Durch die Japanischen Nordalpen, wo sie am schönsten sind: Von Matsumoto über Kamikochi im Chûbu-Sangaku National Park nach Takayama, Japans „Klein-Kyoto“. Das ist die Essenz Nippons mit alpinem Touch
Zehn mächtige Holzsäulen, steile Treppen und von den Socken Zigtausender Besucher auf Hochglanz polierte, knarzende Holzdielen. Ja, richtig gelesen, vor dem Besuch der Burg Matsumoto-jō zieht man die Schuhe aus.
Eine Schlange sichtlich beeindruckter Besucher trippelt leise tuschelnd durch die Räume der Samurai-Burg und bewundert Exponate wie fein gearbeitete Killerwal-Dachziegel, Dutzende historische Luntengewehre und Rüstungen.
Matsumoto: Samurai-Burg, große Kunst und heiße Quellen
Von außen wirkt der Donjon martialischer, als er innen ist. Abgesehen von den Ishiotoshi-Fenstern, durch die kochendes Wasser oder Felsbrocken auf fassadenkletternde Feinde gekübelt wurden. Der Bau trägt die Handschrift des legendären Samurai-Clans der Ishikawa.
Matsumoto liegt 160 Zugminuten nördlich von Tokio östlich des Alpenkamms in der Provinz Nagano. Bekannt ist die Stadt vor allem für die 30 Meter hohe, schwarz-weiße „Krähen-Burg“ aus dem 16. Jahrhundert. Matsumoto ist auch Geburtsort der exzentrischen Künstlerin Yayoi Kusama (1929), deren Werke im unverkennbar gestylten Matsumoto City Museum of Art zu sehen sind.
Für Kunstliebhaber empfiehlt sich die Sammlung von mehr als 100.000 Ukiyo-e-Holzschnitten aus der Privatsammlung der Familie Sakai im JUM Japan Ukiyo-e Museum. Bekanntestes Werk dieser Kunstrichtung ist die „Große Welle vor Kanagawa“ von Katsushika Hokusai.
Die ikonenhafte Burg von Matsumoto mit Wassergraben, dem sechsgeschossigen Donjon (auf Japanisch: Dai-Tenschu) und vier Türmen wurde 1594 fertiggestellt. Die fast komplett aus Nadelhölzern errichtete Burg ist eine von zwölf Japans, die im Original erhalten sind. Und eine von zwei mit einem „versteckten“ Kakushi-kai-Stockwerk: Von außen sieht man nur fünf Geschosse!
Schön ist der Blick aus dem obersten Stock. Auf den Reisfeldern vor der Stadt leuchten schon die Schösslinge im zarten Maigrün, während die Alpengipfel am Horizont noch schneebedeckt sind.
Der Besuch von Matsumoto ist zur Zeit von Kirschblüte und Herbstlaub-Verfärbung, auf Japanisch „Koyo“ genannt, besonders schön. Durch die Höhenlage ist es in der Stadt aber auch im Sommer nicht so drückend schwül wie in anderen Landesteilen.
Wer es heiß mag, fährt aus dem Zentrum von Matsumoto zu den Thermalquellen von Asama Onsen. Früher ging im dortigen „Biwa-no-Yu“ der Adel baden. Das sieht man diesem Onsen aber auch an: Er verzaubert mit traditioneller Architektur, Gartenkunst und schönen Natursteinbecken im Freien.
Wie echter Wasabi wächst und schmeckt, lernt man 15 Kilometer nördlich auf der Daio Wasabi Farm. Dort gibt es Nudeln, Eiscreme, Bier, Schokolade und Würste aus und mit Wasabi.
Kamikochi: 3000er, Indian Summer, Vulkane, Bären
Gut 45 Kilometer westlich von Matsumoto – im Herzen der japanischen Nordalpen und genau dort, wo diese am schönsten sind – liegt Kamikochi. Man erreicht den Bergort mit dem Direktbus „National Park Liner“. Die landschaftlich reizvolle Fahrt dauert rund eineinhalb Stunden.
Kamikochi ist berühmt: Der Weiler im Süden des Chûbu-Sangaku National Park liegt auf 1.500 Meter Höhe am Asuza River, überragt vom 3.190 Meter hohen Hotaka-Dake, Japans dritthöchstem Gipfel, und weiteren Dreitausendern.
