Radikal waren die Troubles, radikal ist auch Belfasts Wandel. Wo Gefangene einsaßen, wird nun Whisky gebrannt, wo die Titanic gebaut wurde, begeistert ein Top-Museum. Welche weiteren Orte sehenswert sind, zeigen wir anhand berühmter Songs, die in der „Unesco City of Music“ gern mal den Ton angeben.
Auch wenn noch längst nicht alles Friede, Freude, Fish’n’Chips ist: Die Zeiten, in denen Touristen die nordirische Hauptstadt mieden wie Protestanten die Katholikenviertel und umgekehrt, sind vorbei. Seit dem Friedensabkommen von 1998 haben sich die Gästezahlen vervierfacht. Touristen wie Studierende werten die (Innen-)Stadt seither ebenso auf wie szenige Bars und coole Hotels.
Moderne Gebäude entstehen neben heruntergekommenen Parkhäusern, auf dem Gelände der alten Werften gleich ganz neue Viertel. Und wohin man hört, ist (Live-)Musik omnipräsent. Im Jahr 2024 besonders, feiert doch die von der Unesco zur „City of Music“ geadelte 350.000-Einwohner-Stadt mit „Belfast 2024“ das größte kulturelle Festival ihrer über 800-jährigen Geschichte – noch bis Ende des Jahres. Also auf geht’s! Und wohin genau? Mit diesen acht, so oft in der Stadt erklingenden Songs geht es beschwingt zu den Highlights …
Song #1: Stairway To Heaven (Led Zeppelin): Oh Yeah Music Centre
Nirgends wird Belfasts Musikalität so greifbar wie im umtriebigen Oh Yeah Music Centre. Neben experimentellen Studios und Clubnächten begeistert die Dauerausstellung zu Nordirlands Musik. Seit 2008 haben sich mehr als 200.000 Besucher über die Gibson-Gitarre von Gary Moore, die signierte, erste Single der Undertones („Teenage Kicks“) und andere Schätze gebeugt.
Wer sich der hier beginnenden Belfast Music Walking Tour anschließt, erfährt noch mehr. Etwa dass die Weltpremiere von „Stairway To Heaven“ 1971 in der nahen Ulster Hall stattfand, Snow Patrol als Musikbotschafter der Stadt fungieren und in Szene-Clubs wie „Limelight“, „The Empire“ und „Voodoo“ der Punk abgeht.
Song #2: The Wild Rover (Pogues u.a.): Cathedral Quarter
Auch wenn Nordirland zum Vereinigten Königreich gehört – und damit auch der hier mehrheitlich abgelehnte Brexit Realität ist – finden sich auf allen Ebenen starke Verflechtungen mit der EU-begeisterten Republik Irland: geschichtlich, wirtschaftlich, sprachlich und musikalisch. Letzteres wird auf dem Traditional Music Trail deutlich. Der schlängelt sich durch das künstlerische Herzstück des mit Dutzenden übergroßen Murals aufwartenden Cathedral Quarter, das sich um die Kathedrale of St. Anne mit der ikonischen, 40 Meter hohen Turmspitze „Spire of Hope“ ausbreitet.
Profimusiker führen samstags um drei zu den Insider-Treffs, angefangen am Kaminofen in der Bar „The Dirty Onion“, über das wie ein Privatzimmer wirkende Musik-Pub „Duke of York“ (herrlich auch die bunten Schirme über der Gasse davor) und weiter in McHugh’s Pub, das seit 1711 Bier ausschenkt. Unterwegs gibt es viel Musik, Storys und Songs, mitunter auch auf Gälisch. Das geht durchaus rockig! Nicht nur im „Thirsty Goat“ beweisen Bands, dass sie die Menge zum Tanzen bringen können – mit typisch irischen Instrumenten wie Fiddle, Flöte und Banjo.
Song #3: Brown Eyed Girl (Van Morrison): Queen’s Quarter
Belfasts bekanntester Musiker? Van Morrison! Kaum eine Live-Session in einem Pub, bei der nicht das beschwingte „Brown Eyed Girl“ geschmettert wird. Wenn Hobbymusiker den Gassenhauer etwa im ehrwürdigen St. George’s Market anstimmen, stimmt das ohnehin singfreudige Publikum garantiert mit ein. Das gilt auch für die vielen Straßenmusiker, die manchmal auch Ufermusiker – der Lagan wird derzeit dank Promenaden und XXL-Kunst aufgewertet – oder Parkmusiker sind. Etwa im Botanischen Garten, einem beliebten Treffpunkt für Einwohner, Studierende und Touristen.
Die steuern vor allem das Palmenhaus an, eines der frühesten Beispiele eines krummlinigen Gewächshauses aus Gusseisen und wichtiger Teil von Belfasts viktorianischem Erbe. Auf der anderen Seite der ehrwürdigen Uni sorgen im Queen’s Quarter braun-, grün- und blauäugige Girls und Boys für gute Vibes. Ihr Habitat: Bookshops, Vintageläden, Tattoostuben und (vegane) Cafés, an denen pinke Doppeldeckerbusse vorbeifahren und Aushänge verkünden, dass die Belfast Pride Parade mehr Teilnehmer hätte als die des ewigen Rivalen Dublin, o yeah!
