Wer in Namibia unterwegs ist, will Wildtiere sehen. Und das passiert meist vom Auto aus. Doch in einigen, durchaus großen Schutzgebieten können Gäste auch zu Fuß in Kontakt mit der (harmloseren) Tierwelt treten – etwa beim mehrtägigen Trans Kalahari Walk. Ein Selbstversuch
Müsste man Namibia eine Farbwelt zuordnen, wäre es vermutlich ein Mix aus dunklem Gelb, Orange und hellem Rot, versetzt mit gelegentlichem Grün. Diese Kombi herrscht jedenfalls in der Kalahari vor und somit fast im gesamten (Süd-)Osten des Landes. Eigentlich beginnt die ebenso karge wie faszinierende Dornstrauch- und Trockensavanne gleich hinter Windhoek und ermöglicht so den am einzigen international bedeutenden Flughafen des Landes ankommenden Gästen in Nullkommanichts ein Namibia-Gefühl.
Morgens gelandet, nachmittags mit einem Drink auf der Lodgeterrasse? Kein Problem. Das Beste: der Blick auf die mal dichtere, mal lockerere Buschlandschaft und vor allem deren tierische Bewohner. Da tummeln sich in den zahlreichen (oft privaten) Schutzgebieten Impalas, Oryx- und andere Antilopen, Zebras, Strauße, Springböcke und viele, viele mehr.
Quasi ein Standardprogramm aller Lodges sind Game Drives, also Ausfahrten mit dem jeepartigen All-Terrain-Vehicle (ATV). Einige Lodges bieten jedoch seit einigen Jahren ein Extra, das insbesondere all jene zu schätzen wissen, die Abwechslung zu langem Sitzen in Flugzeugen und Autos suchen: das Angebot, nicht nur zwischen den einzelnen Hütten und dem Restaurant zu wandeln, sondern auf ausgeschilderten Wanderwegen, oder besser: wanderbaren Wegen.
Hallo, Elefanten – wo seid ihr?
So warten in der von deutschen Eigentümern betriebenen „Okambara Elephant Lodge“ gleich mehrere Routen für den kurzen oder längeren Auslauf. Die längste führt knapp drei Stunden durch das 15.000 Hektar große Areal, hinauf zum Impala Lookout, durch Gestrüpp und „Talböden“, in denen sich theoretisch auch Elefanten, Schakale, Pferdeantilopen und Springböcke aufhalten (die seit Jahren aufgepeppelten Gepardenwaisen finden sich in einem Gehege).
Das ist dann doch ein ziemlicher Gegensatz zu den typischen Safaris in den Nationalparks à la Etosha, Bwabwata und Co., wo es streng untersagt ist, das Auto auch nur für fünf Sekunden zu verlassen – aus Sorge vor einem Raubtierangriff.
Ohne Guide durch die Wildnis
Doch hier in Okambara gibt es sie nicht. Zäune und Wildhüter verhindern, dass Löwen, Leoparden, Hyänen und Paviane aufs Areal kommen. Dort oder in der „Hohenstein Lodge“, einem weiteren gelungenen Beispiel für die aufkommenden Walking-Angebote, sorgt eine Tour dennoch für Puls, auch weil man ohne Guide unterwegs ist.
Das ist in der „Kalahari Red Dunes Lodge“ bei Kalkrand südlich von Windhoek ebenfalls möglich, allerdings auch mit Begleitung. Dann geht es auf den sogenannten Trans Kalahari Walk. Auch wenn der Name Extremeres vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine durchaus komfortable 1,5-Tage-Wanderung durch das 4.500-Hektar-Gelände, dessen Grenzen aber zu keinem Zeitpunkt erahnbar sein werden. Gäste können das Package individuell buchen, im Rahmen einer organisierten „selfguided Tour“ von Hauser Exkursionen gehört es automatisch zum Programm.
Abends Besprechung, morgens Aufbruch
Für die Besprechung unserer 13-Kilometer-Tour treffen wir am Vorabend den namibischen Guide Etosha („Nein, ich habe nichts mit dem berühmten Nationalpark zu tun!“) und ein weiteres, vom ersten Moment sympathisch wirkendes Paar, das mitkommt. Richtig los geht es tags drauf – das später zum Minicamp gebrachte Übernachtungsgepäck ist übergeben, Sonnencreme aufgetragen – um halb sieben Uhr in der Früh, erst über die Game-Drive-Wege, dann über kleine Pfade, später querfeldein.
