Für Besseresser und Kurvenfans. Über die schönsten Pässe und Umwege zum kulinarischen Höhepunkt, einem Dinner bei der besten Köchin der Welt 2017. Ein Slowenien-Roadbook zum Nachfahren
Wäre es nicht so ein heißer Tag, machte ein längerer Stopp Sinn. Einige Spitzkehren hinter der Eisentalhöhe, in der Spitzkehre („Reidn“) Nummer 24 der Nockalmstraße, liegt das älteste Bauernbad Europas.
52 Spitzkehren und Kurven. 90 Kilometer. Das „Karlbad“ ist ein echter Wellness-Pionier: Seit über 200 Jahren werden Tag für Tag Steine aus dem Bach hinterm Haus geholt, klein geschlagen und in einem infernalischen Lärchenfeuer auf fast 1.000 Grad erhitzt. Die Steine landen glühend in den 14 wuchtigen Holztrögen voll kaltem Quellwasser, wo sie zerplatzen. Die gelösten Mineralien und der leicht schweflige Dampf sollen eine Wohltat sein.
Nockalmstraße > Wörthersee
Uns bleibt dafür keine Zeit, es geht weiter zum „Falkensteiner Schlosshotel Velden“ am Wörthersee, das offenbar hoch in der Gunst reicher Chinesen und Russen steht. Nach einem Lunch im chilligen „Seespitz“ schippert uns Robert in einer Motorjacht übers Wasser des Lago di Bonzo. An dessen Ufern prangen die stets pompösen, aber selten ästhetischen Residenzen von Piëch, Flick, Horten, Glock, Quandt, Porsche und anderen Schwerreiche und Halbschwerreichen. Danach sind ein paar Schwimmlängen im See und ein Drink im “Beach Club” des Schlosshotels angesagt.
Vršič-Pass > Soča-Tal > Mangart > Spodnja Idrija
Slowenien die Erste. 84 Spitzkehren. 210 Kilometer. Der Vršič im slowenischen Triglav-Nationalpark zählt 50 Haarnadelkurven und ist der höchste Pass des Landes. Er wartet mit einer Rarität auf: Alle Kurven und Spitzkehren zwischen Kranjska Gora und der Passhöhe sind kopfsteingepflastert. Bergab geht es durch das Tal des Flusses Soča (Isonzo). Der zeigt sich in der rund 800 Meter langen und bis zu 20 Meter tiefen Great Soča Gorge in geradezu überirdischen Blau- und Türkistönen.
Für Nervenkitzel sorgt der 55 Kilometer entfernte Mangart-Pass. Bis auf 2.055 Meter Höhe hangelt und kurvt sich die wunderschöne Sackgasse durch grandiose Landschaft nach oben. Extrem schmal ist die Straße, die man sich mit unzähligen Motorradfahrern teilt. Der Blick von oben ist grandios. Im Norden leuchten die Fusine-Seen, im Süden erstreckt sich der mehr als fünf Kilometer lange Kamm der Loška-Stena-Nordwand.
Entspannt geht es dann weiter durch das Tal der Soča, einem fast schon überlaufenen Hotspot für Rafting- und Kajakabenteurer, bis zum Städtchen Most na Soči. Das thront malerisch über dem Zusammenfluss der Soča mit dem Fluss Idrija.
35 Kilometer später rollen wir am ersten Abend in Slowenien vor dem „Relais & Châteaux Kendov Dvorec“ in Spodnja Idrija vor, das in einem alten Bauernhaus aus dem Jahr 1377 untergebracht ist. Das Dinner, das Franci Pivk und Klavdij Pirih auf die Teller zaubern, ist famos. Dies gilt vor allem für ihre Reminiszenzen an die lokale Küche wie etwa mit Quark und Kräutern gefüllte Šlikrofi oder das Lamm in der kräftigen Bakalca-Soße, die über zwei Tage hinweg durchgekocht und reduziert wird, für die Žlikrofi-Pasta und die Forelle aus dem Fluss Trebušica.
Die passende Begleitung durch Weine aus der Region macht Freude. Uns hat es der Rebula besonders angetan, ein Weißwein, der einer über 200 Jahre alten Tradition folgend mazeriert wird. Das ist heutzutage en vogue und wird wegen des Farbtons als Orange Wine gefeiert. Der Rebula kommt aus dem Vipava-Tal, wo die Besitzer des „Kendov Dvorec“ ein eigenes Weingut besitzen.
Bleder See > Paulitschsattel > Logar-Tal > Luče
Slowenien die Zweite. 32 Spitzkehren. Schotter. 180 Kilometer. Nach einem längeren Stopp am staugeplagten Bleder See, den man am besten vom Aussichtspunkt Velika Osojnica auf 756 Meter Höhe genießt, fahren wir durch das idyllische Kokra-Tal.
Von dort schrauben sich fünf Spitzkehren auf die Passhöhe des wenig befahrenen, 1.216 Meter hohen Seebergsattel und 15 Spitzkehren hinunter in Richtung Bad Vellach bis zur haarscharfen Abzweigung des Landsträßchens zum Paulitschsattel. Weitere zwölf Spitzkehren und Kurven später fahren wir unter wolkenschwerem Regenhimmel auf dem 1.339 Meter hohen Paulitschsattel über die Grenze zurück nach Slowenien.
Dann wird es rau, sehr urig und holprig. Die Landstraße 927 bringt uns ins malerische, von einem Gletscher ausgehobelte Logar-Tal (Logarska Dolina) in den Kamniker Alpen. Nicht mehr als 40 Menschen leben in diesem Tal, die meisten von ihnen in Podolševa.
