hong-Kong.
Rom
INFO ROM
Roma-Pass
Die Preise in Rom sind nicht gerade günstig, der “Roma-Pass” hingegen ist es schon. Drei Tage in allen Bussen und U-Bahnen gibt’s damit für 52 Euro, dazu freier Eintritt in zwei Museen der Wahl.
Rom per Vespa
„In Rome do as the Romans do”: Der Roller ist das ideale Verkehrsmittel in der Stadt und eigentlich sollte schon auch „Vespa“ draufstehen! Verleih beispielsweise bei „Scooters for rent“ nahe der Spanischen Treppe.
Veranstalter
So viel zu sehen, mit einer Stadtgeschichte, die überwältigt und zugleich leicht überfordert: Allein deshalb ist es eine gute Idee, den ersten Besuch in Rom in einer organisierten Gruppenreise zu machen. SKR-Reisen bietet klassische Studienreisen wie „Höhepunkte mit einer Kennerin“ oder “Geheimtipps mit einer Kennerin” an. Für Wiederholer bietet Studiosus spezielle Themen für Rom an, beispielsweise „Land der Etrukser“.
Covid-19
Covid 19 hat weiterhin Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und bei Einreisen weltweit zur Folge. Achtet bitte deshalb unbedingt auf die aktuellen Reiseinformationen des Auswärtigen Amts unter auswaertiges-amt.de