Überraschenderweise sinken wir auch dort nicht allzu oft im sandigen Boden ein, was womöglich auch daran liegt, dass es in der Nacht – endlich – etwas geregnet hat. Das freut Etosha, der sich rasch als Allrounder entpuppt: Er erzählt, lacht, mimt Tiergeräusche, reicht ständig Wasser, informiert. Was wir von ihm über das Leben der Tiere und San in der Kalahari alles erfahren! Und es gibt ja auch ständig etwas zu sehen. Hier Spuren von Tausendfüßlern, dort ein Skelettschädel einer Antilope, etwas weiter die Losung eines Elands.
Frühstück in den Dünen
Etosha weiß zudem, wie er seine Gäste überraschen kann. Indem er kein Wort verrät über den gedeckten Tisch, der nach etwa zwei Stunden Wanderung plötzlich hinter einer Dünenbiegung auftaucht. Mehr noch: Im Schatten einer Minihütte ist ein Büfett aufgebaut, bei dem wir uns – nur rasch die Frischhaltefolien weg – bedienen können: geschnittenes Obst, Brot, Käse, alles da. Dazu serviert Etosha Kaffee und brutzelt Rühreier und Speck auf einem Gasherd.
Alles weit weg vom Lodgebetrieb mitten in den Dünen, mitten im Unendlichkeitsgefühl. Frisch gestärkt geht es weiter, vorbei an Schirmakazien mit drei bis vier Meter breiten Webervogelnestern, die aussehen wie XXL-Naturkunst. „In einem Nest wohnen bis zu 200 Vögel, eine riesige und sehr soziale WG, bei der sich alle um die Nachbarn kümmern“, so Etosha.
Wie das? „In dem sie sich warnen, wenn sich etwa eine Kobra oder Giftnatter nähert, um die Brut zu fressen.“ Schluck. Diesen Zeitgenossen könnten dann ja auch wir begegnen? „Klar“, meint der Namibier und lacht. „Das wäre aber wie ein Sechser im Lotto!“
Namibia, faszinierendes Tierparadies!
Da ist es deutlich wahrscheinlicher, Strauße zu treffen. Und genau das passiert kurz darauf. Stark, die größten flugunfähigen Vögel der Welt zu beobachten, wie sie in nicht allzu weiter Entfernung umherrennen. Passend dazu findet Etosha auf dem Boden ein unbefruchtetes Straußenei. Wie stabil das Riesen-Ei ist, zeigt er, indem er sich mit beiden Füßen daraufstellt. Wir dürfen auch. Das Ei hält!
Noch aufregender wird es, als wir drei Giraffen entdecken, die keine 30 Meter entfernt von uns entfernt an Blättern knabbern. Irre, wie elegant! Und wie groß! Dass sie uns mitkriegen, daran besteht kein Zweifel. Allein weil sie solide den Abstand halten, auch wenn wir uns vorsichtig nähern.
Dann die nächste Überraschung: der nächste Boxenstopp unter einem schattigen Palmenstrohdach im Nirgendwo. Es gibt, von unsichtbaren Kollegen bereitgestellte Salate und Quiche, dazu Getränke aus der Kühlbox, was angesichts der mittlerweile deutlich über 30 Grad sehr willkommen ist.
Dann stehen die letzten der heutigen zehn Wanderkilometer an, die wir – na klar – auch noch gut hinkriegen. Darüber ist Etosha glücklich: „Eine gute Balance in der Gruppe zu finden ist nicht immer so leicht. Mal haben die einen viele Fragen, die anderen gar keine. Mal wollen die einen schnell laufen und die anderen ständig Fotos machen.“
Staunenswertes am Wegesrand
Und Fotomotive gibt es ohne Ende! Etwa die „Wild Onions“, die erst mit einem weißen Stengel schüchtern aus dem Boden lugen und dann mit grünen Blättern. Etosha gräbt im Sand und tatsächlich: Darunter kommt eine tulpenartige Zwiebel zum Vorschein. Klick, klick, klick. Oder die schwarzen Klopfkäfer, die über den Boden laufen und immer wieder mit ihrem wippenden Hinterteil Geräusche erzeugen, vermutlich zur Partnersuche.
Die Geräusche, die wir erzeugen, als wir das kleine Komfortcamp für heute Nacht – zwei Komforthütten und eine überdachte Loggia – erreichen? Ahs und Ohs! Das Beste wird der Blick vom Liegestuhl auf das nahe Wasserloch sein. Dort lassen sich erst Gnus, später Zebras beobachten. Und dann, tata: die drei elegant schreitenden Grazien von eben! Doch die Giraffen kommen nicht einfach an, schlabbern und dann – zack – wieder weg.