Der Begriff „Japanische Alpen“ (Japanisch: Nihon Arupusu) geht übrigens auf den britischen Geologen und Archäologen William Gowland zurück, der auch als Erstbesteiger des 3.180 Meter hohen Yariga-Take gilt.
Mitte Oktober zündet die Natur in den Lärchen-, Ahorn- und Birkenwäldern rund um Kamikochi ein wildes Farbspektakel, das dem Indian Summer in Kanada allemal das Wasser reicht. Ähnlich spektakulär ist die Szenerie im Norden des Chûbu-Sangaku National Park und in der Kurobe-Schlucht.
Chûbu-Sangaku National Park: Höhenrekorde, wohin man blickt
Wer die Nordalpen von Matsumoto Richtung Takayama quert, auf den warten bei Bergtouren absolute Höhenunterschiede von bis zu 2.400 Metern, das ist Inselrekord.
Kamikochi empfiehlt sich so als Ausgangspunkt für Bergtouren und alpine Outdoor-Abenteuer im Chûbu-Sangaku National Park. Guides vermittelt das Besucherzentrum im Ort.
Der Aufstieg von Kamikochi zum „Rauchenden Berg“, dem 2.455 Meter hohen Vulkan Yake-Dake, wird von den Profis vor Ort als „für Bergwander-Anfänger mit guter Kondition gut machbar“ eingestuft. Die Tour trägt das Schwierigkeits-Label B. Die Gesamtgehzeit liegt bei sechs bis sieben Stunden, gewürzt durch einige Leiterpassagen.
Viele Tourenvorschläge zu weiteren attraktiven Gipfeln in der Umgebung wie dem Yariga-Take, dem fünfthöchsten Gipfel Japans, dem Mae-Hotakadake, oder dem pyramidenförmigen Jonen-Dake in den Schwierigkeitsgraden von A bis E finden sich unter kamikochi.org/plan/trekking.
Kurvenvergnügen: Trans-Alp mit Rad
Ein Leckerbissen für Radsportler ist die „Trans-Alp“ von Matsumoto nach Takayama über den Vulkan Norikura, auch bekannt als Norikura Raicho Route.
Von der Maekawadoo Bridge bei Matsumoto geht es auf der Route 84 vorbei an den Bandokoro-Fällen und dann auf der Norikura Echo Line über 20 Kilometer und 1.226 Höhenmeter durch viele Spitzkehren bis Tadamidaira.
Tadamidaira ist der höchste Bus-Stopp des Landes und liegt auf 2.716 Metern. Weiter geht es auf der Route 5, dem zweiten Teil der Norikura Raicho Route. Die Norikura Skyline führt bis Hirayu kurz vor Takayama.
Wer auf die Alpenquerung verzichtet und nur die schönste Passage der Norikura Raicho Routeerleben will, besteigt das Bike am gelegenen Parkplatz der Sanbondaki Falls auf 1.800 Meter Höhe und nimmt dann die Spitzkehren der Echo Line in Angriff und genießt den abschließenden Downhill zurück durch die Haarnadelkurven. Hin und zurück sind das 909 Höhenmeter und 26,4 Kilometer. Maximale Steigung? Auf kurzen Abschnitten 13 bis 17 Prozent.
Onsen: Wellness auf Japanisch
Onsen oder Yu, wörtlich „heißes Wasser“, ist Japans Formel für originäre Wellness durch vulkanisches Thermalwasser. Die Institution des Onsen garantiert gut gegartes stilles Glück. Das beste? Weit ist es in den Japanischen Nordalpen zwischen Matsumoto und Takayama nie zum nächsten Onsen.
Selbst oben in den Höhenlagen der Japanischen Alpen warten Bäder wie der abgelegene Naturpool des Takamagahara Onsen in den Hida Mountains auf einer Höhe von 2.130 Metern.
Wer für die Entspannung in heißem Thermalwasser nicht so weit fahren und gehen möchte, steuert Oku-Hida Onsen an, gut 22 Kilometer von Kamikochi und 65 Kilometer westlich von Matsumoto gelegen.
Die Quellen der fünf Thermalorte Hirayu, Fukuji, Shin-Hirayu, Tochio und Shinhotaka speisen schöne Rotenburos wie das „Shinhotaka-no Yu“ (Bild unten), Badebecken in der freien Natur. Diese kann man gegen eine kleine Spende von 200, 300 Yen nutzen.
