Der Norden von Kalifornien lockt Besucher von San Francisco mit Redwood-Wäldern, Spaß auf Baumwipfelhöhe, wildschöner Küste und feinen Weinen
Die “City by the Bay” muss und kann man entspannt zu Fuß erkunden. Nur so entdeckt man die volle Ladung „pures Amerika“ mit Feuertreppen, alten Billboards, shabby Convenience Stores, jahrzehntealten Ladenschildern, patinierten Bars und Diners, Skyscrapern aller Art und bunten Townhouses. Da kommen, mit Abstechern rechts und links, am Tag locker 15 Kilometer zusammen.
Die große Runde durch SF startet im Schatten der Bay Bridge vor dem Ferry Building am Embarcadero mit seinem markanten Uhrturm. Dort legen alle Austernfans am besten schon den ersten Pitstop ein, in der „Hog Island Oyster Co.“
Embarcadero und North Beach
Vom Ferry Building geht es knapp zwei Kilometer bis zur Fisherman’s Wharf mit ihren fetten, akustisch wie olfaktorisch eher undezenten Seelöwen, was übrigens auch für den kirmeshaften und ziemlich überlaufenen Pier 39 gilt.
Weiter zum wunderbaren 1950er-Gebäude des „Franciscan Crab Restaurant“ am Pier 43 und bis zu „The Cannery“. Dort bergauf und in großzügigem Bogen durch Russian Hill, Nob Hill, Telegraph Hill und Chinatown zum Union Square. Ein lohnenswerter Abstecher führt durch das recht rustikale Viertel Tenderloin. Dann auf der Market Street zurück zum Embarcadero.
Filbert Street: Fast wie Bergsteigen
Das steile Auf und Ab vieler Straßen (bis 31,5 Prozent Steigung in Straßen wie Filbert Street, 22nd Street und Jones Street) bringt den Kreislauf in Schwung und ist keinesfalls kinderwagentauglich, weder auf- noch abwärts. Das gilt auch für den von bunten viktorianischen Häusern gesäumten Kurvenstar Lombard Street: heillos überlaufen von Hunderten Menschen, die hysterisch nach der besten Perspektive fürs Selfie suchen, auf dem die Hundertschaften anderer Besucher nicht zu sehen sind. Der Wahnsinn! Aber auf jeden Fall „very instagrammable“.
Kaloriennachschub holen sich San-Francisco-Sidewalk-Läufer in den Restaurants mit Küchen aus aller Welt – von frischen Austern und saftigen Dry-aged-Steaks im „Original Joe’s” in North Beach über gute Dim Sum bis zu Burgern in einem klassischen Diner.
Golden Gate und Cable Car
Und da ist noch die heilige Dreifaltigkeit aus Stahl, Beton und Kabeln. Für den besten Blick auf die Golden Gate Bridge mit einem der unzähligen Uber-Fahrer zum Baker Beach fahren. Alcatraz, die von Clint Eastwood und Don Siegel in „Flucht aus Alcatraz“ verewigte Mutter aller Hardcore-Knäste, wird von Ausflugsbooten ab Pier 33 angefahren (Ticket reservieren!). Wer wenig Zeit hat, begnügt sich mit dem Blick durchs Fernrohr.
Drittes Must-see: die nostalgischen Cable Cars. Wer wenig Zeit hat, spart sich besser die Wartezeit an den Stationen der berühmten Kabelstraßenbahn und das Geschupse und Gedränge der rucksackbewehrten Traveller aus aller Welt.
Man sieht und erfährt mehr von der Stadt, wenn man einfach einer der Trassen der Standseilbahn folgt, etwa der Powell/Hyde Line, und deren Wägelchen mit exakt 15,3 Stundenkilometer Geschwindigkeit an sich vorbeizuckeln lässt. Was man dabei allerdings nicht sieht, ist der körperliche Einsatz des Gripman …
Vom Russian Hill zur Market Street
Was den Stadtbummel so unterhaltsam macht, ist die enorme Vielfalt an Fassaden und Baustilen. Die reichen von verspielt-viktorianischen Gebäuden über neogotische Bauten und Art-déco-Hochhäuser – wie 225 Bush Street (früher Standard Oil) oder das schöne Hunter-Dulin Building – bis zur 260 Meter hohen Betonnadel der Transamerica Pyramid.
Das moderne G Hotel (DZ ab 180 Euro) in der Geary Street mit Zimmer im Shabby-Glamour-Style und einer coolen Bespoke-Bar. Gleich vis-à-vis wartet das urige Pinecrest Diner mit filmreifem Interieur und guten Burgern. Eines der besten Preis-Leistungsverhältnisse in S.F.
Sonoma Coast: Highway 1, Wale und Wein
Das nächste Ziel unserer Rundreise durch den Norden von Kalifornien liegt 105 Meilen nordwestlich von S.F. Ab Valley Ford geht es über den legendären Highway 1 durch Sonoma County. Jenseits der Mündung des Russian River an der North Coast wird der Highway mit dem großen Namen zu einer schmalen, kurvigen und steilen Straße, die so gar nichts Highwayartiges mehr hat.
