New Mexico wird nicht umsonst „Land of Enchantment“ genannt – bezaubernd ist hier vieles, vor allem die Natur. Aber auch Kunst, Gourmet und eine liberale Einstellung machen den US-Staat zum entspannten Reiseziel.
„Bitte dreimal die goldene Banane antippen“, Sharmin Dharas überbringt den etwas seltsamen Hinweis mit einem Nicken in Richtung der goldenen Bananen-Kunst am Check-In des „Hotel Zazz“ in Albuquerque. Man möchte dem dritten Antippen noch ein „Simsalabim“ hinterherschieben, als sich plötzlich die Wand aus grünem Kunstgrass einen Spalt öffnet und zur Tür des hauseigenen Speakeasys, der „Z-Lounge“, wird.
Albuquerque: Viel bunte Kunst von lässigen Locals
Der kleine Raum ist schumrig-gemütlich, gut gefüllt mit einem Mix aus Locals und Hotelgästen und entpuppt sich als Cocktail-Mekka mit einfallsreichen, perfekt geschüttelten Drinks wie dem Whiskey-lastigen „Underneath the Guava Tree“ oder dem Gin-getränkten „Doctor´s Orders“. So skurril wie das Bananen-Ritual zur Bar ist auch der Rest des „Zazz“, einem bunten, Instagram-tauglichen Boutique-Hotel an der Route 66.
Eigentümerin Dharas hat dem ehemaligen Travelodge-Motel aus dem Jahr 1958 ein Power-Facelift mit Pool, DJ-Abenden und Ausstellungen verschafft. Seit der Eröffnung im Januar 2023 ist es der hippe Hotspot Albuquerques mitten im quirligen Entertainment District.
Die 47 Zimmer sind hell, fröhlich, funktional und durch Wandmalereien lokaler Künstler, viele aus der LGBTQ+-Community, aufgepeppt. Passend zur guten Laune werden zur Happy Hour von 16.00 bis 17.00 Uhr kostenlos Popsicles verteilt.
New Mexico: Hier geht was
New Mexicos größste Stadt blüht durch die Farbe, die allerorts von jungen Kreativen versprüht wird, neu auf. Während der alte Kern durch charmante Adobe-Architektur ohnehin ein Hingucker ist, erleben gerade auch bisher eher dröge oder vernachlässigte Nachbarschaften ein Revival. Hier geht was.
Dharas hat für ihr Leidenschaft-Projekt sogar ihre Karriere als weitgereiste Chirurgin auf Eis gelegt: Ihrer Familie gehörte das frühere Motel, sie selbst wuchs quasi auf dem Gelände auf. Heute wird sie von ihrer vierjährigen Tochter Shayrooz inspiriert, die unter anderem die Idee für den Namen „Zazz“ hatte. Dharas macht sich gleichzeitig für kreative Frauen in der Community stark, die immer wieder neue Ideen und Kunst im Hotel einbringen.
Liberaler als die meisten Nachbarstaaten: New Mexico
New Mexico, das wird bei unserem Roadritp schnell klar, ist anders – um einiges liberaler und offener – als so manche seiner Nachbarstaaten: Utah, Colorado, Arizona, Texas, und Oklahoma wählen vorwiegend republikanisch, New Mexico seit den 1990er Jahren demokratisch.
Hier wirkt alles etwas entspannter, kreativer und lässiger – man tritt sich ideologisch wie räumlich wesentlich weniger auf die Füße. Was wohl auch an der unbesiedelten Weite liegt: Der fünftgrößte Staat der USA liegt mit etwas über zwei Millionen Bewohnern auf Rang 36 was die Bevölkerungszahl angeht.
„Land of Enchantment“: New Mexico verzaubert
New Mexico wird auch „Land of Enchantment“ (Land der Verzauberung) genannt – und bezaubernd ist hier vieles, vor allem die Natur. Die ist spektakulär anders: Von roten Felsen über weiße Wüsten, trockener Steppe und bunten Wildblumenfeldern bis zu schneereichen Bergen gibt es hier eine aufregende Vielfalt an Szenerie und Möglichkeiten.
Als einer der Mountain States in den südlichen Rocky Mountains werden Skifahrer dank der Berge von Taos oder Santa Fe genauso glücklich wie Fans von endloser Wüstenweite oder tiefgrünen Nationalparks.
