Einfäch lässig: Im Münchner „The Royal Bavarian“ paart sich herrschaftlich historisches Design mit ironisch-ikonischen Anspielungen auf das royale Erbe Bayerns. Königlich essen kann man hier auch
Platz da, Leute, jetzt kommen die Hauptspeisen! Also die Humus-Paprika-Süßkartoffel-Etageren zur Seite und die Wein- und Wassergläser zusammengerückt, damit die vielen Schüsseln mit Falafeln, glasiertem Lachs, Reis, Brot mit Ei, Sabich und Salaten auf den Holztisch passen. Dann kommt Betriebsamkeit auf. “Kannst du mal rübergeben?” “Darf ich dir etwas auftun?” “Hiervon musst du kosten!” Wenn nicht jeder etwas Einzelnes, sondern alle von allem etwas bestellen, kommt eben ein recht kommunikatives Dinner zustande.
Die Macher des „Neni“ nennen es offiziell Balagan, inoffiziell „systematisches Chaos“ oder einfach „einmal die Speisekarte rauf und runter (inklusive Nachspeisen)“, wenngleich es die ganze Karte nun auch nicht ist. Jerusalemteller oder ähnliches extra bestellen geht übrigens nicht – alle oder keiner.
Neni, vielerorts ein Kulinarikgarant
Aber es gibt Schlimmeres. Und selbst wer von der orientalischen Küche, die bereits in Wien, Köln und anderswo für Furore sorgt, größere kulinarische Raffinesse erwartet hat, wird an anderer Stelle satt. Akustisch: Von der mit 80 kugelförmigen LED-Lichtern bestückten Freitreppe dringt sanft Feelgood-Sound der eigens kuratierten Vinylsammlung herab. Optisch: Hier der hübsche Elefantenbrunnen, dort ein stattlicher Kronleuchter.
Dositzndedodedo oiweidositzn
Daneben befinden sich industrieschicke Rohre als Reminiszenz ans Königlich-bayrische Telegrafenamt, das ab 1869 hier untergebracht war. Über der offenen Küche befindet sich nicht nur ein Weinlager, sondern auch der Neonschriftzug „Dositzndedodedooiweidositzn“.
Nach der dritten Limonana, einem minzig-zitronenartigen Drink, haben da selbst Münchner Knoten in der Zunge. Und Nicht-Bayern müssen natürlich fragen, was das heißt: „Da sitzen die, die immer da sitzen.“ Was schon einen Teil des Konzepts des ganz und gar nicht bayrischen Restaurants im “Royal Bavarian” beschreibt. Familiär soll es hier zugehen, wünschen sich Restaurant-Mama Haya Molcho und ihre Söhne. Und nicht nur Hotelgäste, sondern auch Einheimische. Gewünscht, geschehen, die Nachfrage nach den zehn Tischen ist groß und man selbst gut beraten, rechtzeitig zu reservieren.
Hier sind City-Hipster am Zug
Während es zum „Neni“ an der Seite des neu restaurierten Gebäudekomplexes reingeht, befindet sich der Eingang zum Hotel an der breiten Frontseite und somit direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Genau genommen befindet sich die Rezeption des Ende 2017 eröffneten “25hours”-Ablegers im ersten Stock.
Aber nur weil man mal in einem Hamburger oder Frankfurter “25hours” war, heißt das gar nichts. „Unser Motto lautet: ,Kennst du eins, kennst du keins’“, erklärt Marketingdame Mona Laaser beim Frühstück, dessen Büfett ebenfalls im „Neni“ aufgebaut ist.
Gezahlt werden muss dafür extra, im Gegenzug sind andere Freuden im Übernachtungspreis inbegriffen. Saunabags samt Bademantel und Handtüchern lassen sich ebenso ausleihen wie Canvoco-Umhängetaschen zum Shoppen. In höheren Zimmerkategorien steht gar ein schickes Schindelhauer-Rad samt Tourkarte zur freien Verfügung (im Zimmer geparkt!) – alle anderen können es für zehn Euro pro Tag ausleihen – sowie zwei Mini. Reservieren allerdings geht nicht, hier lautet die Devise „Wer zuerst kommt, fährt zuerst!“
Tapas im Glas
Aber warum wegfahren? Zum einen befindet sich das “Royal Bavarian” in quirligster Innenstadtlage, zur Fußgängerzone Richtung Marienplatz sind es nur ein paar Gehminuten. Und zum anderen kann man sich auch im Haus selbst gut aufhalten. In der Zirbenholzsauna im 4. Stock, dem kleinen Fitnessraum oder in der Orangerie neben dem „Neni“. In diesem Tagesbarbereich lässt sich in lockerer Atmosphäre entspannen oder arbeiten. Sympathisch: Das Gratiswlan heißt „25hours loves you“.
