Fast mediterrane Leichtigkeit, Habsburger-Grandezza, zwei Flüsse und jede Menge Kultur: In Belgrad ist man schnell vernarrt. Der ideale Citytrip fürs lange Wochenende!
Die klapprige Brankov-most-Brücke verbindet Stadtteile und trennt zugleich Welten. Mittendrauf hat man die perfekte Stadt-Land-Fluss-Idylle im Blick: Hoch über der Save die alte Festung, deren Zinnen im Zickzackmuster den blauen Himmel durchschneiden. Weiter links die Savemündung in die Donau, dahinter Wälder.
Stadteinwärts geblickt die großen Gründerzeit-Häuser, die wie übereinandergestapelt die Altstadt am Hang als bunte Pyramide wirken lassen, hübsch gekrönt vom barocken Turm der Michaels-Kathedrale mit ihrer vergoldeten Spitze. Unter uns plätschert die Save auf ihren letzten Metern.
Zuckerbäckerstil und Jugo-Retro
Keine zehn Minuten später stehen wir mitten in einer Beton-Endlosigkeit, auf dem riesigen Platz vor dem „Palast Serbiens“, wie eines der größten Gebäude Europas heutzutage heißt. Von dessen unzähligen Räumen indes nur noch wenige benutzt werden. Die sozialistische Moderne nahm auch im einstigen Machtzentrums Jugoslawiens eine beängstigende Dimension an, die für das heutige Serbien dann doch ein paar Nummern zu groß ist.
Sightseeing: Gut zu Fuß, perfekt mit Rad
Mit dem Rad aus der Altstadt hinüber nach Novi-Beograd. Das “neue Belgrad” ist ein Traum für Ostalgiker und eine Zeitreise, bei der man nicht weiß, was einem eigentlich ferner liegt, der Gigantismus aus Titos Zeiten oder die tollen Zugbrücken der mittelalterlichen Burg. Genau diese Kontraste machen aber die Radtour mit Ralph van der Zijden spannend.
2011 zog der Niederländer aus Den Haag nach Belgrad, nachdem er zuvor schon viele Jahre beruflich auf dem Balkan zu tun gehabt hatte. „I bike Belgrade“ heißt sein kleines Unternehmen, bei dem er auf verschiedenen Routen Besuchern die Stadt auf halbtägigen Touren zeigt. Und dabei erzählt, wie er sich schon bei seinem ersten Besuch in die Stadt verliebte. Das war kurz nach den Nato-Luftschlägen 1999.
Dass in Belgrad immer was los ist, wie Ralph schwärmt, bekam zur Zeit des Kosovo-Krieges, als die Nato recht treffsicher militärische Einrichtungen in der ganzen Stadt bombardierte, eine sehr unmittelbare Bedeutung. „Die Angriffe waren ja angekündigt. Belgrader Freunde erzählten mir, dass man sich nach einigen Tagen dann überall draußen getroffen hat, um das Feuerwerk zu beobachten. Das sagt schon einiges über die Mentalität hier aus.“ 80 Mal, so ist zu lesen, sei Belgrad in seiner Geschichte schon angegriffen worden. Das macht gelassen. Und zwischen den Welten lag die Stadt schon oft.
Belgrad: Kosmopolitisch aus Tradition
Lange markierte Serbien die Grenze zwischen Habsburger und dem Osmanischem Reich. Das macht ein bisschen kosmopolitisch. Die Mischung aus West und Ost ist zu sehen: Ein ganz eigener serbisch-osmanischer Baustil war lange Zeit en vogue, beispielsweise an der ehemaligen Residenz der Fürstin Ljubica, in dem heute ein Museum untergebracht ist. Man schmeckt es in der serbischen Küche (in der Regel Fleisch mit Fleischbeilagen, doch zum Glück gibt’s auch internationale Auswahl an Restaurants), vor allem aber hört man es, sei es in den schrägen Dissonanzen der Volksmusik oder beim Balkan-Pop.
