Die Kapregion rund um Kapstadt berauscht – und das nicht nur aufgrund der weltberühmten Weine aus Stellenbosch und Co. Für Prickeln sorgen auch steile Küstenberge und spannende Safaris, die sich hier vorzugsweise der einmaligen Pflanzenwelt widmen
Wie lässt sich das spektakuläre MOCAA-Atrium wohl am besten fotografieren? Mit Weitwinkel, klar, aber vom Erdgeschoss aus? Von der Etage darunter? Aus einem der Aufzüge, die raumkapselartig bis unter das Glasdach in 30 Meter Höhe sausen? Geknipst und geposet (vermutlich auch gleich gepostet) wird im Kapstädter Museum of Contemporary Art Africa jedenfalls überall. Das völlig umgestaltete und im oberen (Hotel-)Bereich mit konvexen Fenstern versehene Ex-Hafensilo sieht ja auch lässig aus: von außen, von oben, von innen.
Die auf- und an den Rändern angeschnittenen, 42 zylindrischen Getreidespeicher haben etwas Kathedralenhaftes. Industrieromantik vom Feinsten. Für Ahs und Ohs sorgen zudem die Exponate des 2017 eröffneten zeitgenössischen Kunstmuseums, für das der ehemalige Puma- und jetzige Harley-Davidosn-Chef Jochen Zeitz die weltgrößte Sammlung afrikanischer Gegenwartskunst zusammentrug. Abstrakte Gegenstände, Videoinstallationen, dunkle Räume, in die man nur sockig darf– sie alle vermitteln drängende Themen des afrikanischen Kontinents.
Kapstadts quirliges Zentrum, die Waterfront
So ein Besuch will verarbeitet werden, am besten in einem der benachbarten Cafés oder Restaurants der Victoria & Alfred Waterfront. Und wow, auch hier fand eine erstaunliche Transformation statt. Rund um die Hafenbecken und eine Mall haben sich Hotels neu angesiedelt oder rausgeputzt, dazu kamen Museen, ein Riesenrad, Souvenirshops, Gastrobetriebe wie der „TimeOut Market“, der ein Dutzend Esskonzepte unter einem Dach vereint, mitunter untermalt von Live-Musik.
Die servieren Straßenkünstler durchgehend in den Fußgängerzonen, wo sich Einheimische und Touristen aus aller Welt tummeln. Manche strömen zum Two Oceans Aquarium, andere zu einem der nahen Kreuzfahrtschiffe, die meisten zu den noch näheren Ausflugsbooten. Deren bevorzugtes Ziel: die einstige Gefängnisinsel Robben Island, wo Nelson Mandela 27 Jahre lang einsaß.
Mandela ist überall
Selbst zehn Jahre nach seinem Tod wird der langjährige Präsident Südafrikas stark verehrt, steht er doch wie kein anderer für das friedliche Miteinander aller Kulturen, Religionen und Hautfarben, kurz: für die Werte der Regenbogennation. Kein Wunder, dass man seinem Konterfei oft begegnet, auf Murals im In-Viertel Woodstock, auf Andenken, Fassaden, Bussen.
Apropos, Hop-on-Hop-off-Doppeldecker chauffieren Gäste bequem zu allen Top-Sehenswürdigkeiten der 2024 mit einem neuen Besucherrekord aufwartenden Vier-Millionen-Metropole: Zur Long Street, der quirligen Lebensader der „Mother City“. Zum Castle of Good Hope, dem mit 350 Jahren ältesten Kolonialbau Südafrikas.
Ins Bo-Kaap-Viertel mit seinen knallbunten Häusern. Zum Kirstenbosch, einem der schönsten Botanischen Gärten der Welt. Und zur Talstation der Tafelbergbahn, die auf das 1086 Meter hohe Sandstein-Spektakel schwebt – ein überragendes Erlebnis. Auch dank des überragenden Ausblicks auf Stadt, Atlantik, den bei Wanderern beliebten Lion’s Head nebenan sowie die Kap-Halbinsel.
