Unter dem Namen Kavango-Zambezi, kurz KAZA, haben fünf afrikanische Staaten das größte Schutzgebiet der Erde geschaffen. Wir waren in Sambia und Namibia unterwegs
Ob die Flusspferde von Livingstone wohl Angst haben, beim Chillen im Sambesi mal abgetrieben zu werden? Das könnte böse enden. Fließt der breite Strom nahe der sambischen Stadt eher behäbig an den edlen Hotels im Kolonialstil vorbei, wo livrierte Kellner an Flussterrassen Drinks servieren, fällt er wenige Minuten später scheinbar ins Bodenlose. Selbst jetzt, zum Ende der Trockenzeit, schleudert das donnernde Wasser der Victoriafälle noch eine riesige Wand aus Gischt über den Canyon, der die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe bildet.
KAZA-Etappe 1: Baden im Vollrausch
Und was ist, wenn bei einem Ausflugsboot der Motor versagt? Etwas mulmig ist mir schon zumute, als am folgenden Morgen der Außenborder aufdreht und unsere Nussschale immer näher an die Kante fährt, hinter der es 110 Meter in die Tiefe geht. Auf einer Insel im Fluss steigen wir aus und können nun ganz dicht ran ans donnernde Weltnaturerbe, das gerade mal mit halber Kraft aufdreht. Auf 1,7 Kilometer Breite ergießt sich der Sambesi zur Regenzeit in die enge Schlucht.
Der Sommer aber war heiß und trocken, dadurch sind einzelne flachere Zuläufe der Fälle derzeit wasserlos, was spektakuläre Kameraperspektiven ermöglicht. Zum Beispiel die messerscharfe Felsenkante entlang bis zum berühmten Devil’s Pool. Das kleine Felsenbecken bietet bei niedrigem Wasserstand Badespaß im Rausch der Fälle, denn unmittelbar hinter dem natürlichen Bassin schießt eine brüllende Wasserwand abwärts. In den Nebelwolken, die aus dem Tal emporgeschleudert werden, spannen sich gleich mehrere perfekte Regenbogen hinüber nach Simbabwe.
KAZA-Etappe 2: Kafue-Nationalpark
Die Victoriafälle sind eine der meistbesuchten Attraktionen des Kontinents, 300 Kilometer weiter nördlich begegnen uns im Kafue-Nationalpark dagegen kaum noch Menschen. Dafür starren uns bei der ersten Ausfahrt am Morgen Unmengen der zierlichen Impalas und Pukus aus dem Auenwald heraus an und riesige Kudus glotzen verwun dert zu uns herüber – nur drei von 21 Antilopenarten im Park. Wir beobachten Paviane und Warzenschweine, begleitet vom Sound einer vielstimmigen Piepshow.
Weit über 400 Vogelarten sollen sich im Park tummeln und einige davon finden sich jetzt am Morgen auch am Pool der „Ila Safari Lodge“ ein, aus dem man geradewegs auf den gemächlich fließenden Kafue River blickt. Am anderen Ufer prusten die Elefanten vergnügt, die Flusspferde schnauben dazu. Der Kafue, ein Zufluss des Sambesi, schneidet am Ostrand des Parks ein fast perfekt gerundetes O in die flache Landschaft aus lichtem,niedrigem Wald, der nach Monaten der Trockenheit allerdings etwas angestaubt wirkt.
“Ila Lodge”: Öko-Outpost in der Wildnis
Eine Stunde Fahrt vom nächsten Dörflein entfernt, ist die kleine Lodge ein komfortabler Außenposten der Zivilisation und dabei auf dem besten Weg, autark zu werden.
„Die Lebensmittel kommen schon jetzt zu 90 Prozent aus dem eigenen Garten“, erzählt Jacques van Heerden stolz. Zusammen mit Ehefrau Linda und ein paar Mitarbeitern managt er die Lodge, deren zehn Zelt-Cottages auf Stelzen maximal 20 Besucher beherbergen. Und das, obwohl Elefanten und Hippos öfter mal große Mengen der Gartenernte stibitzen. Die Energie für die Anlage kommt von der Sonne. Sogar die abendlichen Fluss-Cruises und Überfahrten hinüber zum Nationalpark finden auf Sambias erstem solarbetriebenem Boot statt.