Apropos Musik: Belgrad hat sich in den vergangenen Jahren fleißig einen Ruf als Partystadt erarbeitet. Wie viele andere Freizeitbeschäftigungen der Belgrader, so spielt sich auch das Ausgehen an oder besser noch auf den Flüssen ab. Vor allem die Save aufwärts reihen sich die Bars, Lounges und Clubs auf den Hausbooten aneinander. Gefälliger Elektro, dabei gern House, ist auf den meisten angesagt, aber selbst Metal-Fans werden fündig im riesigen Angebot.
Auch viele Restaurants sind auf Save und Donau zu finden. Will man sich am ersten Abend nicht groß anstrengen, sind vor allem die Locations vis-à-vis der Altstadt eine sichere Bank, sich ganz schnell in die Stadt zu verlieben. Die nächtliche Silhouette über der Save kann es in Sachen Romantik-Faktor ohnehin ganz locker mit Budapest aufnehmen!
Die Festung: Aussichtskanzel, Treffpunkt, Ruhepol
Ansonsten ist die Festung auf der anderen Seite perfekter Ausgangspunkt oder Endpunkt einer Belgrad-Runde. Am besten beides, denn der große Kalemegdan-Park mit der gewaltigen Burganlage hoch über Save und Donau ist zu jeder Tageszeit klasse. Direkt an den Park schließt die Fußgängerzone Knez Mihailova an, das Herz der Stadt mit schönen Jugendstil- und Gründerzeithäusern, Brunnen, Straßenmusikern, Cafés und Restaurants. Vor allem aber eine Einkaufsstraße mit Charakter, vielen Belgrader Traditionsgeschäften und Künstlern!
Paris hat sein Montmatre, Wien sein Grinzing, München Schwabing… und Belgrads altes Bohème-Viertel heißt Skardarlija. Mit Künstler-Romantik ist es am Abend nicht weit her, wenn die High Heels übers Pflaster klackern und Einheimische und Touristen die Restaurants füllen. Tagsüber jedoch ist es hier manchmal wie ausgestorben. Malerin Andrea Filipović knüpft dann eher unfreiwillig an die Tradition der kreativen Idealisten an, die mehr als schlecht so gerade über die Runden kommen.
Inspirierendes Skardalija
Auch an diesem Nachmittag hat die fröhliche alte Dame ihren kleinen Stand aufgebaut, wo sie ihre Aquarelle verkauft. „Manchmal läuft’s ja, heute halt nicht“, sagt sie und lacht, „ändern kann man es ja eh nicht“. Trotzdem würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Was vor allem am Publikum in Skardalija liegt. „In letzter Zeit scheinen sich immer mehr Leute aus der ganzen Welt für uns zu interessieren.“ Aber Belgrad, findet sie, habe es verdient, dass noch mehr kommen.
Frau Filipović ist eher ein untypischer Fall für Belgrads Kunstszene. Die meisten sind jung und viele tun sich bei ihren Projekten zusammen. So wie die Macher von Mikser House, dessen Kunst- und Musikfestival schon zur festen Institution der Stadt geworden ist. Oder der Freundeskreis von Töpferin Mona Stefanović mit ihrem kleinen Laden im Choomich Design District beim Hotel Moskau. Witzige Keramik-Kunst ist das USP der „Gallery 1250 °“. Gegenüber verkauft Miroslav Stojanović selbstgemachte Seifen und kümmert sich nebenbei um das „Prototype“, den Laden seine Bruders mit witzigem Interior Design.
Gastroszene von todschick bis Altbauwohnung
Auch die Gastroszene ist vital. Es sind beispielsweise Restaurants wie das „Gnezdo Organic“, die Belgrad auch kulinarisch zur spannenden Entdeckungsreise machen. In einem alten Wohnhaus an der Brankov-most-Brücke, in dem niemand mehr wohnen wollte, entdeckten Katarina Mitrović zusammen mit ein paar Ex-Kommilitonen das ideale Zuhause für ihr Bio-Restaurant. Die Altbauwohnung mit Terrasse zählt heute zu einer der beliebtesten Adressen, vor allem wenn man eine leichte und gesunde Alternative zur schweren Hausmannskost Serbiens sucht.
