Trekking in der größten Sandwüste der Welt: Gebirge aus Sand, ein Sternen-Himmel wie im Science-Fiction-Film und Social Distancing in XXL
Vom Arabischen Meer in Salalah aus sind wir drei Stunden in den Norden gefahren, vorbei an den Ruinen des antiken Städtchens Ubar, das die Wüste bereits vor 2.000 Jahren unter sich begraben hat. Hinein ins „leere Viertel“ des Oman, so die Übersetzung für Rub al-Khali, die größte Sandwüste der Erde! Fast zweimal so groß wie Deutschland und mit bis zu 400 Meter hohen Dünen so unwirklich, dass sich sogar die meisten Beduinen seit jeher lediglich durch deren Ränder wagten.
Riesenhaft heben sich die Dünen am Horizont aus der kargen Ebene ab, über der die heiße Luft flimmert. Gigantische Kunstwerke der Natur: Wie die Tuscheschwünge von meisterlichen Kalligrafen winden sich die Grate der Sandberge himmelwärts, ins beste Licht gesetzt von der tief stehenden Nachmittagssonne.
Unser Guide schaut auf sein GPS. „Hier links ab“, ruft Jerome Blösser unserem omanischen Begleiter Amur zu. Dann verlassen wir die Sandpiste und biegen ab, mitten hinein ins Meer aus Sand. Am frühen Abend kann man dem eigenen Herzschlag lauschen.
Über die Gegend legt sich eine Stille, die am ersten Tag fast unheimlich wirkt. Wenn die Wüste die letzten Rosatöne verschluckt hat, wenn das Brummen und Säuseln, Zischen und Singen des Windes über den Dünen verstummt, wenn Ohren, Haare und Klamotten halbwegs vom Sand befreit sind, dann lässt sich seelenruhig das spektakuläre Nachtprogramm genießen.
Wer sich als unbeholfener Mitteleuropäer in diese Sandwüste im Oman wagt, hat am besten jemanden dabei, der sich hier gut auskennt. Uns führt sogar einer der versiertesten Wüstenwanderer überhaupt durch die Rub al-Khali: Jerome Blösser hat zu Fuß schon zahlreiche Sand-und Eiswüsten auf der Welt durchquert und sich dabei mitunter nachts allein von den Sternen führen lassen.
Sternenhimmel über der Wüste: Wie im All
Darum tappen wir auch nicht im Dunkeln, als er für das Beduinen-Dinner die Wandersachen gegen das traditionelle, lange Kurta-Hemd und den im Oman Wisar genannten Wickelrock tauscht, dann auf dem Boden Platz nimmt und zwecks Sternenkunde die große Lagerlampe ausknipst. Es kommt einem in diesem Moment so vor, als würden wir auf unserem Riesenteppich im Sand abheben und geradewegs ins All katapultiert.
Der Sternenhimmel über der Wüste ist so präsent, wirkt derart zum Greifen nah, wie ihn ansonsten wohl nur Raumfahrer erleben. Sand ist ein ziemlich schlechter Wärmespeicher, daher sorgt bereits kurz nach Sonnenuntergang kühle Luft für Erfrischung und einen unvergleichlich klaren Blick in die Sterne. Und so machen wir es wie die Nomaden seit ewigen Zeiten: staunen und schwelgen beim Blick in den Himmel, der ordentlich die Fantasie anregt.
Himmelskunde im Oman: Sternbild Yorkshire-Terrier
Blösser zeigt uns den Orion, den mythischen Himmelsjäger, erklärt die Kassiopeia, die ihr markantes W in den Nachthimmel zeichnet, und beschreibt seine Methode, wie man sich Sternbilder mit zeitgemäßen Assoziationen manchmal viel besser erschließen kann. „Schaut mal, wenn man sich Sirius als eine Hundenase vorstellt, dann sieht das Sternbild Canis Major plötzlich aus wie ein süßer Yorkshire-Terrier.“ Das putzige Himmelswesen wird man niemals mehr los!
Ein paar Züge aus der Shisha später hat die Stille vollends ihren ersten Schrecken verloren und man kann sich in sie fallen lassen wie in ein urgemütliches Bett. Der weiche Sand der Rub al-Khali ist die größte Matratze der Welt! Und so zieht gleich in der ersten Nacht ein Teil der Gruppe das Schlafen unter dem Sternenhimmel der Nacht im Zelt vor. Auch wenn es erstaunlich abkühlt.
