Bei mehrtägigen Seakayak-Touren rund um die Insel Rab kommen Paddler nicht nur ins Schwitzen, sondern auch ins Schwärmen. Aber wehe, wenn die Bora bläst!
Keine Frage, die Umrundung der 22 Kilometer langen und bis zu elf Kilometer breiten Insel Rab schaffen Ambitionierte durchaus in zwei Tagen. Doch Joško Matušan, den alle nur Yogi nennen, plant für seine geführten Trips eher vier bis fünf Tage ein. „Die Tour soll einen Abenteuer-Touch haben, aber vornehmlich Genuss sein und keine Schinderei“, meint der 40-Jährige mit wenig Haupt-, aber üppigem Barthaar. Der Gründer von Sea Kayak Croatia, der seit 2007 mit Gästen aufs Wasser geht, hat dafür sogar ein Wort kreiert: Relaxploration.
Wie entspannt die Inselentdeckung per Kajak sein kann, davon bekommt unsere überwiegend aus Kajaknovizen bestehende Kleingruppe noch am Ankunftstag eine Vorstellung. Schon nach wenigen Paddelschlägen in der weiten Eufemija-Bucht finden wir in den anfangs kippeligen Einsitzern die richtige Balance.
Mit den Füßen auf den Steuerpedalen und den Knien rechts und links gegen die Bordwände gestemmt, lassen sich Wackler ausgleichen. Und: Uns hilft, dass die Wasseroberfläche so glatt ist wie ein frischer Block Margarine, mit der Yogi gern den Namen seiner mitpaddelnden Frau Sanel(l)a erklärt. Die liebreizende Kulisse der Raber Altstadt erklärt sich mit ihren vier markanten Kirchtürmen quasi von selbst.
Yogi, der Posterboy im Playboy
Wasser: 23 Grad, Luft: 25 Grad und das bei wolkenlosem Himmel Ende Juni. So was nennt man eine ideale Kombination. Zur heiteren Stimmung tragen auch Yogis unterhaltsame Episoden bei, wie die vom „Playboy“, der ihm als nationalen Paddelpionier eine Story widmete („aber nicht in der Nacktmodelstrecke“, wie er grinsend anmerkt). Kurz: Der Zweistundentrip macht Lust auf die Mehrtagestour, die morgen starten soll.
Doch Meer und Wind lassen sich nur begrenzt Menschenpläne aufzwingen. Ungewöhnlich für die Jahreszeit zieht nämlich die Bora auf, jener für die Region so typisch-tückische Fallwind aus den Bergen, zu dessen Begleiterscheinungen Regen und Böen bis zu 200 Stundenkilometern gehören können. „Eigentlich haben wir die Bora eher im Winter, aber ab und zu erwischt es uns eben auch im Sommer“, erklärt Yogi. Wehmütig beschließen wir, den Tag nicht auf dem bewegten Wasser zu verbringen, sondern Rab von Land aus zu erkunden.
Die zwei Gesichter von Rab: wild und mild
Es gibt Schlimmeres. Vor allem, da der Regen zunehmend von der Sonne verdrängt wird und wir mit jemandem unterwegs sind, der hier seit Geburt lebt und sich entsprechend auskennt. Zuerst chauffiert Yogi uns zum 408 Meter hohen Kamenjak, von dem aus man einen Eins-a-Blick über Rab genießt. Ein paar Serpentinen runter und einige in den Wald hinein, dann hält unser Minibus auf der einsamen Fruga-Hochebene. Zu Fuß folgen wir den Resten der alten Römerstraße zu einem Seerosenteich und laufen weiter bis zu einem Küstensteilhang.
Hier werden die zwei Gesichter der Insel Rab erneut klar. „Im Norden sorgte die Bora für schroffe Mondlandschaften“, doziert Yogi, „jenseits der Bergkette hingegen entwickelte sich eine von der Sonne verwöhnte, üppige Vegetation, die dichter und bunter als die Windseite ist – und als auf anderen Inseln der Kvarner Bucht.“
Bunter als anderswo geht es auch im touristischen Leben zu. Und freizügiger. Bestes Beispiel ist der FKK-Tourismus, der hier angeblich sogar erfunden wurde. Fakt: Der US-Sender CNN kürte 2011 gleich die ganze Insel zum weltbesten FKK-Ziel.
Aug in Aug mit Kormoran und Mufflon
Tags darauf sind die Bora-Ausläufer noch spürbar, doch wir wagen den Paddelaufbruch. Im Küstenweiler Suha Punta laden wir die Kajaks vom Dach des Renaults. Dann werden Wechselkleidung, Badesachen, Proviant und Zelte in den Stauräumen der Einmann-Kunststoffboote verladen, bevor es endlich losgeht. Schnell merken wir: Mit dem Kajak ist man der Kleinste und Langsamste unter den vielen Booten, die sich in den Gewässern tummeln. Schlauchboote mit Außenborder ziehen ebenso vorbei wie elegante Segeljachten und Speedboote, die Yogi regelmäßig zur Weißglut bringen, wenn sie mal wieder viel zu nah am Ufer vorbeiheizen.
Den Kajaks werden die anderen Boote nicht gefährlich, nur ab und an sorgen Bugwellen für destabilisierende Momente. Nach einer Viertelstunde befinden wir uns ohnehin in ruhigerem Fahrwasser, wo man nur noch das Plätschern der Paddel hört. Aaaah, Relaxploration! Die Boote gleiten durch klares Wasser, die Augen schweifen umher: da Mufflons im Gebüsch, dort ein Gänsegeier über dem Wald, etwas weiter dann einige Kormorane.