Die Strecke führt über so groben Schotter, dass man glaubt, durch Unachtsamkeit die Straße verpasst und einen Waldweg genommen zu haben, der bald als Schotterschüttung im Nirgendwo enden wird. Slowenien unplugged. Die Zeiten der Schotterpiste aber dürften gezählt sein: Ein großes Stück der Landstraße 926 bis zum Dorf Solčava ist schon breit ausgebaut, mit wuchtigen Leitplanken und frisch geteert.
Bei strömenden Regen erreichen wir Luče. Dort, fast direkt am munter gurgelnden Fluss Savinja, steht das „Hiša Raduha“, das auch für die gute Küche von Martina Breznik gerühmt wird. Die Slowfood-Köchin war 2005 Sloweniens Köchin des Jahres. „Meine Familie führt seit 1875 diesen Gasthof. Wir sind hier verwurzelt und beziehen auch einen Großteil der Nahrungsmittel von Bauern und Züchtern aus der Umgebung.“ Egal, ob Forellenfilet mit Topfen, Brennnesselsuppe mit Teigtaschen oder Forelle mit Petersiliencreme – alles schmeckt wunderbar und das zu sehr moderaten Preisen. Herrlich sind auch die drei Baumhäuser des „Raduha“ – jeweils mit privatem Jacuzzi auf der kleinen Terrasse – und der wunderbar umgebaute, rundum verglaste Heustadl.
Ljubljana > Kobarid > Ana Roš
Slowenien die Dritte. 215 Kilometer. 23 Gänge. Abends viel Wein. Über das Städtchen Kamnik in die Hauptstadt Ljubljana und dort hinauf zur Burg Ljubljana Grad. Im Rundturm der Festung warten das „Strelec“ unter Igor Jagodic, Sloweniens Koch des Jahres 2019 und ein fünfgängiges Degustationsmenü unter anderem mit: Mariniertes Beef mit Haselnuss-Mayonnaise, Blumenkohl (gebacken, roh und als Cauliflower-Creme) oder Seeigel-Knoblauch-Püree mit Tintenfisch, rohem Pastateig, eingelegtem Glaskraut und schwarzem Knoblauchpulver oder Steinbutt-Filet mit „Crusty fish skin“, Pinien und Polenta.
Das Essen bei Ana Roš im „Hiša Franko“ schlägt alles, was ich bis dato an Feinschmeck erleben durfte. Kleinste Portionen als filigrane Kunstwerke. 18 Gänge, bei denen wir aus dem Staunen und Rätseln nicht herauskommen. Kompromisslos ist das Konzept von Ana: „90 Prozent dessen, was bei uns seit vielen Jahren auf den Tisch kommt, stammt aus der Umgebung und ist streng saisonal (…) die Leute in der Küche hassen mich oft für diese Strenge und Rigidität. Fisch und Seafood beziehen wir aus der Laguna di Marano, gut 70 Kilometer entfernt. Über die letzten 15 Jahre haben wir 100 Lieferanten aufgebaut, denen wir absolut vertrauen, seien es der Kräuter- und Pilzsammler, der Käser in unseren Bergen oder die Jäger und Fischer“.
„Ebenso wichtig sind lokale Traditionen und Familiengebräuche. Mein Vater hat immer gesagt, Salamizipfel wandern nicht in den Müll, die kann man wunderbar auskochen.“ Das Resultat bekommen wir kurze Zeit später serviert, als „My Dad’s no-waste Salami Brooth“, in der etwas Stachelmakrele „schwimmt“.
Auf dem Menü stehen an diesem Abend unter anderem: Kalamari na žaru mit Höhlenkäse. Melonenkern-Meringue mit Forellenleber. Lammhirn mit Cranberry-Beignet. Languste und Jakobsmuschel mit Wassermelone und Fenchel-Muschel-Brühe. Pulled Dreznica-Lamm mit Krabben-Wrap, Lammbrühe und anchoviegefülltes Eigelb. Mit Schweinefett glasierter Dumpling, gefüllt mit Pastinake, Apfel, Walnuss, Schweineschwarte, dazu geräucherte Schweine-Crème-Brûlée, Pflaumen und Meerrettich. Dry-aged-Kalb mit Austern-Emulsion, Tomate, Mandel und Reisschaum. Marmorata-Forelle mit Buttermilch, Salat aus wilden Lilienblüten und eingelegtem Steinpilz. Jedes Gericht eine kunstvolle Miniatur von unfassbarem Geschmackskaliber. hisafranko.com/de/
Zum Abschluss unserer Tour durch Slowenien geht es über das in einer toskanisch anmutenden Landschaft liegende Wehrdorf Šmartno in die Küstenstadt Piran.
Lust auf ein weiteres Roadbook? Ab nach Norwegen oder in die Schweiz
Slowenien
INFO SLOWENIEN
Web-Tipp
Tourentipps für Foodies, Sportler sowie Background-Wissen und Links zu nützlichen Apps auf der Seite des Tourismusbüros von Slowenien. Unter „slovenia unique experiences“ findet man dort neben Aktivitäten auch kuriose Unterkünfte etwa in früheren Weinberghäuschen.
slovenia.info/de
Covid 19
Covid 19 hat weiterhin Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und bei Einreisen weltweit zur Folge. Achtet bitte deshalb unbedingt auf die aktuellen Reiseinformationen des Auswärtigen Amts unter auswaertiges-amt.de