Wer denkt, es gebe auf den Malediven nur Resorts, der irrt. Auf Einheimischen-Inseln wie Dhigurah lernen Urlauber eine ganz andere Seite des Landes kennen, inklusive Walhaien! Wir haben’s getestet
Eine Insel, ein Resort: Der Ursprung dieses Konzepts liegt im Indischen Ozean, auf den Malediven. Und längst beheimatet der südwestlich von Sri Lanka gelegene Staat so viele Resortinseln wie kein anderes Land auf der Welt. 2020 kletterte deren Anzahl auf mehr als 120. Der Boom kannte kein Ende, dann kam Corona und sorgte auch auf den Malediven für monatelange Touristenebbe.
Doch dank wiederaufgenommener Flugverbindungen und aufgehobener Quarantäneregelungen kommen auch Deutsche wieder – wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau als vor der Pandemie. Wer geimpft, genesen oder mit einem negativen PCR-Test munitioniert ist, kann indessen auch ein Urlauberleben jenseits der Resortgrenzen erleben, nämlich auf einer der etwa 180 Einheimischen-Inseln.
Längst nicht auf allen dieser „Local Islands“ ist Tourismus erlaubt, wohl aber auf Dhigurah im Süd-Ari-Atoll. Die wenige Kilometer lange Insel verfügt nur über ein paar bewohnte Blocks mit einfachen Häusern. Teerstraßen? Fehlanzeige. Die Wege sind eher sandige Pisten mit teils riesigen Schlaglöchern. Entsprechend langsam kurvt man hier herum, die meisten Leute sind zu Fuß, per Rad oder Moped unterwegs. Doch als Gepäcktransportmittel hat das Auto durchaus seine Berechtigung.
Jenseits der Resorts
Etwa, um Rucksäcke und Koffer vom Mini-Hafen, an dem das Schnellboot aus der Hauptstadt Malé anlegt, zum „TME Retreats“ zu befördern. Das keine 500 Meter entfernte, einstöckige Gästehaus mit ein paar Appartementsatelliten verfügt über 42 Betten und ein nach allen Seiten offenes Restaurant mit einem guten, lokalen und vor allem ausreichenden Essensangebot.
In der zum sandigen Garten offenen Lobby stellen ein Billardtisch und ein Bücherregal das Entertainmentangebot dar, auf Wunsch werden Massagen organisiert. Kurz: kein Vergleich zu den Resortinseln mit ihrem teils riesigen Programmangebot, aber typisch für das halbe Dutzend Gästehäuser in der Nachbarschaft. Wobei das „TME Retreats“ das Erste seiner Art war. Gerade einmal elf Jahre sind vergangen, seit diese Tourismusform in der streng muslimischen Republik überhaupt erlaubt ist.
Die Schweizerin Sarah Studer-Hohn, Geschäftsinhaberin von Pure Islands, ist von der Entwicklung begeistert. „Als sensibilisierter Reiseveranstalter ist es uns ein Anliegen, die negativen Folgen des Tourismus möglichst zu minimieren und Kunden zu ermöglichen, die Natur nah, intensiv und ursprünglich zu erleben und die Gastfreundschaft, Traditionen und Kultur zu wahren.“ Ihr Fazit: „Nirgends ist dies besser möglich als in den kleinen, authentischen Unterkünften.“
Die sie mit Vorliebe – und Erfolg – an ihre Kunden vermittelt, nicht zuletzt dank der günstigen Übernachtungspreise ab 35 Euro die Nacht. Und nicht nur die Unterkunft ist im Vergleich zu den Resorts deutlich günstiger, sondern auch das Essen, Getränke, Andenken.
Dhigurah? Ungeschminkte Malediven!
Urlauber auf Einheimischen-Inseln bekommen also mehr fürs Geld – und mehr Authentizität: Kein austauschbares Personal mit internationalem Lebenslauf, sondern alles Leute von der Insel. Auch junge Frauen sind an der Rezeption im Einsatz, was einer kleinen Revolution gleicht. Durchs Gebüsch huschen Katzen, auf der Straße ergeben sich ständig Smalltalks. Englisch können hier ohnehin fast alle.
Zu den Einblicken ins „echte Leben“ gehören auch die Baustelle nebenan und Staubwolken, wenn mal wieder ein Motorradfahrer vorbeiknattert. Und ja, vor allem beim Spaziergang in die grüne Südhälfte sieht man einigen Abfall, auch jenseits der immensen Dorfmüllhalde. Es gibt eben keine Gärtner-Armada wie auf den Resortinseln, die alles Weggeworfene, Angewehte, Angeschwemmte wegräumen.
Unterwegs mit den coolen Locals
Wobei es ohnehin schon viel besser geworden sei mit der Sauberkeit, berichten die Einheimischen übereinstimmend. Besonders gilt das für das sandige „Horn“ der Dreiecksinsel Dhigurah, wo sich dank schattenspendender Cabanas und anderer Picknickmöbel vor allem freitags und samstags die einheimischen Familien gerne aufhalten. Und zunehmend Touristen.
