55 pferdefreundliche Betriebe, 850 Reitwegekilometer, Top-Infrastruktur: Die oberösterreische Mühlviertler Alm ist für Reiturlauber ein Traum. Selbst Anfänger kommen da bei einem mehrtägigen Reittrek in die Gänge
Ja, ich bin ein Reit-Greenhorn. Saß hier und da mal auf einem Touri-Gaul, mehr nicht. Ob es da eine gute Idee war, ohne große Kenntnisse einen mehrtägigen Wanderritt zu buchen? Auf dem Programm stehen nämlich pro Tag mehrere Stunden im Sattel, in der Spitze bis zu 30 Kilometer, die meisten davon zwar im Schritt, aber durchaus mit Trab- und Galopppassagen. Kurz: Hab ich beim Thema Wanderreiten aufs falsche Pferd gesetzt? Doch Markus Danninger, der uns als Guide über die Mühlviertler Alm begleiten wird, beruhigt vorab am Telefon: „Wir haben schon viele Menschen zum Reiten gebracht.“
Die Grundlagen dazu darf vor Ort Kollegin Jacqui legen. Markus, der 47-jährige Co-Chef über die bei Königswiesen gelegene “Moser Alm”, ist an meinem Probereittag anderweitig in seinem erhaben gelegenen Wirtshaus samt Terrasse, Ferienwohnungen und einem Gestüt samt einem guten Dutzend Pferden beschäftigt.
Gefühlvolles Get-together vor dem ersten Ritt
Aber die Mittzwanzigerin Jacqui kennt sich mit Pferden ebenfalls bestens aus und weist allen „passende Gefährten“ zu: meiner Frau den stattlichen Gaetan, den beiden Teeniemädels die munteren, aber sanften Sam und Tokay und mir Sir John, „einen Lipizzaner, der zwar ein paar Jahre auf dem Buckel, aber auch viel Gefühl hat und einiges verzeiht“. Beim Kennenlernbürsten und Hufeauskratzen wecke ich offenbar sogleich sein Gefühl. „Deine Pflege scheint ihn zu entspannen“, bemerkt Jacqui und deutet dabei auf Sir Johns ausgefahrenes Geschlechtsteil.
Das legt sich bald wieder und ich ihm eine Decke, den Sattel sowie Zaumzeug und Zügel an, was ich ohne Jacquis Hilfe nicht schaffen würde (ein paar Tage später schon). Als alle im Sattel sitzen, zieht unser 20-beiniger Tross los Richtung Ruine Ruttenstein. Deren Burgturm erhebt sich majestätisch aus der hügeligen Landschaft, die sich zwischen Linz, Ybbs an der Donau und der tschechischen Grenze ausbreitet.
Mühlviertler Alm: Hoch zu Ross über Stock und Stein
Die dünn besiedelte Region, die vor allem landwirtschaftliche Betriebe beheimatet, ist wie gemacht für sanften Tourismus: Wandern, Radfahren – und eben Wanderreiten. Vor allem, da kaum eine andere Region Mitteleuropas ein derart großes Wegenetz aufweisen kann wie die Mühlviertler Alm. Mal sind es Forst-, mal Feldwege, mal geteerte Nebenstraßen, mal Wald- oder Wiesenpfade.
Nach abwechslungsreichen eineinhalb Stunden erreichen wir die Schutzhütte bei der Ruine. Ah, so sieht also eine reiterfreundliche Raststätte aus! Wie vor einem Saloon befinden sich hölzerne Anbindeplätze für Pferde, Tränke inklusive. Da kann man besten Gewissens einkehren und die Ruine kennenlernen.
Unsere Pferde lernen wir auch immer besser kennen, auf dem Rückweg sitzen wir schon deutlich fester im Sattel. „Sir John, ich mag dich“, flüster’ ich ihm irgendwann zu, und ich meine, dass er ein „Ich dich auch“ zurückwiehert.
Pferdeschnauben als Weckruf
Wieder zurück auf der „Moser Alm” führen wir unsere neuen Freunde in die modernen Boxen, wo sie sich auf ihr verdientes Heu stürzen. Unser Essen fällt fleischlastiger aus: Auf der Terrasse der Gaststätte bekommen wir Kistenbrat’l serviert, eine Spezialität der Region (Markus verrät: „Oberhitze ist das Geheimnis!“).
Zum Glück sind es nur wenige Schritte zu unserer erst vor Kurzem eröffneten Ferienwohnung. Bei der alles andere als altbackenen Ausstattung bleibt man dank Pferdebildern und alten Wagenrädern übrigens voll „im Thema“ – erst recht, wenn am Fenster die Pferde auf der Koppel vorbeilaufen. Und ehrlich: Schöner als mit einem Schnauben in Hörweite kann man nicht einschlafen. Und aufwachen.
So wie auch an Tag drei. Noch schnell das köstliche Frühstück genießen und dann geht es auf zum Drei-Tage-Ritt über die Mühlviertler Alm. Der Plan: Jacqui kutschiert das Übernachtungsgepäck zum jeweiligen Etappenziel, wir reiten hinterher, nur mit dem Nötigsten in den Satteltaschen. Geplant, getan. Schon deutlich entschiedener als tags zuvor lenken wir die Pferde auf einen hübschen Waldtrail. Der ist wie alle Wege, die wir gehen, top in Schuss.
Mähn-Power auf der Mühlviertler Alm
„Ein Erfolgsgarant“, weiß Markus, der als Obmann des Reitverbands Mühlviertler Alm vor Jahren alle 850 Kilometer abgeritten ist. Er weiß auch: „Nur zusammen sind wir stark. Deshalb ist jeder im Verband für einen Wegeabschnitt zuständig, den er zu pflegen hat.“ Das betrifft insbesondere die zahlreichen Pfosten mit den Wegweisern.
