Die Metropole inspiriert, begeistert – und kann ganz schön feurig sein. Drei Food-Neulinge, deren Gerichte New Yorkern (Freuden)-Tränen in die Augen treiben
Wayan bedeutet „Erstgeborener“ auf Indonesisch und das passt in mehrfacher Hinsicht zum feinen, aber unprätentiösen Neuling in New Yorks quirlig-schicker Nolita-Nachbarschaft. Zum einen ist es Cedric Vongerichtens erstes eigenständiges Restaurant-Projekt (in New York ist er auch Küchenchef im Perry St.), zum anderen die erste Kollaboration mit seiner Frau Ochi Vongerichten.
Wayan: Indonesische Aromen, französische Techniken
Und, nicht zu vergessen: Der 39-Jährige ist selbst Erstgeborener und zwar der US-Kochlegende Jean-Georges Vongerichten. Keine einfache Kochbürde, die Vongerichten Junior mit beeindruckender Lässigkeit trägt. Das „Wayan“ wirkt nicht wie ein Versuch, sich von Papa Jean-George abzusetzen – sondern wie ein weiteres Herzensprojekt der Familie Vongerichten, nun eben in zweiter Generation.
Geboren in Bangkok, aufgewachsen in New York, ausgebildet in internationalen Sterne-Küchen: Im Wayan verschmelzen mehrere von Cedric Vongerichtens Welten. Im Design bedeutet das: Bali-Resort-Schick trifft auf New Yorker Trendbewusstsein, wenn ein penibel arrangierter Pflanzen-Dschungel von der Decke über die Marmorbar rankt. Beim Essen heißt es: Indonesische Aromen treffen auf französische Techniken.
Vongerichtens Ode an die Heimat seiner Frau beginnt simpel, aber aromatisch mit einem Jakarta-Grundnahrungsmittel: Satay-Spieße (Hähnchen, Schwein, Garnelen), hier wegen strikter New Yorker Feuerregulierungen auf einer Plancha statt auf dem Grill gebrutzelt. Die delikaten Soßen von Erdnuss über Dabu-Dabu bis zu Chili-Soja verwandeln das Ensemble in eine Art Bali-Ragout am Stiel – butterweich, perfekt ummantelt und mit feurigem Schärfe-Kick.
Schlürfen? Aber gerne!
Ein Highlight ist die javanesische Ochsenschwanzsuppe. Reich an Rindfleisch und Zimt, heben Zitronengras und Koriander die Brühe auf eine frühlingshaft leichte Ebene – aber nicht ohne auf der Zunge zu bitzeln. Wer die letzten scharfen Reste direkt aus der Schüssel schlürft, wird ein zustimmendes Nicken der Kellner ernten.
Überhaupt möchte man ständig den Finger einmal über den Teller ziehen, beispielsweise um die letzten Tropfen der Tamarind-Soja-Glasur der kross angebratenen Spareribs aufzufangen oder das gelbe Curry aus Kokosmilch, Kurkuma und Zitronengras unter den knusprigen Hähnchenschenkeln zu retten. „Nur zu“, lacht Ochi Vongerichten später bei ihrem Rundgang durch den schummrig-gemütlichen Raum, „in Indonesien würde das jeder tun.“ Na dann.
Brooklyn. Authentisch thailändisch: Ugly Baby
Eines vorweg: Das Essen im „Ugly Baby“ ist scharf. Das Schärfste, das man in Brooklyn derzeit auf dem Teller haben kann, was an den simplen Holztischen zu fast komödiantischen Einlagen führt: glasige Augen, rote Bäckchen, kollektive Schnappatmung, Schenkelklopfer, bisweilen erklingen „Ohs“ und „Ahs“. Das Schauspiel wiederholt sich bei jedem Gang der authentisch-thailändischen Kost von Chefkoch Sirichai Sreparplarn. Und alle wollen mitmachen!
Beststimmung mit Gitarren-Mucke
Denn auch wenn jedem die Chilischoten auf der Zunge herumtanzen: Die Stimmung im „Ugly Baby“ könnte nicht besser sein. Aus den Boxen wummert energetischer Gitarren-Pop, die Köche singen in der offenen Küche, die Gäste schnippen ausgelassen mit. Durch den schmalen Raum schwebt eine duftende Koriander-Tamarinden-Wolke sowie eine Brise Triumph, nach einer Stunde Wartezeit an einem der 25 Tische des hoch gehypten Restaurants zu sitzen. Reservierung? Negativ.
Dabei ist das „Ugly Baby“ keines der schicken Upscale-Restaurants für New Yorks Power Banker. Ganz im Gegenteil: bodenständig, authentisch und kreativ wirkt es eher wie ein Treff für die Kreativen der Metropole. An der Wand tanzt eine Explosion aus grellen Farben à la James Rosenquist, auf den Tellern versammelt sich ganz Thailand mit regionalen, kräftigen Gewürzkombinationen. Alles wird geteilt, das meiste mit den Fingern gegessen.
Diese Schnappatmung, herrlich!
