Die „MS Europa“ bekam zum 20. eine Verjüngungs-Kur. Captain’s Dinner und Gala-Abend? Gestrichen. Was hat sich im Bereich Kulinarik noch geändert?
Die „MS Europa“ erhält seit ihrer Indienststellung 1999 zuverlässig jedes Jahr die Bestnote Fünf Sterne Plus im Kreuzfahrt-Führer „Berlitz Cruise Guide“. Renovierungsbedürftig war die Hardware im Sommer 2019 also nicht. Warum musste das Schiff ins Trockendock? Aus Prinzip. Die Schiffe von Hapag-Lloyd Cruises kommen alle 24 Monate in die Werft, um die hohe Qualität zu wahren. Zum anderen müsse die Technik in einem einwandfreien Zustand bleiben, erklärt Kapitän Olaf Hartmann während unseres Brückenbesuchs.
Weg mit den alten Zöpfen
Zudem wollte man Style und Anmutung den sich ändernden Ansprüchen der (potenziellen) Kunden an- passen. Das Produktmanagement hat eine jüngere (oder: sich jünger fühlende) Zielgruppe als die bisher dominierenden Seventysomethings im Auge. Das macht das Sportprogramm klar: EMS-Ganzkörpertraining, bei dem elektrische Impulse die Muskeln während des Trainings stimulieren. Zudem gibt es Sport-Specials wie Boxen, Yoga oder Tai-Chi auf bestimmten Reisen.
Außerdem geht es den Kreuzfahrtzöpfen an den Kragen. Captain’s Dinner und Gala-Abend sind abgeschafft, begleitet wird dies von einer deutlichen Lockerung des bis dato auf Eleganz getrimmten Dresscodes. Macht alles Sinn, sinkt doch das Durchschnittsalter der deutschen Kreuzfahrtgäste beständig. Und diesen jüngeren Nachwuchs, der mit dem „Traumschiff“-Pomp eher weniger am Hut hat, will man an Bord der „MS Europa“ locken.
Legerness ist angesagt, der übliche abendliche Dresscode lautet „sportlich-elegant“. Wie das zu verstehen ist, erklärt das Tagesprogramm: „Herren auf Deck 4 gerne mit Jackett“. Smoking und Abendkleid kommen in die Mottenkiste.
Krawatte ist ebenfalls verzichtbar, wenngleich Hapag-Lloyd Cruises zum Farewell Dinner abendlich-elegante Garderobe ausruft („Herren auf Deck 4 gerne mit Anzug und Krawatte“). Wer lieber in Jeans und mit Jackett kommt, muss aber nicht draußen bleiben.
Freie Tischwahl und mehr Platz
Man setzt bei der Verjüngungskur der MS Europa” neben größerer Kulinarik-Vielfalt auf „mehr Raum für Achtsamkeit und Gesundheit“, mehr Privacy beim Essen (Zweiertische) und freie Tischwahl. Mancher aus der früheren Stammklientel ist damit nicht so recht glücklich, wie bei Gesprächen mit Gästen zu hören war.
Andere wiederum begrüßen diese Änderung mit einem „Höchste Zeit war’s!“. Unverändert bleibt die Relation Passagier pro Crew von 1,4. Damit können nur Sea Cloud, Seabourn und Silversea Cruises mithalten.
Was sind die für den Gast sichtbaren Änderungen? Das Atrium bekam einen neuen Anstrich, die Aufzüge erhielten neue Verkleidungen. 5.000 Quadratmeter neuer Teppichboden wurden verlegt und im Restaurant „Europa“ 265 neue Sessel aufgestellt.
Revolution auf Deck 4
Die tiefgreifendsten Änderungen gab es auf Deck 4. Wo zehn Jahre lang das „Restaurant Dieter Müller“ war, eröffnete auf größerer Fläche das „The Globe by Kevin Fehling“ des gleichnamigen Hamburger Drei-Sterne-Kochs. Das „Venezia“ wurde ebenfalls vergrößert und hat nun 50 statt 30 Plätze. Es kommt heller, leichter und deutlich entplüscht daher, vom Boden über die Wände bis zur Decke. Einfach schöner.
