Eine Woche mit Teenagern im Kanu auf der Mecklenburgischen Seenplatte – kann das gut gehen? Und wie!
Mecklenburg statt Mittelmeer, Bahn- statt Autoanreise, sieben Tage im Kanu und Zelt statt im Ferienhaus: So lautete unser Plan für die letzte Augustwoche. Doch nach kleinen Anfangshürden – auf dem Fußweg vom Mirower Bahnhof zur „Kanustation Granzow“ werden wir von einem Schauer durchnässt, um dann auf der Campingwiese ungewollt einer lautstarken Studentenfeier beizuwohnen – kommen spätestens am Folgetag Zweifel auf, ob das eine gute Idee war: Nach rund drei Kilometern werden aus dem Teenie-Kanadier die ersten „Ich kann nicht mehr“-Rufe laut.
Was also tun, wenn die 13- und 14-jährigen Mädels vom vielleicht etwas zu ambitionierten Pensum überfordert sind? Neuerlicher Regen für nasse Klamotten und Demoralisierung sorgt? Die von uns gewählte 7-Tage-Rundtour geht schließlich nur auf, wenn wir pro Tag 15 bis 20 Kilometer schaffen. Macht, da man es zwar nicht mit Strömungen, aber auf größeren See durchaus mit Gegenwind zu tun haben kann, vier bis fünf Stunden Paddeln – für unerfahrene Kanuwanderer nicht ohne.
Von See zu See mehr im Flow
Doch zum Glück kommt es anders. Zum einen wird das Wetter jeden Tag wärmer und wir werden keinen einzigen Tropfen mehr abbekommen. Zum anderen finden wir zunehmend unseren Rhythmus, kriegen das mit dem kraftvollen Paddeleinstechen samt leichter Drehung besser hin – gut für eine geradlinigere Fahrt. Ferner tauschen wir die Kanadier-Konstellationen durch und legen öfters Pausen ein.
Notgedrungen auch an so mancher Schleuse, die in dem einmaligen Geflecht aus Hunderten von Seen, Kanälen und Flussläufen in puncto Wasserstand für Ausgleich sorgen. Wobei wir allerorts mitkriegen: Das Wasserlevel ist heuer viel zu niedrig. Bei der motorisierten Schifffahrt sorgt das schon für Einschränkungen, die vielen Kanuwanderer schränkt das hingegen nicht ein.
Erstes Highlight ist das „Bibercamp“, idyllisch am Labussee gelegen. Wir bauen die Zelte am Ufer auf, gleich neben anderen Bootswanderern, denen man sich generell verbunden fühlt („viel cooler als die Hausbootfahrer!“).
Vom Holzsteg, der den Mädchen tags drauf als Yogaplattform dient, hüpfen alle mit Wonne in den rund 22 Grad warmen See, bevor es Pasta mit Tomatensauce gibt, inklusive rotem Wein und Blick in die rote Abendsonne. Kitschig? Real! Selbst die befürchteten Stechmückenhorden bleiben aus. Liegt’s am August?
Paddeln, essen, baden, zelten, repeat
Auch in den kommenden Tagen lernen wir großartige Stellplätze kennen, die eines vereint: Sie sind einfach, aber gut, günstig, sauber und nachts auch ziemlich leise. Das gilt auch für das „Naturcamping am Großen Pälitzsee“, wo eine Schwimm- und Springplattform für Spaß und abends ein Feuer für knisternde Atmosphäre sorgt.
Auch hübsch: der Campingplatz „Zum Hexenwäldchen“ bei Kakeldütt, der mit schnuckeligen Plätzchen am Wasser und netten Gimmicks von der See-Naturschaukel bis zum Streichelgehege vor allem alternativ angehauchte Familien zu gefallen scheint.
Doch um alle Vorzüge der vielen Camps in der Seenplatte auszuprobieren, fehlt meist die Zeit. Nach dem Frühstück wird zügig zusammengepackt, bevor es wieder los geht mit meist zwei Stunden Paddeln. Die längere Mittagspause findet mal in einem Restaurant am Kanal statt, mal auf einer Wiese mit Bademöglichkeit.
Einmal fahren wir mit dem Kanu ins Zentrum von Wesenberg, um dort einen kleinen Stadtrundgang zu machen. Kulturschock! Allzu lang geht das aber nicht, denn es ruft die Paddelpflicht, sollten wir doch jeweils bis spätestens 18 Uhr an einem Zeltplatz anzukommen. Klingt stressig? Ist es aber mitnichten. Wohl aber intensiv, vor allem da es immer etwas zu sehen gibt.
