Frankreichs Atlantikküste statt Balearen oder Adria. Unser Rat für Familienurlaub am Meer. Besonders genussvoll ist das in der Aquitaine…
Wer gern gut isst, Wein mag und 08/15-Camping nicht ausstehen kann, findet an an der Atlantikküste zwischen La Rochelle und Bordeaux sein Glück. Hier kommen einige gute Gründe für einen Urlaub in den Départements Charente-Maritime und Gironde.
Austern! Austern! Austern!
Sie mögen diese gesunden, mineralstoffreichen Schalentiere? Dann sind Sie in der Charente-Maritime goldrichtig. Überall an der Küste und im Hinterland stehen die Hütten und Verkaufsstände der Austernzüchter. Das Dutzend bekommt man dort frisch für 10 bis 15 Euro. Austern mögen bei uns als Bonzen-Kost gelten, in der Charente-Maritime sind sie einfach gutes, gesundes Essen. Punkt. Die roh zu genießenden Schalentiere sind voller Omega-3-Fettsäuren, reich an den Vitaminen A, B1, B2, B3, C, D und an so wichtigen Mineralien wie Zink, Magnesium, Kalzium und Eisen.
Austernliebhaber aus aller Welt schätzen die Schalentiere aus der Region Marennes-Oléron. Dort, zwischen der Mündung des Flusses Charente, der Insel Oléron, welche die nährstoffreiche Bucht vor Wind und Wellen schützt, und der Mündung der Gironde erstreckt sich eine einzigartige amphibische Landschaft, durchzogen von Hunderten Kanälen, in deren leicht salzigem Wasser wunderbare Austern reifen.
Die Geschmacksfrage
Die Austern der Aquitaine schmecken so markant und mineralisch, dass es eine Sünde wäre, sie mit Zitronensaft zu betreufeln. Der einzige akzeptable Begleiter? Champagner oder ein leichter Weißwein. Um die 60.000 Tonnen Austern werden jährlich in den Becken rund um Marennes produziert. Günstig sind die Huîtres de Parc direkt aus dem Meer, teurer, geschmacklich breiter gefächert und raffinierter sind die in früheren Salzgärten oder in künstlichen Klärbecken (claires) veredelten Austern, die sogenannten Fines de Claire.
Sie werden in nährstoffreichen und jährlich gereinigten Becken gemästet und geschmacklich verfeinert – und verlieren dabei etwas vom meerig-algigen Geschmack. Je nach Qualitätslabel bleiben die Austern 14 Tage bis acht Monate (Label Rouge) in den Becken.
Muscheln! Fisch! Krebse!
In der Charente-Maritime und Gironde kommt selbst in normalpreisigen Restaurants kein Tiefkühlfisch auf den Tisch, am Ende noch überteuert, wie es am heillos überfischten Mittelmeer häufig der Fall ist. Die Muscheln kann man bedenkenlos genießen, stammt die Hauptzutat der Mouclade Charentaise mit reichlich Butter und Crême fraiche aus sauberem Wasser.
Einige „Aqua-Bauern“ der Region haben sich auf die Züchtung von Garnelen spezialisiert, vor allem der nachtaktiven Yamatonuma-Garnelen. Die werden in kleinen Mengen und ohne den Einsatz von Antibiotika produziert und können daher – anders als die asiatische Exportware – bedenkenlos auch in großen Mengen genossen werden.
Aquitaine: Wellen statt Plätschern
Ja, der Atlantik der Aquitaine ist wild. Fast immer. Lange, hohe Wellen für Surfer und Bodysurfer wälzen sich verlässlich auf die langen, weißen Strände zu. Wer nur schwimmen oder ein wenig herumplanschen will, sollte seinen Strand mit Bedacht wählen und die Hinweise zu Badeverboten beachten: Blaue Flaggen markieren sichere Strandbereiche, abseits können gefährliche Strömungen lauern. Mit etwas Umsicht steht einem wellenwilden Badevergnügen im erfrischenden Atlantik aber nichts im Wege.