Wenn es jetzt noch mit der Dachterrasse geklappt hätte! Aber da wollte die Stadt nicht mitspielen. Doch die „Boilerman Bar“ ist ein mehr als tröstlicher Ersatz. Nicht zuletzt, da Jörg Meyer, der mit dem Hamburger Bar „Le Lion“ eine der 50 besten Bars der Welt betreibt, eine legere Hotel-Bar geschaffen hat. „Wir wollen das Konzept Hotelbar neu denken, einen coolen Ort kreieren, very laid back“, sagt Meyer.
Royal Bavarian, mit königlich-schottischer Note
Dafür sorgen auch eine beachtliche Whiskey-Auswahl sowie Highballs, die Meyer als „Tapas im Glas“ beschreibt. „So kann man am Abend mehrere kleine Cocktails probieren, da keiner zu wuchtig ist.“ Die Short Drinks kommen mit golfballgroßen Eiswürfeln zum Gast, der, wenn er zwecks Raumüberfüllung nicht gerade im Übergangsbereich zur Rezeption unterkommt (wobei die Kutsche vor den Hotelmanager-Porträts im Stile bayrischer Monarchen sowie dem XL-Kunstschwan eine beliebte Sitzgelegenheit darstellt), unter Kronleuchtern in Samtsesseln Platz nehmen und in den Bildbänden (auch über Bayern) schmökern kann.
“Try me, I’m not a bible”
Bücher spielen auch in den 165 Zimmern des “Royal Bavarian” eine Rolle. So steht das Bett in der „Dienstbotenkammer“ – unterste von fünf Kategorien und mit clever aufgeteilten 18 Quadratmetern dennoch ausreichend für Kurzaufenthalte – (solide) auf Literaturwälzern. In der Nachtschüssel daneben liegt „Der große Polt“. Allein schon die Banderole „Try me, I’m not a bible“ sitzt. Das gilt auch für Sinnsprüche wie „I am a monster“, klingt doch viel lustiger als „Bitte nicht stören“.
Überhaupt: Wohin man blickt, Schmunzeldetails: Klorollen im Schuhspanner, ein stylisches Bügelbrett als Ablagefläche, auch für das Retrotelefon, das mit neuester Technik bestückt ist. Der Fernseher versteckt sich hinter einem Vorhang, der Spiegel über dem Waschtisch ist auf einem Brotbrett angebracht, der Kleiderschrank von einer Tür mit Hasengitter verschlossen. Auf der Toilette findet sich hoteleigenes Feuilleton, auf dem Bett ein Stofftier.
Schwäne im Bett
„Jedes ,25hours’ hat ein Schlaftier. In Hamburg etwa ist das ein Schaf“, so Mona, „hier eben der Schwan“, Markenzeichen von König Ludwig II. Das findet sich auch in den anderen Zimmerkategorien. Und auch die dunkleren, gediegeneren Herrschaftszimmer mit ihren dezenten Jagdmotiven und die feminineren, beerigfarbenen Adelsgemächer sowie die beiden Suiten sind gemütliche, vom Stil der Jahrhundertwende inspirierte Rückzugsorte mit einer Reihe zeitgemäßer Accessoires.
Dazu zählen auch die coolen Boomboxen. Da genießt man nicht nur den Sound, sondern auch das Vertrauen, dass niemand die Bluetooth-Lautsprecher abstöpselt und mitgehen lässt. Vertrauen haben Denis Mair und sein Team auch in die Lage des nicht ganz unproblematischen Hauptbahnhofviertels. Doch bislang gab es keine Probleme mit alkoholisiertem Nachtvolk und eine dezente Security sorgt dafür, dass es auch so bleibt. Außerdem wird durch so ein Hotel ja das Viertel auch aufgewertet, nicht zuletzt durch die einheimischen Gäste in der „Boilerman Bar“ und im „Neni“.
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Wir haben da was, zum Beispiel in New York oder auf Kreta …
“Royal Bavarian”
INFOS “THE ROYAL BAVARIAN”
Bahnhofplatz 1, München, DZ ca. 150 Euro, Frühstücksbüfett ca. 25 Euro extra, 25hours-hotels.com, nenimuenchen.de, einfach-muenchen.de
Fotos: © Steve Herud