Nein, sie spähen herum, lauschen, wechseln Positionen, sind endlich an der Trinkquelle. Alles in Slow-Motion, bis auf der Trinkvorgang, ist doch der Moment des Bückens der verletztlichste. Insgesamt dauert das „Giraffenballett“ mit seiner stets wechselnden Choreographie locker 45 Minuten. Dabei werden wir immer ruhiger, nur das Klicken der Kameras durchbricht die Stille.
Als dann ein Tier nach erfolgreichem Süffeln die Vorderbeine so rasch zusammenschnalzen lässt wie Mister Winterbottom in „Dinner for One“, müssen wir vor Freude in die Hände klatschen. Naturkino vom Feinsten! Applaus gibt es dann noch für Etosha, der uns mit einer Grillsession verwöhnt.
Und auf die nahe Anhöhe führt, auf der der unvergleichlich helle Sternenhimmel samt Kreuz des Südens und „falsch herumen“ Orion nochmal besonders erstrahlt. Und wie irre der Mond aussieht! Wie die Zitronenscheibe im Malawi Shandy, den wir dazu trinken. „Auf eine einmalige Wanderung, Etosha!“ Das Beste: Am kommenden Tag geht sie, Stichwort Rückkehr zur „Mutter-Lodge“, ja noch für ein paar Stunden weiter!
Lust auf weitere Namibia-Eindrücke? Die gibt es, in Gestalt eines Berichts über die in der Namib-Wüste gelegene Sossusvlei Lodge oder über den tropischen Caprivi-Streifen. Und dann haben wir noch eine Best-of-Namibia-Story mit den absoluten Highlights des Landes
Fotos: © Christian Haas, Silja F. und Markus H.
Namibia
Infos Namibia
Anreisen
Lufthansas Ferienflieger Discover Airlines (discover-arilines.com) verbindet mehrmals wöchentlich Frankfurt mit Windhoek, günstigere Preise bietet aber meist Ethiopian Airlines (ethiopianairlines.com) an, wenngleich mit Zwischenstopp in Addis Abeba. Mitunter lohnt auch der Blick auf folgende Verbindung: von verschiedenen deutschen Flughäfen nach Johannesburg und von dort weiter nach Windhoek.
Einreisen
Der Reisepass muss sechs Monate über die Aufenthaltsdauer hinaus gültig sein. Ab 1. April 2025 benötigen deutsche Staatsangehörige auch für Urlaubsreisen nach Namibia ein Visum. Es kostet rund 80 Euro und kann vorab online oder bei der Ankunft am Flughafen ausgestellt werden. Impfungen sind nicht vorgeschrieben.
Beste Reisezeit
Namibia ist rund ums Jahr zu bereisen. Als Hauptsaison gilt der Süd-Winter (Mai bis September), dann sind die Temperaturen mit 25 bis 30 Grad nicht ganz so heiß (dafür kann es morgens und abends sehr frisch werden) und es ist sehr trocken – für Europäer oft die bessere Wahl. Aufgrund der Trockenheit sind dann auch die Wasserstellen meist gut besucht.
Unterkünfte und Walking Safaris
Okambara Elephant Lodge, 3-Sterne-Lodge bei Witvlei, okambara.de
Kalahari Red Dunes Lodge, 4-Sterne-Lodge bei Kalkrand, Trans Kalahari Walks können auch vor Ort gebucht werden (besser mit Anmeldung), ondili.com/lodges/kalahari-red-dunes-lodge
Veranstalter
Eine Reihe von Anbietern bietet deutschsprachige Gruppenreisen an. So auch Hauser Exkursionen, die einen besonderen Schwerpunkt auf Wanderungen legen – eine gute Kombi angesichts der langen Fahrten. So ist der Trans Kalahari Walk Teil der 13-tägigen Selbstfahrerreise „Namibia – Wüstenimpressionen und Tiervielfalt), die inklusive Unterkunft und Mietwagen ab 2.995 Euro pro Person kostet. Es sind noch weitere Wanderungen inkludiert, so auch in der Hohenstein Lodge. hauser-exkursionen.de/reisen/namibia
Informieren
Tipps sowie ein kostenloses Infopaket gibt es beim Namibia Tourism Board, Schillerstr. 42–44, 60313 Frankfurt, Tel. 069/1337360, visitnamibia.com.na; eine interessante Recherchequelle ist Namib Travel Online: natron.net