Ganz egal ob Adrenalinjunkie, Weltraumfan, Wellnesslover, Sternengucker, Gourmant oder Kunstliebhaber – der 47. Bundesstaat der USA hat dementsprechend so ziemlich für jeden etwas in petto. Um das zu testen, brechen wir nach einem unvergesslich leckeren Frühstück aus deftigen Waffeln, gefüllt mit Käse, Schinken, grünen Chilischoten und Schnittlauch im „Farmacy“ (schräg gegenüber des „Hotel Zazz“), in Richtung White Sands auf.
Die spektakuläre Wüste im Süden des Staates erstreckt sich über 712 km² zum größten Gipsdünenfeld der Erde und versetzt einen in eine surreale Welt. Während der Kopf meldet, dass sich hier Pulverschnee vor einem ausbreitet, spüren die Nervensensoren der Füße zauberhaft weichen Sand zwischen den Zehen.
White Sands: Spektakuläre weiße Wüste
Wie riesige weiße Wellen breiten sich die meterhohen Dünen zu einer schier endlosen Weite aus, ein Effekt, der durch den knallblauen Himmel über New Mexico nur noch verstärkt wird. Das Schönste: Man kann die Gipswüste ohne Guide auf eigene Faust erkunden.
Nach einem Besuch im Visitor Center des White Sand National Park (der Eintritt zum Park kostet 25 Doller pro Auto und ist eine Woche lang gültig), einfach langsam der sich durch das Gelände schlängelnden Straße folgen, immer mal wieder anhalten, die Dünen raufkraxeln und staunen. Wer einen Plastik-Rutschschlitten mitbringt, kann auf Pudersand wieder runterschlittern.
Sternengucker werden in New Mexico glücklich
Wer die Wüste in einem noch magischeren, fast unwirklichen Schimmer erleben möchte, sollte seinen Besuch um die Mondphasen herum planen: Von April bis Oktober bietet der Park monatlich eine geführte Vollmondwanderung an. Dann kann man sogar einige der nachtaktiven Wüstentiere wie Rotfuchs, Kojoten oder Wüstenhasen entdecken. Für Sternengucker ist der faszinierend klare Nachthimmel über der Wüste ohnehin ein Highlight.
Überhaupt, Weltraumfans finden in New Mexico einiges an Faszinierendem. Am Highway 60, östlich von Pie Town, befindet sich beispielsweise das Very Large Array, ein riesiges Radioteleskop, das aus 28 Satellitenschüsseln besteht und durch den Jodie-Foster-Film „Contact“ bekannt wurde.
Roswell. Vorsicht, Außerirdische lauern überall!
Und als Richard Branson im Mai 2021 die erste private Rakete in den Weltraum schoss, brachte er die kleine Stadt Truth or Consequences und ihren kommerziellen Weltraumbahnhof, Spaceport America, auf die Weltbühne. Wenn auch keine Testflüge auf dem Programm stehen – Spaceport America bietet Touren an, bei denen man im Simulator einen Start und Schwerelosigkeit erleben kann.
Und dann sind natürlich noch die Aliens von Roswell. Waren es tatsächlich Außerirdische oder ein Wetterballon, der 1947 vor Roswell abstürzte? Von der US-Regierung wird es wahrscheinlich nie eine Antwort geben, das hält die fünftgrößte Stadt New Mexicos aber nicht davon ab, ihr UFO-Erbe bis heute kräftig zu melken.
Sind 1947 Aliens in Roswell gelandet?
Man geht mit der Alien-Thematik aufs Ganze: Überdimensionale grüne Gefährten stehen am Straßenrand, der McDonald’s hat die Form einer fliegenden Untertasse und beim jährlichen UFO-Festival treffen sich begeisterte Anhänger der UFO-Theorie. Dabei reicht Roswell als Zwischenstopp vollkommen – drei Fahrtstunden entfernt wartet Santa Fe.
Während Albuquerque die größte Stadt ist, wird der Staat aus Santa Fe heraus regiert – der ältesten Hauptstadt der USA: 1610 wurde sie als Regierungssitz der Provinz Nuevo México unter spanischer Herrschaft des Vizekönigreiches Neuspanien gegründet. Die Pilgerväter dockten erst über zehn Jahre später die Mayflower an der Ostküste der USA an.