Police Chief Mumba: Bodyguard für Tiere
Die weitgehend menschenleere Wildnis des Kafue National Park ist für die Tierwelt Fluch und Segen zugleich. Anders als in den bekannten Parks, die jährlich Millionen Dollar an Gebühren und den Einheimischen viele gute Jobs einbringen, ist in Kafue die Wilderei das einträglichere Geschäft – und oft das einzige überhaupt. Doch es gibt Hoffnung, etwa in Form eines Elefantenwaisenhauses oder internationaler Organisationen wie Panthera, die sich dem weltweiten Schutz von Großkatzen verschrieben haben und mit Projekten im Park aktiv sind.
Und es gibt Lameck Mumba, den Chef einer kleinen Polizeieinheit, die auf den Schutz der Tiere von Kafue spezialisiert ist. Am Abend besuchen wir das kleine Hauptquartier auf einer Lichtung im Wald. Vor der Tür tollen ein paar Pavianjunge unbeschwert in der Abendsonne. Sie wissen, dass sie mit dem streng blickenden Chief Officer Mumba einen Freund auf ihrer Seite haben.
Drinnen dokumentieren vergilbte Fotos einige Beispiele erfolgreicher Arbeit: gesammelte Drahtfallen und beschlagnahmtes Elfenbein. Der letzte Fall, bei dem sie Wilderer auf frischer Tat ertappt haben, ist schon ein Weilchen her. „Immerhin landeten die aber direkt im Knast“, erzählt der Polizist stolz. Kleine Fische indes, muss er zugeben: „Die Auftraggeber in den international operierenden Syndikaten können auch wir nicht erwischen.“
KAZA-Etappe 3: Traumstrand am Sambesi
„Warum seid ihr eigentlich hier?“, will der kleine Adam wissen, in dessen Dorf Sikuku, im Westen Sambias, wir kurz vor den Ngonye Falls einen Zwischenstopp einlegen. “Wir wollen zu den großen Wasserfällen des Sambesi”, antworte ich. Die sind nur eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt, doch die Rotznase kennt das Naturwunder nur vom Hörensagen.
Archaisch wirken die Behausungen in Zentral-Sambia, aber die Dörfer sind auffallend aufgeräumt, so auch Sikuku. Runde Lehmhäuser mit Strohdächern, wo die Menschen so arm sind, dass es nicht mal für Plastik reicht, das andernorts und auf der ganzen Welt die Straßen vermüllt. Und so freuen die Kids von Sikuku sich nicht nur über volle Trinkflaschen. Ein Plastikgefäß ist ein wertvoller, praktischer Besitz, der so schnell nicht in der Landschaft enden wird.
Wie blank geputzt sind die schneeweißen Traumstrände am Sambesi, die uns unterhalb der Ngonye Falls als Lagerplatz für die Nacht dienen werden. Eingebettet zwischen glatt geschliffenen Basaltfelsen in einer bizarren Flusslandschaft, über der in unzähligen Stufen und Nebenarmen, unterirdisch durch Kavernen und brüllend mit aufgewühltem Wasser Hunderte einzelner Sambesi-Fälle rauschen.
Zwar sind die Victoriafälle, die 250 Kilometer weiter südöstlich und beäugt von der halben Welt vor sich hin donnern, fast viermal so hoch. Gleichwohl sind die Ngonye Falls überwältigend und deren zwei Kilometer weiter Halbkreis lässt sich nur aus dem Flugzeug erfassen – oder mit der Drohne. Oberhalb der Ngony Falls fließt der Sambesi breit und flach, unterhalb und entlang unseres Beaches quetscht er sich durch eine enge Schlucht. Steil steigt der Strand, an dem sich in Wasser nähe die Krokodile tummeln, bis zu unserem 30 Meter höher gelegenen Zeltplatz an. „Zur Regenzeit reicht der Flusspegel sogar noch über diesen Campground hinaus“, erzählt Gastgeber Gavin Johnson.