Einen Abstecher zur Dune du Pilat, Europas größter Wanderdüne, sollte man auf jeden Fall einplanen. Bis zu 115 Meter hoch und fast drei Kilometer lang ist dieses Prachtstück, das sich bis zu fünf Meter pro Jahr landeinwärts bewegt. Wer die Düne besteigen und dabei nicht außer Puste geraten will, tut dies von der weniger steilen Landseite aus: Die Meerseite hat Steigungen von bis zu 55 Prozent.
Urbane Überraschung: La Rochelle
Was für ein hübsches Städtchen, vor allem im Frühsommer und damit weit vor der turbulenten Hochsaison im Juli und August. Drei Kilometer Arkadengänge säumen die Straßen der Altstadt, sie sind voll kleiner, netter Geschäfte und Kneipen. Sie spenden Schatten und bieten Schutz vor Regengüssen. Die üblichen Ketten-Shops aus aller Welt sucht man vergebens.
Dafür lädt das „Café de la Paix“, ein klassisches Kaffeehaus im Belle-Époque-Stil, zur Bummelpause ein, bevor es zurück zum Alten Hafen mit seinen wuchtigen Wehrtürmen und weiter zum sehenswerten Aquarium geht. Ein perfektes Nahverkehrsystem ermöglicht Busausflüge auf die Badeinsel Oléron – so kann man den Strandnachmittag dann getrost bei zwei, drei Gläsern kühlen Wein, beispielsweise einem Perles blanches, ausklingen lassen.
Inselglück: Île de Ré und Île d’Oléron
Die beiden ungleichen Inseln liegen vor der Küste der Aquitaine auf der Höhe von La Rochelle. Das etwas größere Oléron, übrigens Festlandfrankreichs zweitgrößte Insel, lockt mit schönen, langen Stränden an der Ostküste, der Zitadelle Château d’Oléron, dem umtriebigen Fischerhafen La Cotinière mit Cafés und Fischlokalen sowie dem schwarz-weiß gestreiften Leuchtturm Phare de Chassiron und der unter Napoleon mitten im Meer errichteten Festung Fort Boyard, die nur vom Schiff aus besichtigt werden kann.
Die kleinere Île de Ré ist ein beliebtes Sommerrefugium der Franzosen und trotz eines gewissen Sylt-Charakters – inklusive der Tendenz zur Gentrifizierung – noch geprägt von Austernzucht, Weinbau und Fischerei. Viele Sonnenstunden, 100 Kilometer Radwege und ein paar schmucke Strände machen die Insel zum idealen Familienreiseziel.
Glamping in der Aquitaine: Canvas deluxe
Der Campingplatz „Sandaya Soulac Plage“ in Soulac hat neue, große Canvaszelte auf Plattformen unter hohen, duftenden Pinien zu vermieten. Boden, Möbel, Küche und die Terrasse sind geprägt von rustikalem Holz. Eine große, offene Küche, zwei getrennte Schlafbereiche, ein eigenes, luxuriöses Bad sowie Bettwäsche- und Handtuch-Service sorgen dafür, dass sich auch Campingskeptiker wohlfühlen. Die rund 45 Quadratmeter großen Zelte bieten Platz für vier Personen, die Woche gibt es ab 540 Euro in der Vorsaison.
Wine & Dine muss nicht teuer sein
Man kann auch an der Atlantikküste viel Geld für gutes Essen ausgeben. Muss man aber nicht. Wer mittags im Restaurant isst, der bekommt fast überall dreigängige Menüs zu einem Preis von 15 bis 20 Euro angeboten, keine Touristenabzocke, sondern gute und seriöse Angebote.
Besonders authentisch und fröhlich geht es im Hafen von Saint-Vivien und am gleichnamigen Kanal mit rustikalen Fischerhütten wie der „Cabane du Port“ oder dem „ Kayak Café“ zu. Beides entspannte Tipps für Schlemmer, dort warten frische Genüsse aus den Austernbecken und dem Meer. Auch einen Besuch wert: „La Cabane d’Edouard“ in Cap Ferret, rund eine Fahrstunde von der famosen Dune du Pilat an einem der schönsten Flecken de Aquitaine.
