Unterwegs mit dem Wohnmobil, aber bitte mit Stil – und ohne Stress. Geht angesichts des überhitzten Mietwagenmarktes nicht? Doch, dank Privat-Vermieterplattformen wie Yescapa. Wir haben’s ausprobiert – und einen schnuckeligen T2 gefunden …
Neulich kam das Gespräch mal wieder auf das Thema VW-Bus. Seufz, schwelg. Offenbar verkörpert der zum Schlafen, Kochen, Faulenzen, Sportgerätetransportieren, kurz zum Rundum-gelungen-Urlauben geeignete „Bulli“ noch immer den Traum vom „Heute hier, morgen dort“. Für das gute Image sorgt womöglich auch der Umstand, dass insbesondere die frühen Modelle T1 und T2 für eine andere, gemeinhin sorgenfreiere Zeit stehen. Und das schließt die eigene explizit mit ein.
Konkret: die „Sturm-und-Drang“-Jugend und das junge Erwachsenensein samt ungebremstem Reisedrang. Vermutlich rührt daher auch der Wunsch, mittels Oldie-Bus mal einen Kontrapunkt zum Digitalalltag und zum hochtechnisierten Auto zu setzen. Eben eine Zeitreise, und das im Jahr 2022.
Aber deshalb gleich einen T2, jene Ende der 60er Jahre eingeführte zweite und besonders ästhetische VW-Bus-Generation, oder Ähnliches kaufen? Nee. 1. gehen die Preise gerade durch die Decke und 2. würde das dann doch nicht ins eigene urbane Mobilitätskonzept passen. Eine mehrtägige Schnupperfahrt jedoch, das wär’s!
Nur wo mieten? Bei ausgewiesenen Spezialvermietern wie etwa der Oldie-Garage bei München werden rund 350 Euro fällig, pro Tag. Uff. Bei herkömmlichen Anbietern à la Sixt und Hertz stehen solche Perlen – unabhängig von der extremen Mietwagenverknappung in diesem Sommer – gar nicht zur Wahl. Auf Anzeigen bei Ebay Kleinanzeigen, in gedruckten Wochenblättern oder andere bilaterale Kanäle habe ich schlicht keine Lust. Stichwort „Katze im Sack“ und „Was wäre, wenn …“.
Airbnbs für Wohnmobile
Aber zum Glück gibt es ja – Vorteil Digitalzeitalter! – mittlerweile eine Reihe von Onlineplattformen, die sich der Vermittlung von privaten Wohnmobilen, Wohn- und Kastenwägen und eben Urlaubsbussen verschrieben haben. Eine Art „Airbnb für Wohnmobile“. Vorn dabei: Campanda, Camperdays, MyVanture, PaulCamper, Hannes Camper. Womöglich gibt es auch noch andere, die einen Männervornamen mit dem Wort Camper verbinden.
Meine Entscheidung fällt schließlich auf Europas größte Plattform für Campersharing, Yescapa. Nicht zuletzt deshalb, weil „Stiftung Warentest“ den Anbieter zum Favoriten unter zwölf Plattformen für privates Camper-Sharing erklärt hat. Auch „Focus Money“ ist voll des Lobes und spendiert – basierend auf einer Umfrage unter 9.000 Teilnehmern, die rund 400 Unternehmen mit neuartigen Geschäftsmodellen beurteilten – die Auszeichnung „Aufsteiger 2021“.
Wobei das von den Franzosen Benoît Panel und Adrien Pinson gegründete Unternehmen schon seit zehn Jahren existiert. So richtig Fahrt aufgenommen hat es dann in den vergangenen drei, vier Jahren. Beliefen sich die Gesamtbuchungen 2018 noch auf rund 20.000, waren es 2021 schon fast dreimal soviel, und das erste Quartal 2022 lag bei deutschen Buchungen nochmal 230 (!) Prozent über dem Vorjahr.
Keine Frage: Es gibt Nachfrage. Und wie! Was neben dem pandemiebedingten Boom von sogenannten „erdgebundenen“, sprich Nicht-Flug-Zielen und dem Bedürfnis nach Natur und Individualität auch daran liegt, dass immer mehr junge Leute auf den Geschmack des Vanlifes kommen. Der social-media-geboosterte Reiz am rollenden Micro Adventure (plus die Möglichkeit ausgedehnter Elternzeitreisen) sorgt dafür, dass das Durchschnittsalter von Wohnmobilmietern hier mittlerweile unter 40 Jahre gerutscht ist, Tendenz weiter sinkend …
Gesucht: T2 mit Seele
Was dafür steigt: der Wunsch nach einer Mischung aus Ästhetik und Coolheit. „Rentnermobile“ sind demnach weniger gefragt, auch nicht Allerweltswagen von der Stange. Dusche, Toilette, volles Küchenequipment? Nice to have, aber nicer sind eben oft die eher individuellen, ausgebauten, umgebauten, liebevoll in Schuss gehaltenen Fahrzeuge „mit Seele“. Mal sehen, ob es unter den mehr als 12.500 Yescapa-Angeboten was gibt. Ich mach den Realitätscheck: Und yes, die mit etlichen Detailfiltern versehene Suche spuckt so manche Perle aus.