Song #4: Belfast Child (Simple Minds): Black Taxi Tour
Zum Glück sind die zwischen 1969 und 1998 wütenden Troubles, zigfach in Filmen und Songs wie „Belfast Child“ und „Sunday Bloody Sunday“ von U2 thematisiert, Geschichte. Doch die meisten Besucher wollen sich auch vor Ort mit dem Konflikt auseinandersetzen. Bei Black Taxi Touren geht das gut.
Dabei chauffieren Belfaster Urgesteine wie Billy Scott Gäste durch die Stadt und erzählen viel Wissenswertes, auf kurzweilige und persönliche Art. Immer wieder hält der Wagen dann an neuralgischen Stellen an, etwa am Clonard Memorial Garden. In den kleinen Gedenkstätten, die ganz Belfast überziehen, wird den Märtyrern von einst gedacht.
Scott und Co. fahren auch in katholische wie protestantische Viertel hinein, zeigen mitunter recht politische und martialische Murals sowie die bis zu acht Meter hohe Peaceline – irgendwie beklemmend. Der bekannteste Abschnitt der kilometerlangen Absperrung, eine von über einem Dutzend, ist mit Friedensbotschaften derart voll, dass man kaum Platz für die eigene Unterschrift findet. Auf die Frage, warum die Mauer überhaupt noch da sei, zitiert Scott ein lokales Sprichwort: „Gute Zäune machen gute Nachbarn.“ Aha.
Song #5: Nothing Compares To You (Sinéad O’Connor): Belfast-USPs
Es dauert nicht lang, bis wieder amüsantere Töne angeschlagen und Tipps für den weiteren Tag erteilt werden. Wie wäre es mit dem Ulster Museum, das Artefakte aus Nordirlands Geschichte, Kunst und Natur ausstellt? Dem außerhalb gelegenen Belfast Castle? Zentral läge hingegen das moderne Victoria Square, Belfasts Nummer-Eins-Shoppingzentrum und nebenan die City Hall mit dem kupferfarbenen Kuppeldach und dem eleganten Portland-Stein. Praktisch: Scott fährt einen sogar hin. Dazu erklingt im Autoradio einer der größten Hits der Inselgeschichte: „Nothing Compares To You“. Passt irgendwie zum unvergleichlichen Belfast.
Song #6: My Heart Will Go On (Céline Dion): Titanic Museum
Gut, Céline Dion ist Kanadierin, aber die von ihr besungene Titanic „ist“ Belfast. Schließlich wurde das berühmteste Schiff der Welt in den Docks der zur Jahrhundertwende enorm prosperierenden Großstadt gebaut und 1911 vom Stapel gelassen. Hundert Jahre nach deren Untergang eröffnete 2012 das Titanic Museum, Leuchtturmprojekt des gleichnamigen Viertels, das mit edlen Wohnungen, Restaurants, Jachthafen und Geschäften eines der weltgrößten Stadtsanierungsprojekte darstellt. Beeindruckend, besonders eben das Museum, das von außen an drei silbern glänzende Schiffsbuge ebenso erinnert. Oder an Eisberge?
Im Inneren erzählt es die Geschichte des (Alb-)Traumschiffs, vom Bau bis zum Untergang. Und schnell wird klar, warum die „Experience“ so beliebt ist und 2016 bei den World Travel Awards zum Gewinner gewählt wurde: Sie ist multimedial, immersiv, hochmodern. Man schwebt per Gondel durch Werftkulissen, hört Originalstimmen, erfährt von Einzelschicksalen und bekommt Gänsehaut, wenn die Namen der Toten an die Wand gebeamt werden. Ergreifend auch der Raum danach, unter dessen Decke sich ein zehn Meter großes, spacig beleuchtetes „Ship of Dreams“ zu Dions Titanic-Schmachthit dreht.
Song #7: Whisky In The Jar (trad.): J&J McConnell’s Distillery
Old Bushmills im Hinterland von Belfast mag die älteste Whiskybrennerei der Insel, gar der Welt, sein (was im Übrigen auch die Old Kilbeggan Distillery im Süden der Insel behauptet), doch McConnell‘s ist die derzeit aufregendste. Neueste kann man nicht sagen, weil es sie schon einmal gab, da war sie sogar richtig groß. Dann kamen Feuer, Prohibition, die Weltkriege und das Aus – wie für Dutzende andere irische Destillerien auch. Doch 2024 ist sie wieder da, und wie! Das Besondere: Herstellung und Besucherzentrum befinden der McConnell’s Distillery sich im Crumlin Road Gaol Gefängnis.
