Die zwischen Schottland und Irland liegenden Inseln Islay und Jura zählen immerhin 10 bekannte Whisky- und eine neue Gin-Destillerie
Der Himmel über Finlaggan trug dunkle Wolken, als Somerled, the King of the Isles, im Spätwinter 1164 in voller Kampfrüstung auf die Holzplanken seines Langschiffes sprang. Kurze Zeit später tauchten 30 Ruder gleichzeitig in die See, das Rahsegel wurde aufgezogen und blähte sich im Wind. Als sich Somerleds Schiff einige Tage später dem schottischen Festland näherte, folgte ihm eine Flotte von 163 Booten, besetzt mit 15.000 Männern, die auf reiche Beute aus waren.
Somerled hatte geschafft, was vor ihm viele versucht, aber niemand erreicht hatte: Mit seinen Langbooten beherrschte er die Hebriden und das Meer zwischen Schottland und Irland. Er war weder dem schottischen noch dem norwegischen König Untertan. Durch geschickte Kriegsführung und strategische Hochzeiten hatte er Unabhängigkeit erlangt. Sein Machtzentrum war die Insel Islay.
Loch Finlaggan. See mit Historie
Februar, 856 Jahre später. Zwischen Wiesen und Schilf schlängelt sich der Pfad von einer Anhöhe hinunter zum Loch Finlaggan und führt dann über eine Holzbrücke auf die Insel Eilean Mor. Ein stürmischer Wind wühlt das grau-blaue Wasser des Sees auf und treibt Regenschleier über das Land. Von der Bedeutung Finlaggans im Mittelalter zeugen heute nur noch einige Mauer- und Grabreste, trotzdem wohnt dem Ort eine besondere Stimmung inne.
Manche vermuten hier einen spirituellen Ort. Fundstücke zeigen, dass die Insel bereits in der Eisenzeit besiedelt war, später wurde ein Kloster gebaut, und zu Somerleds Zeit entwickelte sich Finlaggan auch zum administrativen Zentrum der Hebriden und der schottischen Westküste. Somerled nannte sich Ri Innse Gal, gälisch für King of the Isles, spätere Inselherrscher firmierten als Lord of he Isles, manche als Lehnsmänner norwegischer, andere schottischer Könige, manche wechselten mehrmals die Seiten.
Islay. Whisky-Tradition seit dem 14. Jahrhundert
Die Bedeutung Islays schwand über die Generationen, die Insulaner lebten vom Fischfang, von extensiver Landwirtschaft und Schmugglerei. Islay geriet in Vergessenheit, aber irische Mönche erkannten im 14. Jahrhundert, dass die Insel gute natürliche Bedingungen für das Whisky-Brennen bot. Weiches Wasser aus Lochs und Bächen stand ausreichend zur Verfügung, und die Inselbewohner bauten „bere“ an, den Vorläufer heutiger Gerste. Genügend brennbares Material bildeten die großen Torfvorkommen, die das Beheizen der Brennblasen und die Trocknung des feuchten Malzes ermöglichten und noch heute den charakteristischen rauchigen Geschmack einiger Islay-Whiskys wie dem Octomore von Bruichladdich oder den Ardbeg An Oa geben.
Auf schmalen Landstraßen zur Rhinns of Islay
Schmale, von Steinmauern und Hecken gesäumte Landstraßen führen von Finlaggan im Norden Islays zum Loch Indaal und an weiß getünchten Gebäuden der Whisky-Destillerien Bruichladdich und Bowmore vorbei. Dann steigt die Straße an und schlängelt sich vorbei an einsamen Cottages zwischen Wiesen, auf denen Grau- und Schneegansscharen lagern, auf die Halbinsel Rhinns of Islay. Bei gutem Wetter soll von hier aus Irland zu sehen sein, aber diesem Februartag liegt nichts an Aussicht. Im Süden befindet sich die kleine Kilchoman-Destillerie, auf einem Hügel gegenüber steht ein Steinhaus inmitten einer Schafherde. Drei Kilometer weiter ist die Straße zum Feldweg geworden und endet kurz danach auf einem Parkplatz zwischen Sanddünen. Dahinter liegt der lange Sandstrand der Machir Bay.
Machir Bay. Sanddünen bis zum Horizont
Auf einem Dünenkamm setze ich mich. Der Strandhafer piekst zwar durch die Hose, aber der Anblick des Atlantiks lässt das vergessen. Unablässig schiebt er unter mir Wellenberge an den Strand, das Rauschen der Brandung liegt wie ein Tonschleier über allem. Möwen segeln vor dunklen Wolken hinaus aufs Meer, die Luft ist feucht und riecht nach Salz. Regen kommt und geht, schließlich wird es im Osten dunkel. Zeit für einen Dram.
Portnahaven. Der Pub als Wohnzimmer
Ganz im Süden der Rhinns of Islay schmiegen sich die Häuser von Portnahaven in die Hügel oberhalb des Hafens. Ein alter Land Rover knattert durch die Dorfgassen, aus einigen Fenstern fällt warmes Licht. Ein Mann in Gummistiefeln, Wollschiebermütze, Wachstuchjacke und windiger Schlafanzughose führt seinen Hund Gassi.
Unten, nicht weit vom Hafen, dringt Musik auf die Straße. Der Pub An Tigh Seinnse sieht von außen wie ein Wohnhaus aus, besteht aus einem Zimmer und führt eine gute Auswahl Spirituosen. Dram wird ein kleines Glas Whisky genannt, aber ein Dram kann auch je nach Ort und Laune variieren. Im An Tigh Seinnse jedenfalls wird gut eingeschenkt. Der Schrankraum ist schmucklos, einige Bilder, die hüfthohe Holzvertäfelung mit Abstellflächen für Gläser, verschrammelte Tische und Stühle und die schmale Theke bilden die Einrichtung. Im Flatscreen läuft der „Seventies Saturday“, Regen prasselt an das Fenster, während es die Frauen am Nebentisch sehr lustig haben und Barry Manilow „Copacabana“ trällert.