Außer dem ziemlich einmaligen Zeltplatz in der Nähe betreibt der Südafrikaner zusammen mit seiner Frau und ihren drei Töchtern noch die traumhaft schöne „Mutemwa Lodge“ direkt am Sambesi. Doch vielleicht geht die Welt von Ngonye bald ganz unter … und das buchstäblich. „Das riesige Staudammprojekt, das die Fälle überfluten wird, ist schon weit in der Planung fortgeschritten“, so der groß gewachsene Johnson, der es in Sachen Charisma und Witz locker mit Hardy Krüger in „Hatari“ aufnehmen kann. Nachdenklich blickt er ins Lagerfeuer hoch über dem Sambesi: „Ich liebe dieses Land. Aber wenn das passiert, werden wir Sambia wohl den Rücken kehren.“
KAZA-Etappe 4: Namibias lebhafte Wasserwelt
Wer Namibia mit Wüste und Steppen verbindet, der erlebt im Nkasa Rupara National Park eine nasse Überraschung. Die greise Landschildkröte, die sich zur Dämmerung durch den Garten der „Nkasa LupalaTented Lodge“ schleppt, hat selbst zur Trockenzeit nur ein eingeschränktes Habitat. Das nächste Ufer ist in Nkasa Rupara manchmal weit entfernt.
Das größte Feuchtgebiet des Landes befindet sich im schmalen Caprivi-Zipfel, der auf der Karte wie ein Wurmfortsatz aussieht, eingezwängt ins Grenzgebiet von Sambia, Angola und Botswana. Bestehend aus großen Inseln im Fluss Kwando, versinkt Nkasa Rupara während der Regenzeit fast gänzlich im Wasser. Ein Labyrinth aus Schilfwäldern bis zum Horizont, wo knorrige Baumgestalten Geiern und Adlern als Ausguck dienen.
Wer es gemütlich angehen will, braucht die Lodge gar nicht erst zu verlassen. Von der Aussichtsterrasse auf hölzernen Stelzen ist die Parkfauna bereits perfekt zu beobachten: Feiste Eisvögel schießen im Minutentakt hinab zu ihrer Beute, Krokodile schwänzeln aufgeregt durchs Wasser, Greifvögel mustern arrogant die Umgebung. In Sachen Vögel hat der Nationalpark die größte Artenvielfalt Namibias und kann sich dabei durchaus mit dem Okavango-Delta im benachbarten Botswana messen.
Aber auch großes Getier tummelt sich in den Gewässern. „Oft haben wir hier Elefanten und Büffel, die direkt unter der Terrasse baden“, so Alessandro Micheletti. Der Italiener betreibt mit seiner Familie seit 2011 die kleine Lodge mit ihren zehn Zelten und gehörte damit zu den Pionieren der Gegend. Ein Paradies ist Nkasa Rupara für die Flusspferde, die in der endlosen Wasserwelt mit ihren flachen Inseln den idealen Lebensraum haben, den sie mit Nachdruck verteidigen, wie wir an diesem Morgen noch erleben sollen.
Bootstörn in Nkasa Rupara: Flusspferd mit Biss
Kurz nach Sonnenaufgang besteigen wir das flache Aluboot der Lodge, dessen Dach als Aussichtsplatt form dient, von der man einen perfekten Blick über die weite Landschaft hat. Erstaunlich ist, wie viele Landtiere der Nationalpark beherbergt. Auf einer Flussinsel lungert eine ganze Herde Impalas herum, Zebras mümmeln Gras, auch ein paar Gnus verlustieren sich in der Morgensonne, Warzenschweine flitzen durch die Gegend. Alles wirkt entspannt, die Löwen scheinen heute Ruhetag zu haben.
Ganz anders die Situation im Wasser. Mit Bedacht und großem Sicherheitsabstand umkurvt unser Guide die Flusspferdfamilien, die sich vom nächtlichen Grasen an Land erholen. Unser Boot wird dabei jedes Mal kritisch gemustert. In einem schmalen Kanal fühlt sich ein großes Männchen dann doch nachdrücklich in seiner Privatsphäre verletzt.
