Caens Umgebung sieht aus wie gemalt. Claude Monet und Co. haben Frankreichs Nordwesten nicht umsonst hundertfach auf Leinwänden verewigt. 2024 wird „ihr“ Impressionismus zum 150-Jährigen groß gefeiert. Caen hat aber noch weit mehr zu bieten
Die Japanische Brücke und der Seerosenteich, die Kathedrale von Rouen, die Felsen der Alabasterküste: Wer kennt sie nicht, die berühmten Motive großer Impressionisten à la Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Edgar Degas und Camille Pissarro? 1874 als Gegenentwurf zur jahrhundertlangen Ateliermalerei begründet, ist „der Impressionismus untrennbar mit den Landschaften und Stadtansichten der Normandie verbunden. Sie standen den Freiluftkünstlern Modell und schenkten Inspiration“, sagt Dieter Basse.
Der deutsche Fotograf im Ruhestand lebt mit seiner normannischen Frau seit mehr als 20 Jahren in der Nähe von Caen, arbeitete als Journalist, Übersetzer, Fotograf. Sein Fazit: „Wohin man blickt, tolle Motive.“ Das gilt für heutige Einheimische und Urlauber wie für die Maler von einst. Neben der teils rauen Atlantikküste fanden insbesondere das Tal der Seine sowie deren Mündung Einzug in ihre Gemälde, die mit ihren leuchtenden Farben und sichtbaren Pinselstrichen bis heute Menschen auf der ganzen Welt begeistern.
2024 steht diese zu den beliebtesten zählende Kunstrichtung in besonderem Licht. Zum 150. Jubiläum wird ihr mit einem extradicken Programm des Festivals „Normandie Impressionniste“ gehuldigt. In mehr als 200 Veranstaltungen und Ausstellungen beleuchten internationale Stars der Kunst- und Kulturszene das Erbe der Impressionisten, an unzähligen Orten in der nordwestfranzösischen Region (und zudem in Paris). So vereint in Le Havre die Ausstellung „Fotografieren in der Normandie (1840-1890)“ Meisterwerke aus Malerei und Fotografie.
Die Kirche in besonderem Licht
Im Kunstzentrum Hangar 107 in Rouen lockt eine Interpretation von Monets Seerosen, in dem die Geräusche des Teichs mittels Lautsprecher, einer Leinwand und Pigmentpulvers in Form von wellenförmigen geometrischen Mustern sichtbar gemacht werden. Quasi ums Eck wird eine Licht- und Toninstallation auf der Fassade der Kathedrale gezeigt.
Neben einer Ausstellung im Musée Eugène Boudin, die Besucher mit zu den Anfängen des Impressionismus nimmt, ist in dem vielfach porträtierten Fischerdorf Honfleur ständig was los. Wie früher. „Zwischen 1860 und 1880 waren alle Größen der Zunft kürzer oder länger hier vertreten“, erzählt Basse, „zum Malen und ausgelassenen Feiern …“
Ausgiebig feiern lässt sich heutzutage in Caen, einer der größten und aufregendsten Städte der Region, besonders gut. Kein Wunder, bei rund 30.000 Studenten, was fast ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. Vor allem rund um das Hafenbecken mit seinen vielen Bars herrscht quirliges Flair, ebenso im Quartier du Vaugueux, wo zudem alte Bauwerke, an die hundert Glockentürme, zahlreiche Cafés und charmante Läden die andernorts durchaus sichtbaren Kriegswunden der Stadt vergessen machen.
Alles schnell erreichbar
Was spricht sonst für Caen als Basis? Die langen Strandbäder liegen nur 15 Autominuten entfernt. Ferner ist es von hier nicht weit zur wildromantischen Halbinsel Cotentin und zur wenn auch oft überfüllten Felseninsel Mont-Saint-Michel. Im Osten von Caen wiederum liegen Le Havre, Honfleur und Rouen sowie das für seine Fachwerkhäuser und Apfelplantagen bekannte Pays d’Auge, das insbesondere im Frühjahr dank zart-rosa Apfelblüten eine Augenweide darstellt.
Im Herbst freilich wird geerntet, einquirliges Treiben allerorts. Dass auch andere Sinne geweckt werden, dafür sorgen hochprozentige Apfelprodukte wie der allseits beliebte Cidre und der Calvados – zwei der drei großen C, für die das Hinterland der Côte Fleurie bekannt ist. Das dritte steht für Camembert.
Caen, das Schlemmerparadies
In Caen kommen sie und viele weitere Spezialitäten der Normandie auf die Markt- und Restauranttische, von Austern über Jakobs- und Miesmuscheln bis zum Birnenschaumwein, dem „normannischen Champagner“.