Zeit, auf Hautfühlung zu gehen: Es dampft, riecht schwefelig. Unter dem wolkenlosen Himmel flammend roter Ahorn. Bis zum Hals sitzen wir im heißen Wasser, unbekleidet bis auf das „Tenugui“-Tüchlein auf dem Kopf.
Wem das Bad in der „Wildnis“ zu einfach ist, der marschiert etwas flussaufwärts zum Ryokan-Hotel „Yarimikan“. Gegen 500 Yen stehen die fantasievollen Heißwasserbecken auswärtigen Besuchern offen.
Takayama: Sake, Ryokan, Kaiseki und Holzbaukunst
Japan im Bonsaiformat, zarte Hida-Steaks und Sake, damit wartet das zurecht als Klein-Kyoto apostrophierte Takayama auf.
Die südwestlich vom Kamm der Japanischen Nordalpen gelegene Stadt ist die flächenmäßig größte Gemeinde Japans und ein lohnendes Ziel für Freunde traditioneller Holzarchitektur und ein ideales Basislager für Ausflüge ins Hida-Gebirge.
Die einst reiche Handelsstadt zog kunstfertige Schreiner und Zimmerer an, wie die von Sake-Brauereien und Souvenirshops genutzten Holzhäuser in den Hauptgassen des Viertels Sanmachi und der Gouverneurspalast Takayama Jinya aus dem 17. Jahrhundert belegen. Die prächtige Altstadt präsentiert sich mit vielen Gebäuden und ganzen Straßenzügen aus der Edo-Zeit (1603-1868).
Die Kunst des Sake-Brauens: Tradition in 15. Generation
Die Hirase Sake Brewery in Takayama wurde 1623 gegründet. Katsusuke Hirase betreibt sie in der 15. Generation. Wir sehen, wie der Reis poliert, gewaschen und gedämpft wird, bevor Sporen des Edelschimmels Koji untergeknetet werden. Koji wandelt die Reisstärke bei der Fermentation in Zucker um, den wiederum die Hefe zu Alkohol macht.
Der erste Schluck zeigt, dass der Kusudama von Hirase nichts mit dem Zeug gemein hat, das in deutschen Running Sushi Bars ausgeschenkt wird. Mild schmeckt er, mit frisch-fruchtigen Noten von Banane und Apfel. „Daiginjo Sake“, so Herr Hirase, „wird kalt getrunken. Sonst geht sein feiner, raffinierter Duft verloren.“
Zu den Must-sees Takayamas zählen der Sakurayama Hachiman Shrine nebst Karakuri-Puppen-Museum, das offen zugängliche Kusakabe Heritage House und das benachbarte Yoshijima Heritage House.
Ryokan: Luxus auf harten Futons
Akiko Tanabe, eine reizende alte Dame, leitet den „Ryokan Tanabe“ in Takayama. „Das war eine Seidenspinnerei, die mein Großvater gegründet hat. Nach dem Niedergang der Seidenherstellung sah er sich nach neuen Verdienstmöglichkeiten um und eröffnete ein Gasthaus.“
Die 24 Zimmer sind im klassischen Stil eingerichtet, mit hölzernen Sitzwannen und duftenden Tatami-Matten.
Zum Abendessen verspricht uns Akiko das berühmte, fein marmorierte Hida-Beef, das in der Metzgerei ums Eck nicht unter 150 Euro das Kilo zu haben ist. Der Tisch wird von der Zimmerdame im Kimono akribisch gedeckt. Das Auge isst in Japan immer mit: Unzählige Schälchen bedecken den Tisch.
Zur Kaiseki-Küche gehören zarter Hida-Tofu (kein Vergleich zu den Sojaziegeln in deutschen Bioläden), Hoba Miso auf einem Magnolienblatt vom Tischgrill und zartes, saftiges Hida-Beef.
Nach dem Essen geht es in den Onsen, den eine eigene Thermalquelle speist. Perplex räumt unsere Zimmerdame am folgenden Morgen die doppelte Lage Futons in den Schrank. Unseren erklärenden Fingerzeig gen Rücken quittiert sie mit dem Hauch eines mitleidigen Lächelns. Und schreitet davon… Scheint, wir sind zum Abschluss unserer Reise wieder mal in ein kleines Fettnäpfchen getreten.