Kliff-Retreat: “Timber Cove”
Auf einer oft windumtosten Klippe der Sonoma Coast wartet das architektonisch so interessante wie schön gelegene und vor zwei Jahren komplett renovierte Timber Cove Resort (Ocean View Room ab 350 Euro). Chef Dustin Valettes kredenzt seinen Gästen im „Coast Kitchen“ Seafood von lokalen Anbietern wie Heilbutt und Austern aus der Tomales Bay.
Die Sonnenuntergänge in Timber Cove sind spektakulär. „Zur Zeit der Walwanderungen könnt Ihr“, so General Manager Julian Payne, „die Tiere wunderbar von der Steilklippe hinter dem Resort oder aus dem Adirondeck Chair auf den Terrassen der Ocean View Rooms beobachten.“
Das Resort entstand 1963 nach Entwürfen des bekannten Architekten Richard Van Giesen Clements. Herzstück ist das hohe Hauptgebäude mit viel Holz, einem großen, offenen Kamin und einer gut sortierten Bar.
Kalifornien-Reisende, die mehr über die Pflanzenwelt, den Zug der Wale und die Tierwelt an der Sonoma Coast erleben will, buchen am besten eine Führung durch den Salt Point State Park mit Margaret Lindgren von Unbeaten Path Tours.
Walbeobachtung von Land aus? Kalifornien kann das
Wir hatten das Glück, im Salt Point State Park von Land aus eine Grauwalmutter mit Nachwuchs beobachten zu können. Jedes Jahr ziehen zwischen Januar und Mai bis zu 19.000 Grauwale an der Küste von Kalifornien entlang gen Norden.
Die bis zu 16 Meter langen und 35 Tonnen schweren Riesen paaren sich in den Gewässern vor Mexiko und bringen dort ihre Jungen zur Welt. Anschließend beginnt die lange Reise hoch in die sommerlichen Gewässer Alaskas und in die Beringsee, vorbei an der langen Küste von Kalifornien. Dort müssen sich die Wale mit Krill und Flohkrebsen so viel Speck anfressen, dass er für den Rest des Jahres reicht.
Russian River: Redwood-Riesen auf Augenhöhe
Die Riesen unter den Redwood-Bäumen in Kalifornien werden bis zu 3.000 Jahre alt und maximal 115 Meter hoch – viel weiter hinauf reicht der sogenannte Transpirationssog nicht, der das Wasser aus den Wurzeln gegen die Schwerkraft nach oben „saugt“. Der älteste Mammutbaum im Armstrong Redwoods State Natural Reserve unweit von Guerneville hat „nur“ 1.400 Jahre auf dem Buckel und ist knapp 95 Meter hoch.
Die immergrünen Coast Redwoods in Kalifornien sind wahre Wunderwerke der Natur: Das Holz ist resistent gegen Schädlinge, Pilze und Fäulnis und enthält wenig brennbare ätherische Öle und Harze. Die Wurzeln der Flachwurzler reichen nur zwei bis drei Meter tief, verteilen sich aber in einem Umkreis von gut 50 Metern.
So bilden sie mit ihren Nachbarn ein stabiles Geflecht, das auch stärksten Stürmen trotz. Tag für Tag zieht jeder Coast-Redwood bis zu 400 Liter Wasser aus den für die Sommer typischen Küstennebeln und kompensiert so die regenarmen Sommer.
Ziplining: Das ist der Wipfel!
Ein Spaziergang unter diesen Baumriesen des Armstrong Redwoods State Nature Reserve ist beeindruckend, aber kein Vergleich mit einer Ziplining-Tour von Baum zu Baum – bis zu 60 Meter über dem Abgrund. Sieben Ziplines unterschiedlicher Länge (bis zu 450 Meter!), Höhe und Geschwindigkeit sorgen bei der Forest Flight Tour von Sonoma Canopy Tours für Thrill und Spaß. Nach einer gründlichen Einführung und einem Trockentraining ist jeder Teilnehmer autonom unterwegs. Das Tempo bestimmt man selbst mittels „Handbremse“.
Streamliner-Glamping: Originell Übernachten
Originell ist eine Nacht in einem der legendären Airstream-Wohnwagen, die im neuen Autocamp Russian River am Rand des Örtchens Guerneville gebucht werden können. Sie sind schick, modern und komfortabel ausgestattet mit Kitchenette und eigener großer Dusche. Vom XL-Bett blickt man durch Dachfenster auf die hoch aufragenden, leicht im Morgenwind schwankenden Redwood-Bäume.
Wie wäre es im Anschluß mit einer Streetart-Tour in New York? Oder vielleicht doch nach Seattle?
Nordkalifornien
INFO NORDKALIFORNIEN
Anreise nach San Francisco
Direktflüge in elf Stunden mit Swiss oder mit United Airlines ab 850 Euro
Einreise
Man benötigt einen gültigen Reisepass und ESTA (mindestens 72 Stunden vor dem Abflug einholen!)
Tipps und Reiseideen
Findet ihr unter visitcalifornia.de | sftravel.com | sonomacounty.com