Dass „Pferdereich“ nicht nur ein Marketingname für die Mühlviertler Alm ist, bestätigt auch Jacqui. Monatelang ritt sie durchs Land und entschied sich bewusst für einen Umzug in diese Region. „In ganz Österreich haben wir nirgends Leute getroffen, die Pferden und Reitern gegenüber derart aufgeschlossen waren wie hier.“ Das gilt auch für Wanderreiter. Die einen reisen mit eigenem Pferd an, das dann in der Gästebox einer Unterkunft steht.
Hochschalten in den Galopp
Andere leihen sich Pferde und gehen mit Guide auf Tour. So wie wir. „Wanderreiten“, meint Markus, „ist das Gegenteil von Dressurreiten und ideal für alle, die neben dem Reiten auch die Natur genießen wollen.“ Im Fall des Mühlviertels sind das dichte Wälder, Blumenwiesen, bemooste Granithügel und Bäche, die wir mitunter überqueren – spannend.
Ebene Strecken gibt es kaum. Und je mehr wir physisch hochkommen, desto mehr kommen wir psychisch runter. Das Wackeln hat etwas Meditatives, ein Zustand, der sich in den kommenden Tagen noch verstärkt.
An einem leichten Hang fragt Markus: „Lust auf Traben?“ Alle nicken. Und als die Vorderpferde starten, schaltet auch Sir John einen Gang hoch. Alles noch recht wacklig, aber: Läuft! Später folgt eine weitere Trab-Session, bevor es heißt: „Jetzt Galopp!“ Eben noch die Ruhe in Person, hängt Sir John sich an die Fersen von Sam. Die etwa 500 Meter lange Strecke vergeht wie im Flug, allerdings einem recht turbulenten. Kurz schmerzt der „kritische Bereich“ (von Entspannung keine Spur), doch ich sitze fest im Sattel. Und will mehr!
Pilgerkojen für Nicht-Pilger
Bevor es soweit ist, müssen wir uns dem Wettergott beugen. Der hat sich für die Mühlviertler Alm Starkregen (samt Gewitter) ausgedacht. Gut, dass wir beim Reitpark Gstöttner Asyl bekommen. Die Familie Kriechbaumer ist neben der Familie Kern in der Region und in der Branche eine Institution. Egal, ob Gruppen, Kinder, Familien, Einsteiger oder Profis: Hier findet jeder das passende Reitangebot und Bett.
Wir finden eine Brettljause, einen Trockenraum und Platz für die Pferde. Anhaltende Gewitter sorgen für eine Planänderung. Die Pferde bleiben also über Nacht hier und wir fahren per Autoshuttle zur Taverne Prandegg, wo uns mit den „Pilgerkojen“ eine ungewöhnliche und lustige Unterkunft erwartet.
Die in einem Gruppenraum befindlichen acht Doppelbetten (samt Vorhang!) sind vor allem bei Fans des spirituellen Johannesweges beliebt. Und Fans hat der an der Ruine vorbeiführende Weitwanderweg viele. Seit 2018 gibt es auch eine viertägige Reitvariante. In den neuen Tavernen-Pferdeboxen nächtigen unsere Vierbeiner dann die Nacht drauf, nachdem wir sie hergeritten haben.
“Hallo wach” zum Finale
Insbesondere am Finaltag merkt man: Unsere „Putzarbeiten“ werden routinierter, die Reitbewegungen geschmeidiger, die Muskelpartien trainierter (es gibt kaum Beschwerden!) und die Aufmerksamkeit für die Umgebung größer. Die besticht vor allem durch viel Stille, Weite, Grün. Und freundliche Mitmenschen: Kommt uns mal ein Pkw oder Traktor entgegen, wird immer abgebremst. Nur einmal wird es etwas aufregend, als wir durch den Ort Schönau reiten. Ein in ein Schlagloch tuckernder Bierlaster erschreckt den sensiblen Gaetan derart, dass er einen Satz zur Seite macht. Das meistert seine Reiterin souverän, beweist aber, dass man stets wachsam sein muss. Ein Pferd ist eben kein Auto, sondern ein Lebewesen mit Charakter. Und Gefühl.
Fotos: © Christian Haas, Reitverband Mühlviertler Alm/Hermann Erber, Barbara Derntl, TV Mühlviertler Alm
Auch in der Rhön kann man bestens reiten! Und in Mecklenburg-Vorpommern großartig paddeln – und in der Schweiz unter Tage trekken …
Mühlviertler Alm
INFO MÜHLVIERTLER ALM
Alles übers Reiten
Reitverband Mühlviertler Alm, pferdereich.at
Alles über Oberösterreich
Oberösterreich Tourismus, oberoesterreich.at
Alles über die “Moser Alm”
Mönchwald 6,Mönchdorf bei Königswiesen; Preise: Ferienwohnung ab ca. 60 Euro pro Person/Nacht inkl. Frühstück (im Haus bzw. in der Wohnung), Leihpferd ca. 70 Euro pro Tag inkl. Ausrüstung fürs Pferd; Guidebegleitung ca. 100 Euro pro Tag, Übernachtung ca. 25 Euro pro Pferd und Nacht; Wirtshausbetrieb Donnerstag bis Sonntag 11–22 Uhr; moseralm.at
Alles über die “Taverne Prandegg”
Prandegg 3, Schönau im Mühlkreis, Preise: Übernachtung in der Pilgerkoje ca. 30 Euro pro Person inkl. Frühstück, taverne-prandegg.at