Rückreise-Tipp: Shirakawa-go
Shirakawa-go, Japans fotogenstes und meistfotografiertes Dorf, liegt 50 Kilometer von Takayama und lässt sich wunderbar in die Rückreise über Toyama, Kurobe und Hakuba nach Matsumoto einbauen (330 Kilometer).
Bis zu drei Meter Schnee rieseln auf die Nordalpen nieder. Dies ist der Grund dafür, dass die Häuser mit sehr steilen Dächern in Form betender Hände (auf Japanisch: Ghasso Zukuri) errichtet wurden. In den Dörfern Ogimachi, Suganuma und Ainokura haben sich viele dieser Häuser erhalten. Umgeben von Reisfeldern thronen sie unter meterdicken Lagen Reet. Die Dachstühle wurden ohne einen Nagel errichtet, nur gebunden und verzapft.
Steigt die Morgensonne auf, dampfen die Dächer die Feuchtigkeit aus, die sie über Nacht aufgesaugt haben. Gleich um die Ecke unserer Gastbauernhofs „Minshuku Hisamatsu“ dröhnt die Glocke des reetgedeckten Myozenji-Tempels. Im Shirakawa-Hachiman-Schrein am Dorfeingang tropft es von mächtigen Zypressen auf Moosteppiche und steinerne Laternen.
Grüntee statt Kaffee. Algen statt Marmelade. Wer in traditionellen Herbergen – in der Edelversion als „Ryokan“ oder in den ländlichem B&B-Ablegern, die „Minshuku“ genannt werden – übernachtet, startet mit einem kulinarischen Erlebnis in den Tag.
Man genießt neben Reis alle erdenklichen Arten von Gemüse, Wurzeln und Fisch serviert, dazu natürlich Miso-Suppe, Tsukemono (Eingelegtes) und Takenoko (junge Bambustriebe) und frittiertes Gemüse. Dazu lodert im „Minshuku Hisamatsu“ ein wärmendes offenes Feuer im traditionellen Irori.
Rückreise-Tipp: Kurobe Gorge
Von Shirakawa-go sind es mit dem Auto über 100 Kilometer bis ans Nordende des Nationalparks. Dort zieht sich die Kurobe-Schlucht über 20 Kilometer ins Landesinnere – mit einer der schönsten Bahnstrecken Japans, der Kurobe Gorge Railway.
Spektakulär sind dort neben der Landschaft die 60 Meter hohe, knallrote Atobiki-Brücke sowie die Thermalquellen von Kuronagi mit einem Rotenburo direkt am Fluss.
INFOS
Wissenswertes zu Matsumoto, Kamikochi und Takayama
Anreise
Flug nach Tokio (nonstop ab 980 Euro). Weiter mit Zug JR Limited Express Chuo Line) in 2:45 Std. nach Matsumoto. Zurück per Bahn nach Nagoya (2:30 Std.) und Flug nach Tokio (ab 120 Euro). Alternativ Verzicht auf Stopover in Tokio und Flug bis/von Nagoya (mit einem Zwischenstopp) ab 870 Euro.
Pantoffel-Knigge
Egal, ob Gouverneurspalast in Takayama, Sake-Brauerei oder Holzburg von Matsumoto: Immer heißt es Schuhe aus! Im Ryokan und Minshuku werden einem die Schuhe an der Türschwelle abgenommen und man schlüpft in Plastikpantoffeln. Vor Betreten der Tatami-Matten im Zimmer, des Esszimmers und des Abtritts müssen diese Pantoffel wieder runter: Vor dem WC steht eine Reihe, meist blauer Plastikpantoffel parat.
Onsen–Knigge
Es gelten – immer – die fünf Onsen-Gebote: „Seife und wasche dich gründlich, bevor du ins Becken steigst. Lege dir das Tenugui-Tuch auf den Kopf. Steige nackt ins heiße Wasser. Tu dies langsam. Lass dabei keine Schmerzenslaute vernehmen, maximal ein dezentes ,Aitseee!‘“
Web-Tipps für die Reiseplanung
→ Infos für Outdoor-Abenteuer im Chûbu-Sangaku National Park
→ Infos zu Takayama und der weiteren Umgebung
→ Infos und Tipps zu Matsumoto und der weiteren Umgebung
→ Infos und Tipps zu Kamikochi und Aktivitäten in der Umgebung
→ Tipps für den Stopover in Tokio
→Allgemeine Infos zum Reiseland Japan
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