Wie den Westfalia T2 von Andi aus Murnau. Selbst wenn die fünf eingestellten Privaturlaubsfotos nicht unbedingt den Ansprüchen eines Profifotografen genügen würden (diesbezüglich ist bei den meisten Vermietern noch viel Luft nach oben): Ich bin sofort begeistert. Beiger Bulli, Jahrgang 1979, top in Schuss. Das Reserverad vorne auf der Schnauze, ein Aufstelldach zum Schlafen, kleine Küche samt Kühlschrank und Gasherd. Plus: gemütliche Umklappsitzbank. Das Beste: Er ist am Wunschtermin noch frei – was bei einem langen Wochenende mit Brückentag nicht selbstverständlich ist.
Was folgt: eine freundliche Korrespondenz und das erweiterte Anmeldeverfahren bei der Plattform. Sprich: Führerschein hochladen (praktisch: von der nicht extra „gechargeten“ Beifahrerin wird das nicht auch noch erwartet). Ferner erhalte ich jede Menge Infos zum weiteren Ablauf. Das Charmante und Beruhigende an der Sache ist ja auch, dass man nicht allein mit einem Fremden agiert, sondern eine dritte Partei hat, die es als Vermittler qua definitionem für beide Seiten so unkompliziert wie möglich machen will.
Erstmal den Motor abwürgen …
Der Abfahrtstag rückt näher und die Kontaktdichte erhöht sich. Andi teilt mit, dass er nach längerer T2-Standpause nochmal alles gecheckt hat. Erkundigt sich, ob wir auch sein Geschirr etc. brauchen. Erinnert daran, dass wir Bettzeug und Schlafsäcke selbst mitbringen sollen (eh klar). Und fragt, wann er mich vom Zug abholen soll. Sehr nett. Und eine gute Gelegenheit, gleich mal eine Runde zu drehen. Peinlich: Als ich an einer leicht ansteigenden Kreuzung den Zündschlüssel umdreh und den ungemein langen Schalthebel einlegen will, stirbt mir der Bus erstmal ab …
So ein Oldtimer braucht eben etwas Kennenlernzeit ergo eine intensivere Einführung. Das wollen sowohl ich als auch Andi. Denn schließlich hängt er an dem Wagen, den er vom Opa geerbt hat. „Mein Vater hat mich gefragt, ob ich wahnsinnig bin, den schönen Bus an Unbekannte zu vermieten. Aber ich mach das, um ihn mit den Einkünften in Stand zu halten.“ So ein Oldie kostet ja auch tatsächlich eine Menge. Vor ein paar Jahren erst hat Andi alles an seinem T2 auseinandergeschraubt, lackiert, überholt. Und dennoch darauf geachtet, alles im Original zu belassen.
Elektronik? Mangelware!
Original bedeutet: ein großes, rundes Lenkrad, auf dem man fast liegen kann. Fensterkurbel. Eine minimalistische Lüftung respektive Heizung. Scheibenwischer, die einen bei stärkerem Regen zum Anhalten zwingen, weil sie’s „nicht packen“. Und generell ist Elektronik im und am T2 Mangelware. Selbst bei der Musik: Die kommt nicht über ein eingebautes Radio, sondern über eine tragbare JBL, die uns Andi mitgibt (und mit der das Smartphone verbunden wird).
Was folgt, ist „Papierkram“. Stichwort Mietkaution und Mietvertrag unterschreiben. Das Standard-Dokument, auf dem etwaige Schäden notiert würden, stellt Yescapa wie den gut gemachten „Mieterleitfaden“ online zur Verfügung. Man kann sie sich einfach runterladen und ausdrucken. Auch das gehört zum Service, den sich Yescapa mit ungefähr 15 Prozent der Vermietsumme vergüten lässt.
Was zum Mietpreis (in unserem Fall 120 Euro pro Tag) stets noch dazu kommt: nochmal zwischen 10 und 15 Prozent für die Vollkaskoversicherung samt Pannenschutz. Gut zu wissen: Jeder Privatanbieter kann den eigenen Tagespreis sowie inkludierte Kilometer festlegen, was dazu führt, dass es eben auch günstigere Angebote gibt – und teurere. Wer suchet, der findet (das Passende)!