Phare de Cordouan: König der Leuchttürme
Einer der ältesten noch aktiven Leuchttürme der Welt ist der Phare de Cordouan. Der prächtig verzierte „König der Leuchttürme“, der im Innern auf den ersten beiden Etagen eine große Kapelle und einen herrschaftlichen Saal birgt, wurde im Jahr 1611 mitten in der über zwölf Kilometer breiten Mündung der Gironde in Betrieb genommen und erst 400 Jahre später automatisiert.
Aquitaine-Besiúcher besichtigen ihn in Rahmen von Bootstouren von Le Verdon-sur-Mer aus. Das letzte Stück legen die Besucher in einem Amphibienfahrzeug und dann barfuß durch den Schlamm zurück. Die salzige Meerluft nagt wild am Kalkstein der fast 70 Meter hohen Fassaden und der Reliefs, ständig müssen Teile ersetzt werden. Der Weg hinauf lohnt sich, der Ausblick vom Balkon ist umwerfend.
Einen technischen Meilenstein setzte der Turm auch: Hier testete 1823 der junge Physiker Augustin Jean Fresnel erstmals die von ihm entworfene Fresnel-Linse, die heute noch weltweit im Einsatz ist.
Aquitaine aktiv: Radeln zwischen Pinien und Brandung
La Vélodysée ist ein 1.200 Kilometer langer Küstenradweg von Roscoff in der Bretagne bis Hendaye. Er verläuft zu drei Vierteln auf autofreien Wegen. Eine der schönsten Etappen führt von Marennes entlang der Côte Sauvage bis Royan. Diese Etappe sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.
Dichte Pinienwälder auf der einen Seite, Dünen und das Meer auf der anderen verheißen ungetrübtes Radelvergnügen für die Familien, da dieser Abschnitt auf Waldwegen und geteerten Radwegen ohne jeden Autoverkehr verläuft. Zudem wartet dort mit dem Leuchtturm Phare de la Coubre noch ein Höhepunkt für Landschaftsbestauner. Wir empfehlen zum Reinschnupperndie 125-Kilometer-Etappe von La Rochelle bis Royan, für Familien empfiehlt sich der anstiegsfreie, sehr kurze Abschnitt zwischen Marennes und La Palmyre.
Rochefort: Historie und Seefahrt
Rochefort liegt 23 Kilometer vom Atlantik entfernt im Landesinnern, an der schlammigen Charente. Die Stadt hat sich in den letzten 20 Jahren vom hässlichen Entlein zur schmucken Erscheinung gemausert und ist einen längeren Besuch wert.
Das Museumsschiff „Hermione“ ist ein detailgetreuer Nachbau jener Fregatte, mit der im Jahr 1780 der Marquis de La Fayette nach Amerika gesegelt war, um im Freiheitskampf gegen die Briten mitzumischen. Das Schiff liegt die meiste Zeit im Hafen, segelt aber alle Jahre über den Atlantik.
Hier kann man Segelmachern, Schmieden, Zimmerleuten und anderen Gewerken des alten Schiffbaus zusehen. Die Ausstellungen beim Schiff und im Museum der alten Seilerei „Corderie Royale“ widmen sich der Seefahrt des 16. und 17. Jahrhunderts. Geführte Touren gewähren Einblick in das Schiff bis hinunter zu den Mannschaftsunterkünften.
Das Restaurant „Les Longitudes“ im früheren Wärterhaus der Corderie ist sehr zu empfehlen. Nicht nur wegen des schönen Ambientes. Es gibt Austern (zwölf Stück für 18 Euro), Mouclade (Muscheln mit Sahnesoße und Pineau), aber auch Rinder-Tartar und Entrecôte.
Darf es mehr Meer sein? Das gibt es in unseren Storys über Kalabrien und aus Finnland
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INFO AQUITAINE
Anreise
Fluganreise nach La Rochelle ist keine gute Option. Von Deutschland aus steigt man zwei- bis dreimal um. Mit dem Pkw sind es ab München 2.800 Kilometer hin und zurück, ab Frankfurt 2.100 Kilometer. Dabei fallen rund 150 Euro Maut- und Vignettenkosten an. Beste Option für Familien und günstiger: Bahnanreise und Leihauto. Bahnticket für einen der Schnellzüge von München nach La Rochelle (zehn Stunden Fahrt, hin und zurück für zwei Erwachsene, ein Kind) ab 200 Euro.
Fragen?
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