Krimi-Essen, Mittelaltergelage und Co.: Mehrgängemenüs mit Mehrwert boomen. Bei „Le Petit Chef“ und „Seven Paintings“ konzentriert sich das Spektakel auf den Tisch – mit multisensorischen Elementen. Da dürfen Gäste sogar mit Essen malen!
Erstmal deutet nichts auf das mediale Feuerwerk hin, das seit dem Frühjahr 2022 regelmäßig im „Basler Hotel Hofmatt“ gezündet wird. Rund drei Dutzend Gäste nehmen im abgedunkelten Restaurant, dem „Grotto“, Platz und bekommen Aperitifs serviert. Im Hintergrund läuft in angenehmer Lautstärke französische Gute-Laune-Musik. Man wähnt sich gleich in Paris.
Mehrere Bestecke und Gläser sowie eine separate Weinkarte deuten auf die gehobene Klasse hin. Und ein unauffällig platzierter Projektor über jedem Tisch auf das besondere Unterhaltungsprogramm, das dann auch nach einiger Zeit startet. Dabei wird die komplette Tischfläche visualisiert, jeder der vier Gäste erblickt das mehr oder weniger gleiche Bild, das jedoch fließend in die anderen übergeht, sodass jeder Winkel der Tischfläche komplett angestrahlt wird.
Video-Mapping meets Gourmetküche
Wie das funktioniert? Mittels 3D-Projektmapping-Technologie. Mit der wird eine grüne Wiese projiziert, inklusive Blumen, Gemüsebeet, Gewächshaus. Aus Letzterem stolpert – jetzt kommt Bewegung in das statische Anfangsszenario – „Le Petit Chef“, der als mit 58 Millimetern kleinster Koch der Welt vorgestellt wird. Auf den imaginären Riesenteller, der sich digital vor jedem Gast befindet, schmeißt er eine XL-Burrata-Kugel, rupft aus dem Beet ein Radieschen aus und wirft dieses hinterher. Es folgt ein Duell mit einem Maulwurf, der weiteres Gemüse „entführt“. Dabei wirkt der Filmkoch ebenso tollpatschig wie liebenswert, was heitere Musik und comicartige Laute unterstreichen.
Der Clou: Das digital gezeigte Gericht wird gleichzeitig von echten Köchen fertiggestellt und von echten Kellnern kurz nach Filmende serviert. Die Ähnlichkeit zur „Le Petit Chef“-Animation ist faszinierend. Und so geht es munter weiter, jeder der fünf Gänge wird von einem mehrminütigen Video eröffnet. Dabei sind es ganz unterschiedliche Settings: Mal werden unter Wasser Kämpfe mit einem Tintenfisch ausgefochten, mal wird ein Rinderrücken auf einem Riesengrill zubereitet, mal Creme Brulée flambiert. Im Übrigen gibt es auch ein Kinder- sowie ein vegetarisches Menü, die Einspielfilme sind jedoch dieselben.
Kleiner Koch, großer Erfolg
Generell sind Video-Mapping-Projektionen ja schon seit Längerem bekannt, allerdings eher in großem Stil – auf Gebäudefassaden im Rahmen von Großveranstaltungen vor einem Massenpublikum. Das belgische Künstlerkollektiv Skullmapping zaubert mit dieser Projektionstechnik dreidimensionale Effekte auf eine Oberfläche. So wird beim Betrachter der Eindruck erweckt, dass die darauf gezeigten Projektionen zu einer neuen Einheit verschmelzen, die auch im Miniaturformat vor einem Kleinstpublikum faszinieren. Und das mit großem Erfolg. Das insgesamt rund zweieinhalbstündige Kulinarik-Kino wurde seit 2015 in etwa drei Dutzend Ländern angeboten, stets in Kooperation mit gehobenen Restaurants.
Derzeit boomt die Hologramm-Show in Asien und mehr noch in Deutschland. Kein anderes Land beheimatet derzeit mehr Spots. Von Dortmund über Hamburg bis Neckarsulm kommen mittlerweile 17 Stationen zusammen. Die Tische sind trotz stolzer Preise ab mindestens 99, mitunter bis zu 149 Euro pro Person (ohne Getränke) in der Regel Wochen im Voraus ausgebucht. Es gibt im Übrigen auch (wenngleich wenige, nicht in Deutschland befindliche) andere Restaurants mit Table-Mapping, etwa das Lumentium in Madrid und Barcelona oder seit Juli 2021 das Imaginate in Detroit als erste Location dieser Art in den USA.