100 km/h sind absolutes Maximum
Zwei Stunden, ein nettes Gespräch, bei dem noch die eine oder andere T2-Anekdote rauskommt, und einen spendierten Espresso später fahr ich los. Fühlt sich großartig an. King of the Road! Wenn auch im Juckel-Modus. Also heim (etwas lästig, dass von den 200 Freikilometern pro Tag in diesem Fall schon 80 für die Hol-Aktion draufgehen, von der Zuganreise mal abgesehen), alle(s) einpacken und ab in den Norden.
Richtung Spreewald, etwa 500 Kilometer von München entfernt. Schon mit einem normalen Pkw ist das ein Ritt, mit dem T2 jedoch eine kleine Weltreise. Weil: Mehr als 80, maximal 100 km/h sind nicht drin. Aber genau das ist ja auch die Idee: Landstraße statt Autobahn, Reisen statt Rasen. Der Weg ist eben auch das Ziel.
Und am Weg liegen etliche Hingucker: die unteren Isar-Auen, die fränkische Schweiz, die Leipziger Seen. Auch herrlich: Wo man auch fährt, stets begegnen einem die Leute mit einem gewissen Grinsen (oder bilde ich mir das nur ein?). Keine Einbildung: Ich werde des Öfteren konkret auf den „wunderschönen“ Bus angesprochen, sei es beim Tanken, vorm Bäcker, auf dem Campingplatz. Meist begleitet von einem angenehmen Seufzen. Ob da jemand grad auf mentale Zeitreise geht?
„So einen hatte ich auch mal …“
Stichwort Campingplatz. Den suchen wir uns spontan via „Caramaps“-App. Praktisch: Für Yescapa-Kunden ist der Premiumaccount gratis, aber selbst in der Basisversion werden in einem bestimmten Kartenausschnitt wirklich sämtliche Camping- und vor allem Stellplätze einer Region samt Kosten und Fotos dargestellt.
Also steuern wir – schließlich gehört zu einer stilechten Zeitreise auch der Fakt, vorab eben NICHT alles zu buchen, sondern sich so gut es geht, treiben zu lassen – einen Campingplatz an der Talsperre Bleiloch an. Auch wenn es erst 18.30 Uhr ist, muss der Chef nochmal extra anrücken, „weil eigentlich schon Feierabend ist“. Aber spätestens als er den Bulli sieht, wird sein Ton mehr als versöhnlich. „Ach, so einen hatte ich auch mal. Das waren noch Zeiten!“
Fast schade, dass uns Bungalows und andere sehr große XXL-Wohnmobile den Blick auf den See verstellen. Wir kommen uns vor wie Zwerge. Andererseits wieder wie die Könige. Weil alles in dem Bus Charme, wir finden: Klasse, hat. Die kleinen Gaskochfelder, der wahlweise per Strom oder Gas betriebene Minikühlschrank, die Wasserpumpe, der um 180 Grad drehbare Beifahrerstuhl, der gemütliche Teppich – und dann erst das Bett im Obergeschoss samt Ausguck.
Ach, ohne Termine ließe sich eine ganze Weile bus-vagabundierend zubringen. Doch selbst das längste und nochmalig verlängerte Wochenende neigt sich irgendwann dem Ende. Das Gute: Alles hat bestens geklappt. Kein Unfall, keine Schramme, kein Batterieversagen. Ich bin erleichtert – und Andi womöglich auch, als ich mit seinem T2 vorfahre.
Schließlich soll es ja durchaus Mieter geben, die aufgrund der ungewohnten Bus-Maße (insbesondere der Höhe) anecken oder, was man gar nicht glauben kann, Benzin in den Wassertank (!) laufen lassen, was einen veritablen Brand auslösen kann … In so einem extremen Fall ist bei den Mitarbeitern der Vermittlungsplattform dann sicher ein besonderes Vermittlungsgeschick gefragt.
So, das Gefährt ist geklärt?! Und jetzt, wohin? Wie wäre es mit einem Roadtrip nach Slowenien, Apulien oder – Langstrecke! – zum südwestlichsten Punkt
Europas an der Algarve?
Der Weg zum T2
Info Camper-Vermietungen
Es gibt eine Reihe von Sharing-Plattformen für private Wohnmobile, Busse, Camper – darunter Myvanture (myvanture.com), Campanda (campanda.de), PaulCamper (paulcamper.de), Hannes Camper (hannes-camper.de). Europas größte Plattform ist Yescapa (yescapa.de).