Für die 35 Kilometer lange Landzunge braucht es einen eigenen Tag sowie ein Mietauto oder Miet-E-Bike. So oder so gibt es viel zu sehen, etwa auf dem Chapman’s Peak Drive. In 114 Kurven schlängelt sich das Straßenbaumeisterwerk an Steilwänden hoch über dem Meer entlang, selbst an Stellen, die lange als unbebaubar galten.
Kap der guten Hoffnung? Kap der Missverständnisse!
Im Anschluss wird es weniger kurvig, aber nicht weniger aufregend, wenn Strauße, Paviane und Elenantilopen unvermittelt die Straße queren. Weitere Fotomotive finden Besucher in Gestalt zweier Leuchttürme sowie des „Cape of Good Hope“-Schildes. Ein „Muss“, wenngleich es sich bei der Annahme, dies sei Afrikas südlichster Punkt, um einen populären Irrtum handelt. Dieser befindet sich weiter östlich am Kap Agulhas.
Einen weiteren Irrtum, nämlich dass Pinguine nur in der Antarktis vorkommen, widerlegt Boulders Beach. Schön, aber manchmal auch ganz schön überlaufen. Weniger los ist da in der malerischen Betty’s Bay, die von Kapstadt aus über eine grandiose Küstenstraße erreichbar ist. Auf langen Holzstegen promenieren Besucher, daneben und darunter die putzigen Frackträger. Infotafeln klären über ihr Fress- und Sozialverhalten auf – und ihren erstaunlichen Orientierungssinn.
Eine der größten Tierrettungsaktionen der Geschichte
Als im Jahr 2000 ein Tanker vor der Küste Öl verlor, verfrachtete man 19.000 Brillenpinguine via Lkw ins 700 Kilometer entfernte Port Elizabeth (heute Gqeberha). Von dort schwammen die flugunfähigen Seevögel zurück in ihre Hood, die bei ihrer Rückkehr gesäubert war. Trotz dieser Tierrettungsaktion, eine der größten der Geschichte, ist die Pinguinart nach wie vor akut gefährdet.
Wer durch die von fruchtbaren Tälern, bis über 2.000 Meter Höhe aufsteigenden Bergketten und sanftem Hügelland geprägte Kap-Region fahren will, muss sich vorab entscheiden, wo es lang geht. Entlang der Küste respektive der Garden Route, deren Kernstück zwischen Mossel Bay und Gqeberha liegt, die aber gern gen Kapstadt ausgedehnt wird? Oder im Landesinneren?
Die Kapregion ist eine Top-Weinregion
Ob Rundtour oder zickzack, die Weinregion rund um das bei Studenten beliebte Stellenbosch, das charmante Franschhoek und das städtische Paarl sollte keinesfalls fehlen. Wein wird dort ja schon seit dem Jahr 1652 angebaut, aber nach dem Ende der Apartheid sorgten nicht zuletzt junge Winzer für einen globalen Siegeszug. Von Pinotage, Shiraz und Co. überzeugt man sich am besten selbst bei einer Verkostung, idealerweise samt Tour durch die Weinberge.
Pflanzen mit Superkräften sind ohnehin das Thema in der Kapregion. Die Kap-Flora genießt unter Botanikern einen Top-Ruf. Mehr als zwei Drittel der über 9.000 Pflanzenarten des nur 90.000 Quadratkilometer großen „Blumenkönigreichs“, eines von weltweit sechs, existieren nur dort! Selbst ohne Fachwissen staunt man über die Schönheit unzähliger Erika-Sorten und der Königsprotea, Südafrikas Nationalpflanze, sowie über Fynbos-Hartlaubgewächse, die Feuer nicht nur trotzen, sondern zum Fortbestand benötigen.
Blumenkunst im Florilegium
„Wie ausgeklügelt das Ökosystem am Kap ist, verblüfft stets aufs Neue“, schwärmt Michael Lutzeyer, der sich massiv für den Naturschutz einsetzt. So eröffnete der deutsche Unternehmer in dem von ihm geführten Grootbos Naturreservat 2022 Afrikas erstes Florilegium. In dieser botanischen Kunstgalerie stellt er 124 Illustrationen seltener Pflanzenarten aus – detailreich gemalt von Künstlern aus aller Welt. Neben Gästen der noblen Lodge genießen auch Externe Zutritt, allerdings nur nach Voranmeldung.
