Ganz Arabien stöhnt unter ständiger Sonne – nein, halt: in einem kleinen Paradies im Oman nieselt es ausgerechnet in der heißesten Jahreszeit ständig. Die Gäste kommen aus der Umgebung und lassen sich beseelt im Grünen nassregnen. Arabia Felix der anderen Art
Von wegen Wüste: Der erste Schritt aus dem Hotelzimmer in Salalah im Oman endet im Sommer morgens in einer Pfütze. Man könnte mit Gummistiefeln zum Frühstücksbuffet stapfen, wenn es nicht so warm wäre. Den ganzen Tag lang fällt aus dem grau verhangenen Himmel feiner Nieselregen auf grüne Wiesen, auf denen die Kamele wie Kühe weiden.
Wüstenschiffe lieben den Monsun
Die sogenannten Wüstenschiffe werden um diese Jahreszeit herdenweise nach Salalah im Oman zum Grasen getrieben – und sie lieben es. Denn dort herrscht ein besonderer Monsun: Khareef, wie die Einheimischen sagen. Man könnte auch von einer milden Dampfsauna-Atmosphäre sprechen.
Wie ein tropisches Schottland
Diese Witterung empfinden die Bewohner der arabischen Halbinsel als höchst erstrebenswerte Alternative zu den ringsum herrschenden mehr als 40 Grad. Scharenweise fahren sie deshalb nach Salalah. Dort hebt und senkt sich der Niesel-Nebel im Laufe des Tages.
Zuweilen scheint eine blasse Sonne. Dann wieder kann man nicht die Hand vor Augen sehen und fährt mit Blinklicht durch die Berge. Ein Gefühl, als wäre man in einer Art tropischen Version Schottlands unterwegs.
Die Zeit des Wachsens
Das ungewöhnliche Wetter hilft Ahmed Al Kathiri, auf seiner Farm seinem Hobby nachzugehen: Er sammelt tropische Pflanzen und baut nicht nur Kaffee aus Yemen an, sondern auch Eier-, Drachenfrucht- und Jackfruchtbäume.
„Khareef ist die Zeit des Wachsens“, sagt er. Die Ernte der mehr als 720 Sorten Früchte ist für ihn und seinen 13-jährigen Sohn Saker zu dieser Zeit weitgehend abgeschlossen.
Open-Air-Buffet unter Wolken
Unten im Tal hat es sich Ghalia mit den Frauen aus ihrer Familie auf einer bunten Kunststoffdecke neben ihrem Auto gemütlich gemacht. Sie lassen einen Drachen steigen und essen Biryani (ein Reisgericht) aus mitgebrachten großen Töpfen – ein Open Air-Buffet im Grünen.
Jedes Jahr reisen sie aus Al Amerat an, einem Vorort der Hauptstadt Muscat, an. „Wir haben nur für eine Woche ein Apartment gemietet, denn es ist im Khareef teurer als sonst“, sagt Ghalia.
Sommerfrische auf dem Wadi
Bespritzte weiße Limousinen stauen sich auf dem Weg zum Wadi Darbat: Dort kreuzen Bötchen gefährlich nah aneinander vorbei. An Land gibt‘s rotfleischige Walnüsse aus Syrien und transparente Regenschirme teils zu Wucherpreisen. Buden mit Antimückenmittel werden zum saisonalen Geschäftsmodell.
Aus den Emiraten zu den Wasserfällen
Einige Kilometer entfernt sprudeln die Wasserfälle von Darbat – kleine, die wie Stromschnellen anmuten, und ein großer, aus dessen Mündung ultramarinblaues Wasser wie aus einem Gletscher fließt. Das will auch Julie aus der Nähe von Paris sehen, die in Dubai arbeitet und hier in kurzen Jeanshosen zwischen den meist schwarz verhüllten Frauen unterwegs ist.
Sheikha Al Mahrouqi vom omanischen Informationsministerium weiß: „Viele Expats, die in den benachbarten Emiraten leben, reisen in den heißen Monaten nicht mehr zurück nach Europa, sondern nach nebenan – nach Salalah.“
Monsun startet im Juni
Die Monsunzeit startet jedes Jahr im Juni in Dhofar, dem größten der elf Governorate Omans, und sie dauert bis September.
Die Einheimischen sprechen in dieser Zeit von der „arab season“ – die Europäer kommen meist ab Oktober als Winterflüchtlinge. Inzwischen übersteigt die Zahl der Besucher eine Million pro Jahr (laut der lokalen Tourismusbehörde), und Gouverneur Sayyid Marwan bin Turki Al Said ist stolz darauf, Dhofar als Ziel für alle Jahreszeiten vorstellen zu können.
Der weltbeste Weihrauch
Die Region wurde als die Heimat des besten Weihrauchs in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen: Die Omani nennen ihn „Luban“, sie räuchern das duftende Harz auf Kohle für den Wohlgeruch in Wohnung und Kleidung.