Mit einem irren Blick schwimmt es auf unser Boot zu, taucht kurz davor ab, um den tonnenschweren Körper dann mit verblüffender Leichtigkeit aus dem Wasser schnellen zu lassen. Mit aufgerissenem Maul rammt er seine langen Hauer in den Dachaufbau des Boots, verhakt sich dabei kurz und bringt unser Gefährt mächtig ins Schwanken. Für den Rest des Tages genügt uns die schöne Aussichtsterrasse unserer Lodge vollkommen. Von der alten Landschildkröte, so berichtet man, sei nichts zu befürchten.
Interessiert an mehr Safari?
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KAZA Sambia und Namibia
INFO KAZA
Die Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (KAZA TFCA) ist mit einer Fläche von circa 520.000 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Naturschutzgebiet der Erde, bestehend aus 36 Nationalparks, Naturschutzgebieten und Reservaten. Zu den bekanntesten Schutzgebieten gehören: Kafue und Sioma Ngwezi National Park in Sambia, Hwange und Victoria Falls National Park in Simbabwe, Chobe National Park, Makgadikgadi Pans National Park und das Okavango-Delta in Botswana, Bwabwata und Khaudum National Park in Namibia so wie Luengue Luiana und Mavinga National Park in Angola. kavangozambezi.org
Beste Reisezeit für KAZA
In der Regenzeit von Mai bis Oktober ist die Landschaft schön grün und sind die Nächte kühler. Die Sommermonate Dezember-März können dagegen sehr heiß sein.
Anreise
Von Frankfurt/München nach Livingstone/Sambia mit Egypt Air ab 1.315 Euro, mit Lufthansa ab 1.325 Euro.
Übernachten
In der “David Livingstone Safari Lodge” am Sambesi mangelt es an nichts, auch nicht an einer guten Air-Condition. Ideal zumAnkommen oder für den luxuriösen Abschluss einer Rundreise. Nah an den Victoriafällen. DZ/F ab 330 Euro.
Nichts stört das Naturerlebnis am Kafue River in der “Ila Safari Lodge”, denn die nächste Siedlung ist 40 Kilometer weit entfernt. Der riesige Kafue-Nationalpark dagegen beginnt vis-à-vis vom Fluss. Morgens und abends werden Jeep-Safaris angeboten, ein Highlight sind die zusätzlichen Boot-Cruises zum Sonnenuntergang. DZ/VP/Aktivitäten 350 Euro. greensafaris.com
Die “Mutemwa Lodge” versteckt sich im Südwesten Sambias in einem Wald von imposanten Baumriesen am Sambesi. Die wunderschöne Lodge beherbergt maximal zwölf Gäste und bietet ausgedehnte Touren im gesamten Land an. Highlights sind die nahen Ngonye Falls und die Liuwa Plains (mit der zweitgrößtenGnu-Wanderung in Afrika). DZ/VP 300 Euro.
“Nkasa Lupala Tented Lodge” im Nkasa-Rupara-Nationalpark vermittelt italienisches Flair in der Wasserwelt Namibias! Familie Micheletti war mit ihrer kleinen Lodge Pionier im Park. Der Aufenthaltsbereich auf Stelzen bietet eine Spitzenaussicht auf die Tierwelt. Zwei Bootssafaris werden täglich angeboten. Das Essen ist benissimo, naturalmente! DZ/VP 300 Euro.
Reiseveranstalter für KAZA
Der deutsche Veranstalter Wigwam-Tours bietet Rund- und Expeditionsreisen in den KAZA-Ländern an, auch zu wenig besuchten Nationalparks, darunter die dreiwöchige, grenzüberschreitende Tour „KAZA“: Mit Allrad-Geländewagen geht es durch den Caprivi-Streifen ins entlegene West- und Zentral-Sambia. Auf dem Programm stehen auch Khaudum National Park, Okavango-Delta, Mahango, Bwabwata und Mamili National Park in Namibia, Liuwa Plains und Kafue Nationalpark in Sambia.
„Tosende Wasserfälle und unbekannter Kafue“ von Karawane Reisen besucht auch den Kafue National Park und die Ngonye Falls. Henkalaya unternimmt Zeltcampsafaris in Namibia und Sambia,