Lange vor dem Auftauchen der Europäer hatten indigene Stämme das vielseitig Land seit Jahrhundterten bewohnt, die älteste Siedlung ist das heute noch bewohnte Taos Pueblo, gut eine Stunde von Santa Fe entfernt.
Taos Pueblo. Seit Jahrhunderten bewohnte Siedlung
Ein Tagesausflug lohnt sich! Im Pueblo stellen viele indigene Künstler ihre handgefertigten Werke aus – vor allem Malerei und Keramik, aber auch Schmuck oder Weberei sind hier sehr farbenfroh und einzigartig.
Die Architektur von Santa Fe ist Teil eben jenes komplexen Erbes aus spanischer Kolonialgeschichte und indianischer Kultur – einige der historischen Lehmziegelgebäude gehören zu den ältesten Bauwerken der USA. Auch heute wird vorwiegend im terrakottafarbenen Pueblo-Stil gebaut.
Santa Fe. Charmant und wunderbar überschaubar
Die charmante Hauptstadt ist überschaubar und lässt sich prima zu Fuß erkunden, allein rund um die historische Plaza kann man dank Galerien, Restaurants und Bars entspannt einen ganzen Tag vertütteln.
Überhaupt, die Galerien! Wer auch nur einen Funken Kunsbegeisterung in sich trägt, wird entlang der Canyon Road seinen Augen nicht trauen. Santa Fe hat gut 260 Galerien, Kunsthäuser und Studios, Tendenz steigend.
Galerien über Galerien an der Canyon Road
Die Mehrzahl tummelt sich an der Canyon Road oder dem neu restaurierten, extrem coolen Railyard District. Oft sind die Künstler selbst anwesend, wenn nicht, erzählen die Kurratoren begeistert etwas zu den geweiligen Werken.
Der entspannte Bohemian-Flair der Stadt ist ansteckend: Jeder scheint hier etwas mit Kunst zu machen. Ebenso lebendig ist die Restaurantszene. Von günstig bis teuer ist alles zu haben, ohne dass man sich auftackeln muss: bequemer Outdoor-Schick ist in. The Shed serviert beispielsweise im sonnigen Innenhof einer historischen Hazienda traditionelle neumexikanische Gerichte, während Tia Sophia als Geburtsstätte des Frühstücksburritos gilt.
Schicker Bohemian Lifestyle in Santa Fe
Alle Barkeeper der Stadt versuchen unterdessen, sich gegenseitig mit ihrer ganz speziellen Margarita-Version zu übertrumpfen. Die genießt man am besten bei Sonnenuntergang und auf Dachgärten wie der Bell Tower Bar von La Fonda oder Coyote Cantina. Und anstatt Popsicles werden in Santa Fe zur Happy Hour meist handgemachte Tortilla Chips mit „Christmas“ gereicht: delikat scharfer roter und grüner Chilisoße a la New Mexico.
Lust auf weitere Wüsten-Abenteuer? Wadi Rum diente schon in rund 20 Blockbustern als Kulisse. Oder wie wär’s mit einem Dünenrausch im Oman
New Mexico
INFO NEW MEXICO
Wüstenträume und mehr…
Vor der Anreise lohnt ein Blick auf die Webseiten der National Parks wie White Sands, Valles Caldera National Preserve oder dem Very Large Array. Dort findet sich Info zu Touren und eventuellen Schließungen wegen Feiertagen oder Wetter.
Schön schlafen
Ein buntes Highlight ist das Hotel Zazz in Albuquerque. DZ ca. 100 Euro
Das Casa Culinaria ist ein charmantes Boutique-Hotel in Laufnähe zu Santa Fes Galerien und Restaurants. Der Brunch am Wochenende ist herrlich, unbedingt reservieren. DZ ab ca. 170 Euro
Absolute Ruhe und Entspannung wartet im El Monte Sagrado Living Resort & Spa in Taos. DZ ca. 300 Euro
Manuela Imre
Die Journalisten und Autorin reist seit über 20 Jahren in riesige Städte, kleine Dörfer, tiefe Dschungel, weite Wüsten oder auch auf hohe Gebirgsketten: Überall dorthin, wo spannende Geschichten, leckere lokale Gerichte und freundliche Einheimische warten. Ansonsten pendelt sie zwischen New York und Toronto und entdeckt neue Wanderwege in den kanadischen Wäldern.