Da sind Maischbehälter und Brennkessel wie die Probierräume in ehemaligen, jetzt herausgeputzten Zellen untergebracht. Hinter Gitter finden sich nur noch extrawertvolle Destillate von damals. Auf einer Tasting Tour lernen Besucher dann dank Guides wie Sam alles über das Destillieren. Was sie ebenfalls erfahren: Wie gut die Spirituose mit Ginger Ale, das im Übrigen in Belfast erfunden wurde, harmoniert und dass die viel gelobte Gaol Experience nebenan sogar „echte“ Gefängniseinblicke ermöglicht.
Song #8: Game-of-Thrones-Soundtrack: Filmreifes Umland
Die wohl erfolgreichste Fernsehserie aller Zeiten wurde von 2010 bis 2018 an 49 Orten rund um Belfast (und im dortigen Studio) gedreht. Insbesondere jüngere Filmtouristen pilgern seither in Strömen zu den Game-of-Thrones-Locations. Wobei die Schauplätze auch jenen gefallen, die mit dem Fantasyknüller nichts am Hut haben. So diente die majestätische Bergkette der Mourne Mountains im Film als Portal der Stadt Vaes Dothrak, „in echt“ fungiert sie als Wander- und Bikeparadies.
Die märchenhafte Buchenallee von Ballymoney, die als berühmte King‘s Road Zuschauer vom Hocker reißt, begeistert als Dark Hedges eben auch Spaziergänger. Das an der klippenbestandenen Causeway Coast gelegene Schloss Dunluce, als Haus der Graufreuds im Filmrampenlicht, ist für alle eine Augenweide. Was für den benachbarten Giant’s Causeway, Nordirlands erste Welterbestätte, erst recht gilt: Die 38.000 kurios geformten Basaltsäulen hätten jedenfalls auch einen Auftritt verdient.
Lust auf weitere Irland-Abenteuer? Wie wäre es mit einem Urlaub im Wehrturm, gleich ums Eck von Dublin?
Fotos: © Christian Haas, Tourism Ireland, McConnell’s Distillery, Chris Hill Photographic
Belfast
Infos Belfast
Anreise
Lufthansa (lufthansa.com) fliegt mehrmals die Woche von Frankfurt nach Belfast, mit Zwischenstopp bestehen auch von anderen deutschsprachigen Städten gute Verbindungen. Belfast wird auch von zahlreichen Kreuzfahrtschiffen angelaufen, darunter regelmäßig der „Mein Schiff 3“. Wer über die Republik Irland reisen will, erreicht Belfast per Zug und Fernbus. Mietwagenkunden müssen von dort kommend einen Extra-Tarif beim Ausleihen abschließen. Für die Einreise nach Nordirland ist ein Reisepass vorgeschrieben, Personalausweis reicht nicht.
Währung
In Nordirland wird mit Pfund Sterling gezahlt. Da hier wie im Rest der Insel jedoch so gut wie alles per Kartenzahlung funktioniert, sind die Fragen um Geldtausch und Abheben, sowie die (nicht zwingende) Gültigkeit der nordirischen Geldscheine in England und Wales inzwischen so gut wie Schnee von gestern.
Sehenswürdigkeiten
Black Taxi Tour of Belfast: Dauer: zwei Stunden, ca. 40 Pfund pro Person (etwa 50 Euro), touringaroundbelfast.com
Titanic Belfast Visitor Experience: Eintritt: ca. 25 Pfund (etwa 30 Euro), titanicbelfast.com, maritimebelfast.com
McConnell’s Distillery and Visitor Experience: Crumlin Road Gaol, Signature Tour durch die Destillerie samt Whisky-Verkostung, Eintritt: ca. 25 Pfund pro Person (etwa 30 Euro) intl.mcconnellsirishwhisky.com/mcconnells-distillery
Übernachtungstipps
Blackhead Lighthouse: Etwas außerhalb von Belfast gelegener Leuchtturm mit drei ehrwürdigen Appartements und grandioser 270-Grad-Aussicht aufs Meer, Wohneinheit für vier Gäste, ab 170 Pfund pro Nacht (ca. 195 Euro, zwei Nächte Minimum), 20 Blackhead Path, Carrickfergus, irishlandmark.com/blackhead-lightkeepers-house
Bullitt Hotel: cooles 3-Sterne-Hotel mitten in der Fußgängerzone der Innenstadt, mit toller Rooftopbar, DJs an den Wochenenden, Gratisradverleih, viel Extraprogramm. DZ/F ab 120 Pfund (ca. 140 Euro), 40a Church Lane, bullitthotel.com
Belfast 2024
Ganzjähriges Kulturspektakel in der ganzen Stadt mit Dutzenden Festivals, Projekten, Installationen uvm., darunter das International Arts Festival vom 1.-4. November, visitbelfast.com/belfast-2024
Infos und Inspirationen
Stadt Belfast: visitbelfast.com; Tourism Northern Ireland: discovernorthernireland.com, Tourism Ireland: ireland.com/de-de