Extrabeilage: Kunstgeschichte
In eine noch breiter angelegte, multisensorische Richtung geht „Seven Paintings“, das seit vergangenem Herbst in den „Flemings Hotels“ München und Wuppertal und seit Anfang 2024 auch in Wien angeboten wird. Zu immersiven Elementen kommen bei dem im wahrsten Sinne kunstvollen Dinner noch weitere. Zum einen flimmert es nicht nur auf dem Tisch, sondern auch – so ist es zumindest in dem Hotelrestaurant in München-Schwabing – auf zwei Leinwänden im Raum sowie auf einer Staffelei, die neben jedem der etwa zehn Tische steht.
Zum anderen wird mit Musik gearbeitet, mit Düften und viel Wow-Effekten. Der Aperol Spritz etwa wird in kleinen Totenkopfgläsern serviert, wobei man den roten Alkohol selbst, ebenfalls aus einer Totenkopfampulle, dazuspritzen muss. Wenig später soll man mit einer Schwarzlichtlampe einen Code auf der Tischdecke entziffern und mit diesem die Schatzkiste öffnen.
Darin, tata, das Amuse geulle. Verhungern muss keiner, der sehr aufmerksame und lustige Jonas – der bei den „Flemings Hotels“ derzeit eine Ausbildung zum Hotelfachmann macht und regelmäßig abends bei den Seven-Paintings-Shows arbeitet – hilft, wenn es mal hakt. Und ermuntert, wenn man noch Hemmungen hat, mit „Essen zu malen“.
Seven Paintings, 100 Ideen
Das geht so: Vier knallbunte Dressings können mit dicken Pinseln auf eine spezielle Unterlage gekleckst und verwischt werden – und darin werden dann Salat- und Chicoreeblätter getunkt. Eine Riesengaudi. Witzig auch der Einsatz von einer Warhol-Tomatensuppen-Dose als Wärmeglocke oder das Trockeneis, das man mit heißem Wasser begießt und somit mystische Schwaden erzeugt. Bei Nachspeise Nummer zwei darf man wieder zum Pinsel, diesmal einen ganz dünnen, greifen und eine köstliche süße Tafel fertigmalen.
Ein Teil von Edvard Munchs Meisterwerk ist bereits drauf gedruckt, einige Stellen aber ausgespart. Also ran an die Schoko-Farben, der letzte Schrei! Und köstlich obendrein. Denn, natürlich, darf man das Kunstwerk nach ausgiebigem Fotomachen und Giggeln verspeisen.
Das fast dreistündige Agieren und Essen, das wie im Flug vergeht, geschieht unter den Videoaugen von Mona Lisa, die sich immer wieder auf der Staffelei nebenan zu Wort meldet und eine kurzamüsanteweilige Klammer bei der Reise durch die Kunstgeschichte bildet.
Fazit: Kurzweiliger kann ein obendrein sehr facettenreiches und köstliches Abendessen nicht sein, auch weil man selbst so aktiv ist. Da stört es auch nicht, wenn man als Paar zu fremden Personen dazugesetzt wird … zusammen macht das Staunen noch mehr Spaß. Und die anfänglich leichte Sorge vor zu viel Kunsttheorie verschwindet so rasch wie der Trockeneis-Nebel bei der Nachspeise.
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Fotos: (c) Christian Haas, 2spicy Entertainment, Flemings Hotel
Interaktive Dinner
Infos Seven Paintings
„Seven Paintings“ wird, Stand Mai 2024, in den “Flemings Hotels” in München, Wuppertal, Wien und Frankfurt angeboten, Preise: zwischen 109 und 139 Euro pro Person (exklusive Getränke); wer im Hotel übernachtet, bekommt dort einen Rabatt. flemings-hotels.com/erlebnisgastronomie#seven-paintings
Infos Le Petit Chef
„Le Petit Chef”-Eventlocations in Deutschland sind u.a. das Grand Hyatt in Berlin, das Steigenberger Düsseldorf, das Petit Atrium in Ulm und das Hilton in München, lepetitchef.de; auch in Lissabon, Dubai, Bangkok, Singapur und anderen, vornehmlich asiatischen Städten werden entsprechende Shows angeboten. Preise zwischen 99 und 149 Euro pro Person.
Weitere Table-Mapping-Anbieter sind Lumentium in Madrid und Barcelona (lumentium.com) sowie das Restaurant Imaginate in Detroit/USA (imaginaterestaurant.com).
Sowohl bei „Le Petit Chef“ als auch bei „Seven Paintings“ werden vegetarische Alternativen angeboten.