Als wir gerade im 30 Grad warmen, klaren Wasser herumtollen, kommt ein Boot vorbei. „Habt ihr die Mantas eben gesehen?“, ruft uns eine völlig aus dem Häuschen befindliche Frau zu. Gesehen haben wir nichts, leider. Ist ja auch unerwartet: So nah am Ufer? Stark! Am nächsten Tag haben wir in puncto Mantasichtung mehr Erfolg. Nicht zuletzt dank der „Island Divers“. Die Tauchschul-Guides, fast alle hier geboren und aufgewachsen und nach Aufenthalten im „schrecklich hektischen“ Malé zurückgekehrt, kennen sich beim Animal Watching einfach perfekt aus.
Manta, Manta!
Für rund 60 US-Dollar pro Person organisieren die jungen Männer mehrstündige Trips auf ihrem hochmodernen Tauchboot – auf Resortinseln kostet eine solche Exkursion locker das Doppelte, eher das Dreifache. Wobei man mit den Einheimischen sogar mehr bekommt. Abgesehen von der hohen Qualität beim Equipment ist es ihre Ortskenntnis, von der Urlauber profitieren. Wir erleben es am eigenen Leib. Nach einer Stunde haben die jungen Männer schließlich auffällige Bewegungen entdeckt und scheuchen uns ins Wasser. Wir werden Zeuge eines fantastischen „Manta-Balletts“.
Ein halbes Dutzend der bis zu vier Meter großen Planktonfresser „tänzeln“ friedlich um uns Schnorchler herum, ein Schauspiel! Ohnehin ist Dhigurah für seine rund 40 Tauchgründe bekannt. Bob, ein Ex-Marine aus den USA, kommt seit 2010 zweimal pro Jahr hierher, und sagt: „Die Tauchgründe sind grandios und die Insel so ruhig. Kein Vergleich zu dem Zirkus auf den Hotelinseln!“
Aug‘ in Aug‘ mit den Meeresriesen
Tags darauf kommt es noch besser. Wir begegnen Walhai Fernando! Mit acht Metern ist der in einer Datenbank von über 300 Walhai-Individuen gelistete Riesenfisch ein überdurchschnittlich großes Exemplar. Zudem haben wir Glück, dass heute nur ein paar Boote am Start sind. Oft tummeln sich am Dhigurah-Südufer, einem der wenigen Spots weltweit, wo das ganze Jahr über die weltgrößten Fische zu sehen sind, 20 und mehr Boote, die meisten von Resortinseln.
Die Folge: mehr Trubel im Wasser, weniger Sicht, weniger Erlebnis. Wir jedoch sind gerade mal zu zehnt mit dem eindrücklichen, aber auch sehr entspannt dahinziehenden Fernando. Da an der Riffkante zudem Schildkröten, Riffhaie und Tausende bunte Fische um die – ja, teils erschreckend gebleichten – Korallen zu sehen gibt, erleben wir eine sagenhafte Dreiviertelstunde. Wir sind berührt, beseelt, begeistert.
No bikini beyond this point
Nach derart aufregenden Unterwassererlebnissen ist „süßes Nichtstun“ angesagt. Wie wär’s mit Sonnenbaden am quasi menschenleeren kilometerlangen Strand? „Gerne“, sagt man uns im „TME Retreats“, das wie alle Unterkünfte auf Dhigurah nicht direkt am Strand, sondern ein paar Meter hinter einem Grüngürtel liegt, „aber bitte hinter der Holzwand, die 200 Meter weiter aufgebaut wurde. Aus Respekt vor den Einheimischen.“
Ein großes Thema auf Dhigurah, das merkt man. Daher auch das Schild: „No bikini beyond this point“. Dass man sich auf den Straßen trotz enormer Hitze bedeckt hält, ist klar, erst recht vor der kleinen Moschee und der Schule.
Wir sehen Kinder in strahlenden Schuluniformen, Leute beim Kochen in ihren Innenhöfen, kleine Cafés und Läden, bei denen wir vor Betreten die Schuhe ausziehen. Der Dank? Ein Lächeln und der Hinweis auf eine bis zum Rand gefüllte Gefriertruhe mit Magnum-Eis. Was es auf Dhigurah nicht gibt: Nightlife und Alkohol.
Ahmed, der indische Kellner im „TME Retreats“, serviert dafür eigens kreierte Mocktails. Herrlich: in der einen Hand einen alkoholfreien Drink, in der anderen eine Shisha, die Füße im Sand, leise Musik im Ohr. Und dass es Wlan „nur“ in der Lobby gibt, ist eher eine Wohltat als eine Einschränkung.
Fotos: © Christian Haas, Pure Islands AG/Boutique Beach, Island Divers, Universal Resorts Maldives
Lieber doch Lust auf ein edles Insel-Resort? Wir haben da was Feines für dich (wenngleich nicht auf den Malediven): Bawah Island und Wa Ale
Dhigurah
INFO DHIGURAH
Anreise
Lufthansa, Condor, British Airways, Etihad und andere Airlines unterhalten Flugverbindungen nach Malé, einfach ab 370 Euro
Übernachtung
„TME Retreats“, ab 50 Euro pro Nacht und Person, andere Gästehäuser ab 35 Euro pro Nacht und Person; einen Großteil der Gästehäuser vermittelt Pure Islands, pure-islands.ch
Allgemeine Infos
Covid 19
Covid 19 hat weiterhin Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und bei Einreisen weltweit zur Folge. Achtet bitte deshalb auf die aktuellen Reiseinformationen des Auswärtigen Amts unter auswaertiges-amt.de