Seenplatte: Viel zu sehen
Die Szenerie in der Mecklenburger Seenplatte wechselt permanent: Seen, Kanäle, Flussläufe – alles stets im angenehmen Wechsel – und im grünen Bereich, mal umrahmt von Kiefern, mal von Schilf oder anderem undurchdringlichem Gewächs. Mal passieren wir entzückende Bootshäuser, mal Freibäder mit ordentlich Rummel, mal kleine Dörfer. Sind die ersten Tage rund um Mirow und Richtung Rheinsberg noch von größeren Seen geprägt und entsprechend vielen (Haus-)Booten gestalten sich die weiteren Tage ganz anders.
Plötzlich Ruhe dank Motorbootverbot
Genau genommen wird es hinter der Useriner Schleuse (witzig ist die in Eigenregie zu bedienende Bootsschleppe, die gute Dienste leistet, wenn der Schleusenwart Feierabend hat) schlagartig ruhiger. Kein Wunder, hier dürfen keine Motorboote mehr fahren. Sie könnten es auf der hinter dem Useriner See auch immer schmaler werdenden Havel auch gar nicht. Zum Teil müssen wir selbst mit unseren Kanus bangen, ob wir nicht aufsetzen, an Ästen hängenbleiben oder im Schilf landen, weil die Fahrspur so zugewachsen ist.
Je länger der Trip, desto mehr Kraft!
Die Strecken im Nationalpark Müritz sind wildromantisch, der strömungslose Fluss führt mal alleenartig durch die Landschaft, mal windet er sich durch Erlenbruchwälder. Unterbrochen wird die Havel immer wieder von Mini-Seen mit Röhricht und Teichrosen – inklusive, Kranichen, Kormoranen, Seeadlern. Das Überraschendste aber sind die Mädchen. Mussten in den ersten Tagen die Erwachsenen die beiden vor lauter Erschöpfung auch mal über längere Strecken in Schlepptau nehmen, setzen sie nun ungeahnte Kräfte frei.
Und beim Powerpaddeln auf der Mecklenburger Seenplatte wird auch noch gequatscht, gesungen und gestaunt. Über riesige Seerosenteppiche, kleine Wasserschlangen und darüber, dass wir nach einem kurzen Bus-Shuttle Bus, der das Stück von Babke zum Leppinsee überbrückt, gar nicht mehr weit bis Granzow haben. Das spornt zusätzlich an: Die Mädchen sind zehn Minuten vor den Erwachsenen am Ziel.
Lust auf weitere Outdoor-Abenteuer zu Wasser – zum Beispiel Seakayaking rund um die Insel Rab oder Segeln auf den Seychellen?
Kanuwandern Seenplatte
Info Mecklenburger Seenplatte
Mit der Bahn zum Boot: Vom Bahnhof Neustrelitz, ca. 1 Stunde von Berlin entfernt, fährt die nostalgische Kleinseenbahn bis Mirow, von dort weiter mit Bus, Taxi oder zu Fuß. Tipp: Kinder unter 15 Jahren fahren in DB-Zügen kostenlos bei den Eltern mit.
Mit dem Kanu unterwegs: Es gibt rund um Mirow eine Reihe von Verleihern, etwa Paddel Paul (paddel-paul.de) oder die Kanustation Granzow (kanustation-granzow.de), von der man etliche Mehrtagetouren starten kann, Kanupreis pro Woche: ca. 120 Euro, Zeltplatzgebühren pro Zelt und 2 Personen etwa 10–20 Euro.
Mit dem Müritz-Rundum-Ticket mobil vor Ort: Beim Paddeln braucht kein Mensch ein Auto, beim Urlaub danach auch nicht. Dank des neuen Tickets können Busse in der Region und in den Nationalpark Müritz sowie Fahrgastschiffe benutzt werden, und das zu günstigen Preisen. Tipp: Wer in Waren (Müritz), Klink, Röbel/Müritz oder Rechlin übernachtet, nutzt das Angebot sogar kostenlos.
Weitere Infos: 1000seen.de/paddeln
Genug vom Zelten? Als Kontrastprogramm empfiehlt sich danach ein Aufenthalt im nahen, komfortablen „Ferienpark Müritz“ direkt an der Müritz. Toll: Auch hier kann man mit dem Kanu paddeln (es gibt sogar Verbindungskanäle zur Kleinseenplatte), aber auch Stand-up-Paddlen, Schwimmen, Surfen und Motorboote ausleihen. Weitere Pluspunkte: ein feiner Foodtruck als Alternative zum Selber kochen in den modernen Ferienwohnungen, eine lässige Bar inklusive Liegestühle im Sand, Leihfahrräder für den nahen Nationalpark und vieles mehr. Die Dampfer fahren direkt am großen Feriendorfplatz los. Preis: ab 55 Euro pro Haus pro Nacht (Mindestaufenthalt 2 Nächte), allseasonparks.de/ferienpark-mueritz
Fotos: Christian Haas, 1000seen.de (Christin Drühl, Kerstin Zegenhagen, Roman Vitt, Joachim Negwer, Hans Blossey)