Oder lösen ihren Luban im Wasser auf und trinken ihn, um Magen und Darm damit zu pflegen. Die Weihrauchbäume wachsen im Wadi Dawkah oberhalb der Berge und der Wolken des Khareef.
Hängende Lippe als Schönheitsmerkmal
Die Khareef-Zeit wird als eine Art monatelanges Festival angesehen. Das ist unter anderem Schauplatz für Kamel-Schönheitswettbewerbe.
Dabei achtet eine Jury zum Beispiel darauf, ob die Unterlippe der Bewerberinnen herunterhängt. Das gilt ebenso wie schlanke Beine als attraktives Merkmal.
Grill auf heißen Steinen
Nach einem solchen Spektakel kehrt man zum Mittagessen in die regionalen Restaurants ein, um Mbeth zu essen – Lamm- oder Hühnerfleisch, das auf Steinen gebraten wird. Dann bekommt man es auf einer riesigen Platte mit Reis serviert, nimmt am Boden Platz und bedient sich im Kreis der Familie mit den Händen.
Glücksbringer Khareef
Ab Anfang September hebt sich der feuchte Dunst langsam und das wilde Meer, das im Khareef hohe Wellen schlägt, beruhigt sich.
Dann steuert die Region auf den Winter zu, der andere Touristen bringt – sonnenhungrige Europäer möchten an den langen Sandstränden bräunen. Von dem Grün, das der Khareef aus dem Boden gelockt hat, sind nach ein paar Wochen nur noch trockene Ranken am Boden und an den Berghängen zu sehen… bis zum nächsten Juni, wenn der Nieselregen peu à peu wieder einsetzt. Dann sagt die Mutter zur Tochter im Oman: „Wünsch dir was!“ Denn der Khareef gilt als Glücksbringer.
Lust auf Wüste bekommen? Wie wäre es mit einem Trip nach Namibia? Oder etwas weiter nördlich auf der arabischen Halbinsel nach Doha/Katar reisen? Vielleicht aber auch einfach auf einem alten Segler zu den Traumstränden der Seychellen cruisen.
Salalah
Infos
Ausführliche Informationen über die Regionen des Oman, über Kultur, Aktivitäten, Flora und Fauna finden sich bei experience oman
Anreise
Von Europa aus reist man nach Salalah in der Regel mit einem Zwischenstopp über Omans Hauptstadt Muscat. Oman Air bietet Direktflüge ab Frankfurt am Main und München an. Für die Touren durch Dhofar benötigt man einen Mietwagen, es ist aber auch möglich, Fahrer zu buchen.
Stopover
Ein längerer Stopover in Muscat mit einer Stadtrundfahrt auf der Hin- oder Rückreise empfiehlt sich – dann lohnt sich die Übernachtung im Crowne Plaza. Direkt an der Küste gelegen, bietet es einen Privatstrand und immer mal wieder Aktionen wie „Seafood-Nights“ in den fünf Restaurants und Bars.
Übernachten
Salalah Rotana Resort
Das 5-Sterne Salalah Rotana Resort ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge in Dhofar. Es liegt 35 Kilometer vom Flughafen entfernt am Indischen Ozean. Die 422 Deluxe-Gästezimmer und Suiten verteilen sich auf verschiedene Gebäude, die großzügig über das Gelände verteilt liegen. Mahlzeiten werden in sechs Restaurants serviert.
Persönlicher Tipp:
Atlantis versank im Meer, Wubar (auch Ubar genannt) im Sand: Der Koran berichtet von einer sagenumwobenen Stadt, die durch eine Naturkatastrophe oder eine Strafe Gottes zerstört wurde. Archäologen wollen die Überreste von Wubar in der Nähe des Örtchen Shisr, 170 Kilometer nördlich von Salalah und kurz vor Beginn der großen Wüste Rub Al-Khali, gefunden haben. Von der Eisenzeit bis ins Mittelalter sollen Weihrauchhändler hier Station gemacht haben.
Sheikh Mabrouk Beit Msen brachte die Archäologen zur Fundstätte, die zum Weltkulturerbe gehört. Ein kleines Museum erzählt die Geschichte.
Unweit von Wubar unterhält die Familie von Sheikh Mabrouk das „Empty Quarter Camp“, ein Wüstencamp, das ab Herbst für Gäste geöffnet ist und sich nur telefonisch oder über WhatsApp buchen lässt (Tel. 0968 / 95555345, WhatsApp 0968 / 99000698)
Fotos: Ministry of Information Oman, Natascha Plankermann, Andreas Conrad (5), Ministry of Heritage & Tourism Sultanate of Oman (4)
Gastautorin
Natascha Plankermann lebt in Düsseldorf und arbeitet als Journalistin, Redakteurin, Moderatorin und Buchautorin/Herausgeberin für verschiedene Medien. Sie ist eine gefragte Oman-Expertin und recherchiert aktuelle Geschichten im Orient auch schon mal in einem Stahlwerk im Industriehafen.