Das ebenfalls renovierte Restaurant „Europa“ musste platztechnisch für seine Nachbarn Federn lassen. Unter der weißen Decke und zwischen silberen Säulen stehen außerdem fast doppelt so viele Zweiertische wie bisher – und es gibt freie Tischwahl.
Kostprobe: “The Globe by Kevin Fehling”
Das Gourmet-Restaurant wurde bei unserem Dinner dem Versprechen von „unkonventionellen Kreationen auf höchstem kulinarischem Niveau“ absolut gerecht. Es trägt bis in kleine Details wie die Playlist und die – man rieche und staune – Raumbeduftung die Handschrift von Deutschlands jüngstem Drei-Sterne-Koch, der zum Start seiner Karriere mehrere Jahre lang Sous-Chef auf der „MS Europa“ war.
Fehling steht für Aroma-Kraftpakete in kleinsten Dosierungen, immer ebenso überraschend kombiniert wie harmonisch im Geschmack. Alles auf spektakulär schönen Tellern hinziseliert und mit der de- zidierten Aufforderung verbunden, das Kunstwerk ungeniert zu zerstören, um alle Geschmacks-Elemente in einem Happen zu erleben.
Die Gänseleber Pharao kommt in Begleitung eines superwürzigen Couscous und von Auberginen-Dattel-Crème, Kumquat sowie Minze und eingelegter Zitrone daher. Der knackige Carabinero teilt sich den Teller mit Gurkenrelish, Chutney und einer Tandoori-Hollandaise. Das Tom-Kha-Gai-Eis (!) beglückt die Geschmacksknospen zusammen mit Sushireis, Thaicurry-Crème und Tamarinde. Von der magisch-vergänglichen Textur des Japanischen Fischbrötchens, das als Gruß aus der Küche den Genussreigen eröffnete, ganz zu schweigen.
Bon dieu, was für eine Küche! Fehling gibt nicht nur seinen Namen her, sondern wird 20 Tage im Jahr persönlich an Bord sein, die restliche Zeit hält einer der beiden Sous-Chefs die Stellung, zusammen mit vier eigens für „The Globe“ abgestellten Köchen der „Europa“.
Zudem hat das Schiff am Heck von Deck 7 ein zusätzliches Restaurant mit Innenbereich und überdachter Außenterrasse bekommen – dort, wo bis dato ein Gymnastikraum war: Im „Pearls“ liegt der Schwerpunkt auf Kaviar, etwa in Form von Saiblings-Kaviar und abgeflämmten Jakobsmuscheln, Mandarin-Imperial-Kaviar mit Hummer-Poke und Braune-Butter-Mayonnaise oder Beluga di Venezia mit Steinbutt-Tiradito, kandierter Zitrone und Kalbs- Velouté. Alles schmeckte wunderbar, trotz des in der „Restsee“ (so der Euphemismus auf der Brücke) kräftig rollenden und stampfenden Schiffs.
Für das neue „Pearls“ mussten aufwendig neue Wasser- und Abwasserleitungen verlegt sowie die Cooking-Station und eine Klimaanlage installiert werden. Hier gibt es nur kalte und leicht warme Speisen. Nur so komme, heißt es, der Kaviar voll zur Geltung. Tipp: Zitronensaft weglassen!
Mehr Kreuzfahrt: Reportage über eine Segel-Cruise auf den Seychellen , die “MS Europa 2” und das Hurtigruten-Schiff “Roald Amundsen“
MS Europa
INFO MS EUROPA
Eine Reise auf der “MS Europa” kostet im Schnitt pro Tag und Person in der Standardsuite zwischen 500 und 600 Euro. Genaue Preise und aktuelle Routen unter hl-cruises.de
Fotos: ©Hapag-Lloyd Cruises