Dünenwandern im Oman: Besser am Stock
Es dauert am Morgen nur wenige Minuten, bis man sich beim Frühstück der Jacke entledigen kann. Dann geht es los. Ab jetzt sind wir sieben Tage lang nur noch zu Fuß unterwegs, unser omanisches Team transportiert in der Zwischenzeit Zelte, Essen und vor allem Wasser zum nächsten Lager. Nach einer kurzen Etappe durch ein flaches Trockental folgen wir dem Bogen eines Dünengrats empor, den der Wind perfekt aus dem Sand geblasen hat.
Dass Wanderstöcke mit die wichtigste Empfehlung auf der Packliste waren, zeigt sich beim Anstieg sofort. Sehen Dünen aus der Entfernung noch aus wie für die Ewigkeit in die Landschaft gemeißelt, entpuppen sie sich unter den Füßen als äußerst fragile, weiche Gebilde. Das Gehen bergauf ist vergleichbar mit einem steilen Aufstieg durch Neuschnee und ist ziemlich anstrengend.
Unser erster Wüstengipfel erhebt sich 150 Meter über die umliegenden Wadis, wie trockene Flusstäler genannt werden. Die Aussicht von oben ist spektakulär. Wie endlos lange Gebirgsstöcke erhebt sich eine Dünenwand nach der anderen bis zum Horizont, dazwischen erstrecken sich die weiten Trockentäler der Wadis.
Unser Guide: Herr Blössers Gespür für Sand
Blösser navigiert ganz im Nomadenstil: nach Augenmaß. Zur Sicherheit hat er aber auch GPS und Peilkompass im Gepäck. Er ist jetzt ganz in seinem Element, mittendrin in seiner „Seelenlandschaft“, wie er die Wüste bezeichnet.
Er schaut auf den Dünenhang vor uns, in den der Wind ein perfektes Wellenmuster geformt hat wie den geharkten Kies eines Zen-Gartens. „Total faszinierend ist, dass die feinen Muster im Sand ihre Entsprechung auch im ganz großen Maßstab haben, wenn man sich die lang gestreckten Dünenfelder und Wadis dazwischen auf einem Satellitenbild anschaut.“
Der Beginn der Wüstenleidenschaft von Blösser liegt lange zurück. Aufgewachsen in Berlin, „wo der Blick zumeist an der nächsten Hausmauer endet“, und schon immer fasziniert von Wüstenfotos, durchquerte er 1992 die Sahara per Motorrad. Zwei Jahre später entdeckte er bei der Traverse der algerischen Grand Erg Oriental seine Liebe zum Wandern. Es folgten Wüstendurchquerungen in Mauretanien und Namibia, Libyen und China.
Die Wüste wurde über die Jahre seine heimliche Heimat. Er schmiss den gut bezahlten Managerjob in der Medienbranche hin und entschied sich, seine Passion für die Wüste und das Reisen zum Beruf zu machen. Mit dem eigenen Reiseunternehmen teilt er seit einigen Jahren seine Faszination mit wanderbegeisterten Gästen in den menschenleeren Regionen dieser Welt.
Von der nächsten Düne aus ist unser Tagesziel bereits zu erkennen. Die Entfernung lässt uns einen kompletten Tagesmarsch befürchten, das täuscht aber gewaltig. „In einer Stunde sind wir da“, beruhigt der Fachmann fürs Sandige. Verblüffend: Ohne jegliche Erfahrung und einen klaren Bezugspunkt sind Entfernungen kaum einzuschätzen. „Genusswandern“ hat Blösser unsere Reise genannt. Es ist die softere Variante seiner Oman-Trips. Statt einer kompletten Tagestour wandert die Gruppe dabei nur vier bis fünf Stunden.
Kurz nach Mittag ist bereits das Lager erreicht, wo die omanischen Helfer schon Tee, Datteln und Melonen auf dem Teppich drapiert haben. Danach ist viel Zeit zum Dösen, Schlafen, Lesen.
Zelten im Oman: Platz da
Am späten Nachmittag wird es dann Zeit, sich einen Schlafplatz zu suchen. Standen die Zelte am ersten Abend noch nahe an Autos und Gruppenteppich, so sucht sich am zweiten schon jeder seinen ganz privaten Traumplatz inmitten der Dünen. Als die Sonne wie eine rote Riesenkugel aufs Sandmeer herabsinkt und bei ihrem Verschwinden ein dramatisches Farbenspiel von Gelb und Feuerrot, Orange und Rosa entfacht, duftet es vom kleinen Kochzelt hinter den Autos bereits sehr verführerisch.