Rab unplugged
Toll ist es auch, wenn plötzlich ein Schwarm größerer Fische unter dem Boot durchtaucht. Theoretisch könnten wir sogar Delfinen begegnen, die sich zwischen Rab und Lošinj gerne blicken lassen. Yogi erzählt, er habe vor Rab einmal sogar zwei Stunden lang die Geburt eines Delfinbabys beobachten können – „Das war das Schönste, was ich je im Leben gesehen habe.“
Auch ohne Delfine erleben wir sehr schöne Stunden. Einmal im Flow, genießen alle die Stille, das Geräusch des schwappenden Wassers, das Zirpen der Zikaden am Ufer. Ab und zu halten wir inne, lehnen uns zurück und konzentrieren uns auf das sanfte Schaukeln der Kajaks. Und erspähen immer wieder Buchten mit teils steinigen, teils sandigen Stränden. In manchen liegen FKKler auf Liegen, andere sind menschenleer.
Hotels, Ferienwohnungen, Touri-Spots? Fehlanzeige. Dank Naturschutzstatus dürfen hier im waldigen Südwesten Rabs ja kaum Autofahrer rein. Ein echter Matchpoint für Paddler! Entsprechend wenig los ist auch am kleinen Leuchtturm bei Donja Punta, wo wir die Boote an Land ziehen und uns mit frischen Tomaten, Oliven, Fladenbrot und Joghurt stärken.
Bewegte Überfahrt mit Wellengang
Die Pause ist allein deshalb angebracht, weil Yogi erst mal checken muss, wie es jenseits der Inselspitze zugeht, rein boratechnisch. In der Tat präsentiert sich das Wasser zunehmend dunkler und unruhiger als bisher, die Wogen krachen auf die Uferfelsen. Yogi verkündet nach einigem Hin und Her: „Die Situation ist nicht ohne, aber wenn wir schön zusammenbleiben, könnte es gehen.“
Das Gepäck wird sicher verstaut, dann ziehen wir die Spritzdecken über, die verhindern sollen, dass zu viel Wasser ins Boot schwappt. Besonderes Augenmerk gilt der Balance. Motto: Immer darauf achten, dass keine zu großen Wellen von der Seite kommen, lieber in die Wellen fahren. Gesagt, getan.
Manchmal hebt es den Bug der Kajaks aus dem Wasser und er kracht hart zurück, dann wieder tauchen die Spitzen tief in die Wellen und werden vom salzigen Nass überspült. Dies hier ist ein deutlich sportlicheres Paddeln, aber Fun-Faktor und Adrenalinspiegel steigen angenehm an!
Dämmerungstour mit Chillfaktor
Fast zwei Kilometer geht es quer über die Kamporska Draga, eine offene Bucht. Rechts, links – gleichmäßig ziehen wir die Paddel durchs Wasser, gleichen die kurzen, harten Wellen aus, die von links vorn kommen. Ich vergesse die Zeit und die anderen und ziehe eine ruhige Bahn durchs bewegte Meer. Es fühlt sich großartig an.
Auf der anderen Buchtseite legen wir am Halbinselchen Dumići an und stoßen in einer Strandbar auf die bewegte Überfahrt an. Danach sind es nur noch 15 Paddelminuten, bis wir auf einer der vorgelagerten Inseln, Otok Maman, anlanden und die Zelte aufbauen. Wir sind die Einzigen auf dem Minieiland, was die auf dem Benzinkocher gezauberten Penne all’arrabiata noch leckerer und den Sonnenuntergang noch romantischer macht.
Beim Bier erzählt Yogi von weiteren Schlafplätzen, die wir aufgrund der fehlenden Zeit nicht mehr selbst erleben können: etwa von der ehemaligen Gefängnisinsel gegenüber Lopar und von einer Bucht an der Steilküste im Norden, dort, wo man überhaupt gar keine Bucht vermutet.
Am nächsten Morgen weckt uns der Duft von Abenteuerfrühstück, das Yogi in der Dämmerung zubereitet: Speck, Eier, Kaffee – Stärkung für die nächste Paddelstrecke, bei der wir noch mal eine ganz andere Art Relaxploration erleben. Eine mit Omm-Faktor. Zieht man so im Sonnenaufgang an den schweigenden Motorbooten vorbei und keine Welle kräuselt die flache See, kann man es kaum fassen, dass auf der anderen Inselseite, gerade einmal fünf Kilometer jenseits des Berges, immer noch Bora-Ausläufer sicht- und spürbar sind und uns mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Kentern brächten. Kein Zweifel, gerade befinden wir uns auf der absolut richtigen Seite des Lebens …
Lust auf weitere Outdoor-Abenteuer?
Wie wäre es mit Höhlen-Trekking in der Schweiz – oder Trekking in den Northwest Territories?
Seakayaking rund um Rab
INFO RAB
Anreise
Nach Rijeka in rund 15 Stunden mit Flixbus ab Frankfurt ab 35 Euro, mit Condor in einer Stunde und 15 Minuten ab 150 Euro. Von Rijeka per Katamaran nach Rab oder mit Bus/Taxi nach Stinica auf dem Festland, von wo aus Fähren nach Mišnjak verkehren.
Infos
Kroatisches Tourismusbüro: kroatien.hr, Kvarner Region: kvarner.hr,
Insel Rab: rab-visit.com/de
Veranstalter
Sea Kayak Croatia: Geführte Kajaktouren rund um Rab. Dauer: zwischen einem und 16 Tagen. Preise: zwischen 40 (Tagestour), 550 (5 Tage) und 2.000 Euro (Expedition), seakayak.hr
Covid-19
Covid-19 hat weiterhin Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und bei Einreisen weltweit zur Folge. Achtet bitte deshalb unbedingt auf die aktuellen Reiseinformationen des Auswärtigen Amts unter auswaertiges-amt.de