Wen es nach Kunst dürstet, steuert das Musée des Beaux-Arts an. Im Rahmen des Impressionismus-Festivals zeigt es in der Ausstellung „Das Theater der Waren. Kunst und Handel, 1860-1914“ rund 100 Werke, mit denen Künstler die Umwälzungen der Handelsrevolution des 19. Jahrhunderts interpretieren.
„Das Museum ist auch deshalb reizvoll, weil es im Château de Caen liegt“, findet Basse. Die im Stadtzentrum auf einem Hügel thronende und von den romanischen Klosterkirchen Saint-Étienne und Sainte-Trinité umgebene Festung, von William dem Eroberer erbaut, war damals eine der größten Europas und ist noch heute beeindruckend. Plus: Von hier lassen sich attraktive Spaziergänge unternehmen.
Ehrerbietung beim „König aller Dandys“
Etwa in die Rue Saint Pierre und zur Librairie Guillaume, ein ehrwürdiger Buchladen wie aus dem Bilderbuch. Schöne Bilder verspricht auch der „Jardin des plantes“. Klein, aber sehr reizvoll und äußerst hübsch gestaltet. Fremde trifft man dort selten, die kennen das kaum. Noch ein Geheimtipp ist der Cimetière protestant. Zwischen uralten Bäumen und verfallenen Grabsteinen machen Studenten der nahen Uni hier gern mal Picknick – kein Sakrileg. Andere halten Ausschau nach berühmten Gräbern, etwa dem von „Beau“ Brummell, dem König aller Dandys.
William der (England-)Eroberer, bekanntester Sohn der Stadt, wiederum wurde in der Abteikirche Saint-Étienne beigesetzt.Gedacht wird vielerorts auch den Zigtausenden Toten der rund 150.000 Alliierten, die mit ihrer Ankunft an den nahen Stränden die Wende im 2. Weltkrieg brachten. Das sehr populäre Multimedia-Museum Le Mémorial klärt über die größte Militäroperation aller Zeiten auf, den D-Day am 6.6.1944.
Dieser jährte sich heuer zum 80. Mal, was im Juni mit einer immensen Gedenkfeier – inklusive höchster Politprominenz – Feuerwerk und KOnzerten gewürdigt wurde und das ganze Jahr über noch mit einer Ausstellung. So viel ernsthafte Themen wollen verdaut werden, etwa beim Paddeln auf dem stadteigenen Kanal oder auf einer der einladenden Liegestühle an dessen Ufern …
Lust auf weitere Frankreich-Trips? Auf nach Aquitaine oder mit dem Hausboot durchs Burgund!
Fotos: © Caen Tourisme, Dieter Basse, Thomas le Floch, Sophie Kernen, Severine Freres, Valentine Pacaut, Normandie Tourisme, Phan Dai, Ibis
Caen
Infos Caen
Anreise
Flug: Es bestehen Flugverbindungen von Frankfurt, Stuttgart, München, Hamburg, Düsseldorf nach Caen, teils mit Lufthansa, teils mit Air France. Auto/Bus: Von Frankfurt dauert die Fahrt über Paris und Rouen nach Caen etwa 8,5 Stunden. Zug: Mit ICE/TGV und TER-Regionalbahn geht es mitunter schneller. Bei den günstigsten Verbindungen muss man „nur“ zweimal umsteigen, in Brüssel bzw. Karlsruhe und in Paris
Übernachtungs- und Gastrotipps
Ibis Styles Caen Centre Gare: Die Lage des Dreisternehotels direkt am Bahnhof ist klasse, bedeutet es in diesem Fall: Es liegt mitten in einem angenehm belebten und mit vielen Restaurants, Cafés, Kino und Mini-Mall aufwartenden Viertel, von dessen Fußgängerzone aus es mit Bus, Tram oder gleich zu Fuß in die Innenstadt geht. Im Hotel selbst kommen die überraschend großen Zimmer freundlich, hell und mit einigen Annehmlichkeiten wie Espressomaschine und großem Doppelbett daher. Dank XL-Frühstücksbüfett geht es bestens gestärkt zur Stadterkundung, DZ ab 89 Euro, accor.com
Ivan Vautier: Nachdem das „À Contre Sens“ geschlossen hat, derzeit einziges Michelin-Restaurant in Cannes (in der Umgebung gibt es weitere). Es ist nicht nur den Gästen des gleichnamigen, familiären Fünf-Sterne-Hotels vorbehalten, auch Externe sind willkommen. ivanvautier.com
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Caen là Mer, caenlamer-tourisme.fr, Normandie Tourisme, normandie-tourisme.fr