Drei Gänge zaubert das „Team Oman“ allabendlich aus den Vorräten, die den Laderaum eines Wagens ausfüllen. Der zweite ist bis zum Anschlag mit Wasser beladen, im dritten finden Zelte und der Rest der Ausrüstung Platz.
In den nächsten Tagen sind unsere Etappen etwas länger und die Dünen höher. Schnell gewöhnt man sich an diesen Rhythmus des Unterwegsseins. Und auch an die Entbehrungen beim Wüstenwandern. Dazu gehört, dass das kostbare Wasser allein zum Trinken und Kochen da ist. Die nächste Dusche gibt es erst in Salalah und selbst Teller und Besteck bekommen nur eine Wäsche aus Sand. Dennoch sehen sie danach aus wie neu.
Jeder Tag und jede Nacht bringen neue Überraschungen. Nach den regenreichen Wochen zum Winter beginn sind einzelne Wadis in ein gelbes Blütenmeer getaucht, in dem sich Heuschrecken zirpend zum Sex verabreden. Sogar hoch oben auf den Dünen sprießen Pflanzen aus dem Sand. In der dritten Nach zeigt die Rub al-Khali, dass sie nicht nur still und sternenklar sein kann. Fallwinde kneten die Zelte ordentlich durch und treiben den Sand durch die Moskitonetze.
Im vierten Lager lassen sich ein Wüstenfuchs und eine Wüstenspringmaus sehen, nachdem wir in den Lagern zuvor schon Spuren der putzigen Sandbewohner gesehen hatten. Zum Abschluss unserer Wandertour stehen am frühen Morgen Mond, Venus und Jupiter so klar als Trio über dem Horizont, dass man sogar noch drei Jupitermonde mit bloßem Auge erkennen kann.
Zurück in Salalah: Karibik Arabiens
Die ersten Kilometer im klimatisierten Auto fühlen sich nach einer Woche zu Fuß eigenartig an, aber auch recht gemütlich. Und das Hotel am Meer von Salalah ist eine ideale Endstation nach solch einer Tour, schließlich gilt die Südküste Omans mit ihren breiten Stränden und dem klaren Wasser als die Karibik Arabiens. Zugleich sorgt die Provinzhauptstadt mit ihren 200.000 Einwohnern nicht für den großen Zivilisationsschock. Endlos erstreckt sich die Stadt an der Küste und die von Palmen gesäumten Boulevards sind vielerorts fast menschenleer.
Die riesige Sultan-Qabus-Moschee und der Sommerpalast des Sultans sind wie aus dem Ei gepellt und hier und da gibt es auch noch altes Arabien zu entdecken. In den Suks der Stadt etwa, wo um Fisch und Gemüse, Datteln und Obst gefeilscht wird und sich die alten Männer Tee trinkend beim Domino vergnügen.
Verglichen mit anderen Stranddestinationen geht es hier ziemlich gemütlich zu und doch sehnt man sich am Ende der Wüstentour zurück nach der Stille. Am Lagerfeuer in der Rub al-Khali hatte Jerome von Arabien ein nomadisches Sprichwort zitiert: „Niemand hinterlässt Spuren in der Wüste, aber die Wüste hinterlässt Spuren in der Seele der Menschen.“ Stimmt irgendwie.
Weitere wanderbare Reisen: Trekking mit Dschungel in Kolumbien oder mit Bären in Kanada
Oman
INFO OMAN
Veranstalter
Mit seinem kleinen Unternehmen Puretreks organisiert Jerome Blösser Wanderreisen auf vier Kontinenten. Bei den Wüstenreisen im Oman stehen zum Tourstart und -ende einige Strandtage in Salalah auf dem Programm. Die softere Version kann auch von aktiven Gästen ohne viel Wandererfahrung bewältigt werden. Zwölf Tage kosten ab 3.140 Euro inklusive Flug. Termine jeweils zwischen Ende November und Anfang Februar.
Auch Hauser Exkursionen bietet mehrere Trekkingreisen im Oman an, etwa von Maskat aus über das Hajjar-Gebirge nach Nizwa und durch die Wüsten Rub al-Khali, Al-Khaluf und Wahiba Sands, 16 Tage ab 3.878 Euro, mit Flug.
Covid-19
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