Die meisten Touristen auf Islay trinken ihre Drams in den Besucherzentren der neun Whisky-Destillerien und sorgen in den angeschlossenen Shops für gute Umsätze. Das typisch rauchige, manchmal als torfig beschriebene Aroma der Islay-Destillate ist, anders als früher, längst nicht mehr vorherrschend. Es gibt inzwischen Whiskys für jeden Geschmack, von ölig bis nussig, von süß bis erdig Kombinationen aus allem inklusive.
Bunnahabhain. Asien steht auf Single Malts
„Das Geschäft hat sich geändert, seit die Asiaten unseren Whisky entdeckt haben“, erzählt David, der bei Bunnahabhain die Führungen macht und im Warehouse No.9 Drams ausschenkt. Einige der Single Cask-Abfüllungen seien bereits verkauft, noch bevor sie irgendjemand probiert habe. Das Getränk sei für viele zum Spekulationsobjekt geworden. In diesem Lagerhaus befänden sich 20.000 Eichenfässer und das größte Problem sei es, gute Sherryfässer zu bekommen, die die Destillerien auf Vorrat kauften.
Viele Lagerhäuser seien bis zum Anschlag gefüllt, in Schottland würden im Moment etwa 20 Millionen Fässer mit Whisky gelagert, die Branche produziere am Limit. Und seit einiger Zeit hätten die Destillerien ja auch den Gin wiederentdeckt, der den Vorteil habe, dass er nicht wie der Single Malt drei Jahre gelagert werden müsse. „Fast money“, sagt David, aber wir lassen uns Zeit mit einem 12 Jahre gereiften, rötlich schimmernden, nussig-fruchtigen Dram, während um uns herum Whisky im Wert von Millionen Euro in kühl-feucht-salziger Luft auf seine Abfüllung wartet.
Gin-Startup auf Jura
„Ja, das ist ein Vorteil für uns“, sagt Claire Fletcher, „große Lagerkapazitäten haben wir ja nicht. Und so wird kein Geld gebunden. Wir destillieren, füllen ab, labeln, verpacken und dann verschicken wir.“ Aus 15 einheimischen Kräuter und Pflanzen sowie Alkohol und Wasser besteht ihr Gin, neben Wacholder enthält die Rezeptur unter anderem auch Seegras, Koriandersamen, wilde Minze und Zitronen-Thymian.
Claire und ihre beiden Freundinnen Alicia und Georgina produzieren im Jahr etwa 7.000 Flaschen ihres „Lusso“-Gin – und zwar am Ende der einzigen Straße Juras, einer kleinen, bergigen Insel gegenüber von Islay. Die Fähre über den Sound of Jura braucht 10 Minuten, 250 Einwohner und über 4.000 Stück Rotwild teilen sich das raue Eiland. Wer hier lebt, muss mit sich selbst zurechtkommen.
Claire, eine ehemalige Musikjournalistin aus London, die nach einer Reportage hiergeblieben ist, treffe ich an der Theke des Jura Hotels, als sie bei den Barfrauen Ailsa und Sarah eine Kiste Gin abgibt. „Wir wollten es allen zeigen, die glaubten, drei Frauen könnten doch keinen Gin destillieren. Und auch noch erfolgreich verkaufen“, erzählt sie.
Auch nach fünf Jahren sei das Unternehmen immer noch ein Abenteuer, zumal sie daneben auch noch ihre Familien organisieren müssten. Zusammen gehen sie in die Berge, um Kräuter für den Gin zu sammeln, bauen den Rest in einem Gewächshaus an, destillieren – und das alles in einer Umgebung, die regelmäßig von Stürmen und schlechtem Wetter heimgesucht wird. „Freude ist ein großer Teil unseres Gin-Geschäfts“, erklärt Claire, „zusammenhalten, egal was kommt, und gemeinsam ein Glas Gin mit Rosenblättern genießen.“ Dann ist sie auch schon wieder weg, Zitronen-Thymian ernten.
Und wie ging eigentlich der Kriegszug von Somerled, King of the Isles, an die schottische Küste aus? Dramatisch, wie so vieles in Schottlands Geschichte. Er soll, nachdem er auf dem Festland gelandet war, von einem Neffen verraten und umgebracht worden sein. Seine drei Söhne teilten den Besitz auf und trugen Somerleds Blut weiter. Umfangreiche DNA-Studien legen nahe, dass heute etwa 500.000 Menschen von ihm abstammen. Darauf einen Dram, oder Gin. Ganz, wie Sie wollen.
Wer jetzt Lust auf kurvige Straßen bekommen hat, könnte hier fündig werden. Oder wollt ihr vielleicht weiter in den europäischen Norden?
Islay + Jura
INFO ISLAY + JURA
Viele Reiseinformationen zu den Inseln stellt das Schottische Fremdenverkehrsamt zur Verfügung. Visitscotland.com
Anreise
Die Insel Islay erreicht man per Fähre oder Inslandsflug. Zwischen Islay und Jura verkehrt eine kleine Fähre im Pendelverkehr.
Übernachten
Hotel Machrie
Landhausstil auf Schottisch. Das zwischen Sandstand und Golfplatz gelegene Hotel ist das beste am Platz und bietet eine hervorragende Küche aus regionalen Zutaten. Ein Platz zum Wohlfühlen, egal ob in den gemütlichen Zimmern oder vor den verschiedenen im Haus verteilten Kaminen. Hotel Machrie