Und wo wir schon unten am Fluss sind, kann man hier gleich zur kleinen Fahrradtour flussaufwärts starten. Acht Kilometer lang führt der Radweg unter den riesigen Savebrücken hindurch bis zur Halbinsel Ada Ciganlija. Überall am Weg hat man mehr als genug Gelegenheiten, in einladenden Kavanas und Bars auf dem Fluss zu versacken. Dann verpasst man allerdings den sensationellen Sieben-Kilometer-Strand und die Party-Atmosphäre, die Ciganlija zu dem Treffpunkte schlechthin der Stadt machen. Am Wochenende sowieso, dann geht nichts mehr und man muss schon weit gehen, um überhaupt noch ein freies Plätzchen fürs Badetuch zu finden.
Unsere Radtour endet in Zemun, einem verschlafenen Städtchen, das in grauer Vorzeit mal Belgrads Konkurrenz um die Macht an der Save-Mündung gewesen sein soll. Kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Über Kopfsteinpflaster winden sich an windschiefen Häuschen vorbei die engen Straßen zum Grados-Hügel hinauf. Auf dessen kleinem Gipfel errichten die Stadtväter 1895 zum 1000-jährigen Bestehen der Stadt einen Turm, der an eine Kirche und Minarett zugleich erinnert. Nebenan ist das Grados-Restaurant mit seiner großen Terrasse der ideale Platz zum Ausspannen.
Belgrad als Dorfidylle: Zemun
Weit reicht der Blick, über Zemun, die Flüsse und mittendrin die Donau-Insel, deren Wald von hier aussieht wie ein wilder Dschungel. Darüber hinweg ist Belgrad mit seinen Hügeln zu sehen. Ralph deutet auf einen von ihnen. „Dort hinten wohne ich, in der Nähe des Silicon Valley.“ So nennen sie die Strahinjića-Straße mit ihren schwer angesagten Bars, deren schwerreichen Gästen und jenen Frauen, die sich am liebsten einen angeln würden und ihrer natürlichen Schönheit öfter auch mal künstlich nachgeholfen haben.“ Klingt witzig. Silicon Valley schau ich mir morgen noch an.
Die Kirchturmuhr von Zemun schlägt sechs und die tiefstehende Sonne legt ein goldenes Licht auf die Dächer und die Flussufer. Weit unten auf der Donau fliegen Gänse, ganz in der Nähe am Grados-Hügel blökt ein Schaf.
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Belgrad
INFO BELGRAD
Vor Ort unterwegs
Den Innenstadtbereich mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten kann man gut zu Fuß erkunden. Radfahren ist nur auf den Radwegen an Save und Donau zu empfehlen, dort aber richtig schön! Entlang der Save gibt es auch mehrere Radverleihe. Toll ist eine geführte Radtour mit dem Team von „I bike Belgrade“.
Schlafen
Zentraler geht nicht: Das „Belgrad Art Hotel“ liegt direkt an der Einkaufsstraße Knez Mihailova. Schöne, moderne Zimmer, nicht besonders groß, aber ungemein gemütlich. Genial ist das stylische Restaurant im ersten Stock, von dem aus man, auf zwei Etagen verteilt, über die großen Fensterfronten freien Blick hat auf Passanten, Straßenmusiker und Verkäufer. Gutes Restaurant! DZ ab 80 Euro.
Näher am Wasser geht nicht: Das “Arka-Barka-Hostel” ist in einem eigens errichtetes Hausboot untergebracht und bietet Betten mit perfektem Donaublick. Auf der Terrasse oder in einem der zahlreichen nahegelegen Cafés, Restaurants und Bars entlang des Flusses lässt sich prima chillen, spät am Abend wiegen einen die Donauwellen dann sanft in den Schlaf. Kleine, aber farbenfrohe Zimmer. Die Innenstadt erreicht man zu Fuß in etwa 20 Minuten, mit dem Bus geht es schneller. DZ ab 50 Euro.
Ausgehen
Das „Tag“ reiht sich ein in eine fast unüberschaubare Zahl schwimmender Bars, Clubs, Restaurant und Lounges auf Save und Donau. Allerdings ist dieser Lounge-Club einer der schönsten Orte, um am Abend die beleuchtete Altstadt mit der Festung am anderen Save-Ufer zu bewundern. 20 Minuten zu Fuß von der Altstadt entfernt, über die Brankov-Most-Brücke und dann rechts am Ufer.