Alternativ geht es auf „Flower Safari“. Selbst wenn gerade keine Hoch-Zeit des Blühens ansteht (wie im Oktober/November), finden die Guides ständig Gründe, anzuhalten. In einer Tour erzählt Ruaan von den Vorzügen zarter Lobelien, purpurfarbener Kaprosen und wundersamer Gladiolen. Bei einer Wanderung durch den Milkwood Forest bedarf es keiner Worte: Die jahrhundertealten Bäume schaffen eine mystische Stimmung sondergleichen, was vor allem an dem zauberhaften Geflecht der knorrigen, moosbehangenen Zweige liegt, die mitunter bis zur Erde reichen.
„Andernorts verschwinden Arten, hier in der Kapregion entdecken wir jährlich neue“, erklärt Ruaan. Er meint damit nicht nur Pflanzen, auch Insekten. Größere Tiere gibt es ebenfalls, etwa den wiederangesiedelten Kap-Leoparden. Und in der angrenzenden, von Dünen und Felshöhlen umrahmten Walker Bay lassen sich Südliche Glattwale gar vom Ufer aus spotten.
Näher ran geht es bei einer Bootstour zu den „Marinen Big Five“. Dazu zählen neben Walen und Brillenpinguinen Kap-Seehunde, Delfine und Weiße Haie. Wobei sich letztere in Gansbaai, lange Zeit als „Welthauptstadt der Weißen Haie“ bekannt, schon seit Monaten nicht mehr blicken lassen. Ob ihnen die auf ihre Leber ausseienden Orcas zum Verhängnis wurden, Trawler mit ihren unrühmlich langen Netzen, sich erwärmende Meeresströmungen? Die Lücke jedenfalls schließen einige, wenn auch deutlich kleinere und anmutigere Kupferhaie, die sich bei Touren gerne blicken lassen.
Auf Trpstr.de findet ihr noch weitere Ideen für Reisen ins südliche Afrika: Wie wär’s mit Sabi Sabi in Südafrika oder ein Roadtrip durch Namibia, insbesondere den tropischen Caprivi-Streifen?
Fotos: Grootbos Nature Reserve, Christian Haas, South African Tourism
Kapregion
Infos Kapregion
Anreise
Condor und die Lufthansa-Tochter Discover Airlines fliegen direkt von Frankfurt respektive München nach Kapstadt. Der (Nacht-)Flug dauert knapp zwölf Stunden. Länger dauern die wenn auch häufigeren Verbindungen über Johannesburg.
Einreise
Mitunter wollen Airlines beim Check-In eine Bestätigung der im Pilotprojekt laufenden, kostenlosen Traveller Declaration sehen, die man vorab ausfüllen muss (sars.gov.za/travellerdeclaration). Es ist kein Visum erforderlich. Der Reisepass muss mindestens 30 Tage über die Ausreise aus Südafrika hinaus gültig sein und mindestens zwei freie Seiten haben.
Reisezeit
Von September bis November steht die Vegetation der Kapregion in voller Blüte, doch auch die Monate danach eignen sich bestens zum Reisen, herrschen doch im „Südsommer“ angenehme Temperaturen mit durchschnittlichen Höchstwerten zwischen 20 und 25 Grad. Auch gut: Die Tage sind länger, was mehr Zeit für Erkundungen und Aktivitäten bietet.
Veranstalter
Hauser Exkursionen bietet auf viele Wanderelemente fokussierte Selbstfahrer- oder Gruppenreisen von Kapstadt nach Gqeberha an, 15 Tage ab 1.899 Euro pro Person ohne Flug, hauser-exkursionen.de
Unterkunftstipps
In Kapstadt stellt das Old Foundry ein originelles, preiswertes Hotel unweit der Waterfront dar, DZ ab 150 Euro, oldfoundryhotel.com. Teurer, aber deutlich komfortabler geht es im Grootbos Private Nature Reserve an der Walker Bay zu, grootbos.com/de
Allgemeine Info
South African Tourism: Spaces im Tower One, Brüseeler Str. 1–3, 60327 Frankfurt, southafrica.net/de