„Fangen wir im Norden an“, sagt Tom, wie alle Kellner hier gekleidet in einem quietschigen Outfit aus Neon-Cartoon-T-Shirt, Jeans, Sneakers und Baseballkappe. Kao Tod Nam Klook, laotisch angehaucht, ist ein Berg aus knusprigem Reis mit krossen Schweinehaut-Häppchen, Erdnüssen und Chili, der in Salatblätter gewickelt wird. Schärfegrad: glasige Augen.
Tom Som Pla Kra Pong, die herzhafte Tamarinden-Brühe mit Schnapperfilets und Ingwerstreifen ist ein Rote-Backen-Zwischenstopp aus dem Süden, bevor man sich den gegrillten Garnelen (Schenkelklopfer) zuwendet und entgegen jeder Vernunft Kua Kling bestellt, auf der Karte mit „brutally spicy“ versehen. Trotz Schnappatmung: Das trockene Rindfleisch-Curry ist so delikat, dass man schlichtweg nicht aufhören kann. Gelöscht wird mit Wein, die Auswahl an deutschem Riesling ist beachtlich!
Übrigens: Ein Baby als hässlich zu bezeichnen, bringt in Thailand Glück – so sollen die bösen Geister getäuscht werden, die ein „hässliches“ Baby laut der Legende in Ruhe lassen.
Crown Shy: Genuss-Oase im Bankenviertel
Art Deco in der Lobby, Geschmacksexplosionen auf dem Teller: New Yorks Financial District hat einen neuen Power-Player. Und der gibt sich bescheiden: Mitgerissen vom Schnellschritt der Wall-Street-Broker prescht es sich leicht am Crown Shy vorbei. Hier unten, an der Spitze Manhattans, sind die Straßen eng, die Hochhauskluften schwindelerregend und die Eingänge unauffällig – die Lobbys dafür aber oft umso pompöser.
Und so breiten sich hinter der schlichten Glastür von 70 Pine Street plötzlich weite Gänge aus poliertem Marmor aus, die Wände schimmern in Goldtönen: New Yorker Art Deco vom Feinsten. Hat uns die Drehtür ins Jazz Age zurückkatapultiert? Erst das lässige Outfit aus weißen Designer-Sneakers und schwarzem Wallekleid der Dame am Reservierungs-Desk verweist auf die Realität.
Nach dem Marmor-Overload wirkt die schlichte Eleganz von „Crown Shy“ in Braun-, Creme- und Weißtönen geradezu beruhigend. Schnickschnack ist nicht: Hohe Decken, riesige Fenster, davor helle Lederstühle und moderne Granittische mit viel Abstand garantieren Businessleuten wie Schwerverliebten Privatsphäre.
Zum Auftakt erfrischt ein Pisco Crown mit Passionsfrucht, Aperol, Anis, Rosé und Champagner. Ein Vodka Crown mit Estragon und Gurke passt zum schörkellosen Ambiente. Die Cocktails sind crisp statt süß, die Preise erschwinglich statt überzogen und das Menü von Chefkoch James Kent (Eleven Madison Park, NoMad) unprätentiös statt überladen – aber immer überraschend. Und vor allem immer gut würzig.
Schick auf dem Teller, crazy auf der Zunge
Dabei wirken die Gruyere-Fritters mit ihrer Chili-Senf- und Limetten-Bestäubung auf den ersten Blick fast dröge: Bis sich beim ersten Bissen die warme, würzige Käsefüllung im Mund ausbreitet und mit dem Chili-Kick verschmilzt. Ähnlich ist es mit dem Humus aus weißen Bohnen. Die seidige Konsistenz ist fluffig und pur, bis der Streifen feuerrotes ’Nduja den perfekt-würzigen Knalleffekt im Mund auslöst.
Ein traumhaft saftiges Schweinekotelett katapultieren Chicharrón-Splitter und asiatische Birnenwürfel zum pikanten Must-Have. Und dann ist da noch der in Zitrus marinierte, gegrillte Hühnchenschenkel, dessen Kralle theatralisch über den Tellerrand ragt. Die fruchtig-scharfe Habanero-Sauce kreiert einen geschmacklichen Wow-Effekt. Den hatten wohl auch die Michelin-Guide-Tester, die Crown Shy flugs mit einem Stern belohnt haben.
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New York
INFO NEW YORK
Restaurants
Wayan – 20 Spring St., Manhattan; wayan-nyc.com
Die Atmosphäre hat einen Hauch Dschungel, das Aroma indischer Gewürze empfängt einen bereits an der aufwändig geschnitzten Holztür. Zum Auftakt an der Bar einen Yuzu Fizz bestellen.
Ugly Baby – 407 Smith Street, Brooklyn; www.uglybabynyc.com
Auch wenn die Kellner eher wie Graffiti-Künstler oder DJs aussehen: Man kennt sich aus – mit den Gewürzen, kleinen Geschichten zu den jeweiligen Gerichten und dem passenden Wein. Wer hätte gedacht, dass ein grüner Veltliner perfekt zum feurig scharfen Rindfleisch-Curry passt?
Crown Shy – 70 Pine Street, Manhattan; crownshy.nyc
Eine Prise 20er schwingen im elegenten Design von Bar und Restaurant mit. Unbedingt als Desert Satsuma Orange Ice Cream mit Honig und toasted Marshmallow bestellen – ein delikat-dekadenter Abschluß.
Übernachten
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