„Adults only“ klingt nach Balzschuppen, „Sepp“ nach Holdriöh. Doch das gleichnamige Ü21-Hotel ist weder das eine noch das andere…
Manchmal wünscht man sich einfach gern Ruhe. Vielleicht auch von den eigenen Kindern, von fremden sowieso. Das im Sepp(!)tember 2018 eröffnete Hotel „Sepp“ im salzburgischen Maria Alm ermöglicht diese Art Erholung und legt bezüglich des leidenschaftlich diskutierten Megatrends der boomenden Erwachsenenhotels noch eine Schippe drauf.
Statt 16 oder 18 müssen die Gäste hier nämlich mindestens 21 Jahre alt sein. Warum das? Zum einen liefert man so einen weiteren USP und mit der unterschwelligen Provokation „Mit 18,19 sind die meisten doch noch postpubertär“ die Grundlage für Gespräche mit anderen Gästen. Damit diese nicht zu sehr in ihre Pärchenblase eintauchen, sondern sich gemäß dem Hausmotto „gemeinsam mittendrin“ auch kennenlernen, sorgen offene Treffpunkte und ein kommunikatives Konzept für viele Begegnungsmöglichkeiten.
Auf den ersten Blick
Inhaber und Namensgeber „Sepp“ Schwaiger ist neben seiner Tätigkeit als Hotelier (er betreibt auch das nahe Traditionshaus „Eder“) auch noch Architekt und hat das Hotel – Grundidee: was Eigenes, was ganz anderes schaffen – selbst entworfen. So baute der Enddreißiger am Ortsrand des nicht zuletzt dank Gondelneubau und der für Furore sorgenden „Tom Almhütte“ florierenden 2.000-Einwohner-Ortes Maria Alm ein komplett neues Haus, das aber dank teils uralter Schindeln an der Außenfassade auf alt macht.
Passt sich gut in die Nachbarschaft ein, nicht zu protzig, nicht zu klein – und dennoch verrät bereits der neonrote Namenszug, dass es hier anders zugeht. Das bestätigt sich rasch im Innern. Statt Lobby und Rezeption warten im Treppenhaus nur ein alter Kaugummiautomat (falsche Fährte!) und ein bikekompatibler Aufzug, der dank Filmanimation wie eine Gondelfahrt wirkt.
Im dritten Stock offenbart sich dann das Herz des familiär geführten Hauses: Der sogenannte Dachboden, mit angenehm knarzenden Dielen und viel (Alt-)Holz versehen, ist Anmelde-, Ess-, Trink- und Lümmelraum in einem. Hier wie überall wirkt zwar alles alt, pardon retro, ist aber topmodern und lässt das Hotel Sepp wie einen Alpen-Ableger der „25hours“-Hotels erscheinen.
Was ist das Besondere?
Ü21 – allein das impliziert, was nicht da ist: Hochstühle, Pommesreste am Büfett , Gejohle am Pool. Was nicht bedeutet, dass nicht dennoch Gesellschaftsspiele gespielt werden oder Gäste in Bademänteln an der XL-Bar postpubertär herumalbern. Laute Partynächte oder anrüchiges Ambiente muss aber keiner fürchten. Das Haus legt Wert auf Stil. Unter dem Claim „luxury with a twist“ versteht man aus Lederhosen gefertigte Loungebezüge, trendige Hutschn-Schaukeln auf den Balkonen und Plattenspieler mit Sound von Herbert Pixner, der traditionelle Alpeninstrumente mit aktuellen Beats kombiniert.
So schläft und wohnt man
Die 40 Zimmer teilen sich in fünf stark unterschiedliche Kategorien auf. Manche kompensieren üppige Zimmergröße mit einer ausziehbaren Kino-Leinwand, andere bestechen mit viel Holz, wieder andere mit Schaukeln auf dem Balkon oder freistehenden Wannen im Zimmer. Die „Sporty“-Version verfügt über einen eigenen Bike- respektive Ski-Stauraum, der – Poseralarm! – vom Flur einseh- und sogar beleuchtbar ist.
Geschmackssachen
Langschläfers Paradise! Bis 13 Uhr stehen rund um die Bar alle nur erdenklichen Schmankerl bereit – inklusive frisch gekochten Eierspeisen und Pancakes von der Live-Cooking-Station. Eine separate Mittagskarte gibt es aber ebenso wenig wie Nachmittagssüßkram oder Dinnervielfalt. Was es gibt: Themenabende, mal österreichisch, mal nepalesisch, mal italienisch. Das verbindet, schränkt aber auch ein.
Wer partout keine Lust auf Burger hat, muss sich Alternativen außer Haus suchen. Üppig fällt hingegen das Getränkearsenal aus. Gösser ließ sich fürs Hotel Sepp sogar ein eigenes Bier einfallen, Wein-Guru Leo Hillinger entsprechende Signature-Tropfen, dazu gibt es Gin und Birnenschnaps im allerorts häufig verwendeten CI in altdeutscher Typo.
Was uns am Hotel Sepp besonders gut gefällt
„Sepp“ ist in mancherlei Hinsicht radikal: Nicht nur auf minderjährige Gäste wird verzichtet, sondern auch auf Speisealternativen (siehe oben), Telefone im Zimmer und standardmäßige, eingeschweißte Badeschlappen (auch an anderen Stellen wird versucht, Müll zu vermeiden und Energie zu sparen). Statt Zimmerkarten zum Einstecken sorgen nostalgische Hauptschalter für Strom, coole Spinde für Stauraum und abgefahrene Lampen für Licht.
Richtig hell ist es im Atrium. Unter den Blättern eines acht Meter hohen Olivenbaums können es sich die Gäste auf Holzflächen gemütlich machen. Sanftes Vogelgezwitscher, das selbst in der Nacht leicht zu hören ist (und für Verwirrung sorgen kann), rundet das Indoor-Naturerlebnis ab.
Ideal für …
Klar, Familien stehen hier auf der Black List, aber Eltern ohne Kinder gehören ebenso zur Hauptzielgruppe wie kinderlose Paare oder kleine Freundesgruppen, die auch Gesellschaft vertragen und offen sind für Aktivitäten aller Art. Biketrails und Wanderwege starten ums Eck, zum Lift – dem Einstieg in die prämierte Königstour am Höchkönig – sind es drei Gehminuten. Spezielle Events wie Oldtimertreffen und Weinverkostungen ziehen freilich auch ein spezielles Klientel an.
Sauna, Pool, Spa?
Zwei Saunas, ein 32-Grad-Infinityaußenpool, ein Massageraum: Das Angebot ist nicht üppig, aber alles andere als von der Stange. Besonders spacig wirkt der silberne, im wahrsten Sinne überragende Airstream am Dach. Das US-Kultwohnmobil dient als Relax Lounge – Blick auf das Steinerne Meer und den Hausberg Natrun inklusive.
Die kleinen und größeren Haken
Cocooning-Fans, die am liebsten drei Tage nicht aus dem Haus gehen, sollten sich etwas anderes suchen. Dazu ist weder das Wellness- noch das Restaurantangebot groß genug, doch Sport-, Kulinarik- und Wellnessabwechslung gibt es reichlich und in Fußnähe – schließlich ist das vitale Ortszentrum nicht weit. Noch näher liegt die am Hotel vorbeiführende Bundesstraße. Dass die bodenlangen Fenster von außen nicht einsehbar sind, muss man erst verinnerlichen.
Auch andere Regionen haben schöne Hotels. Zum Beispiel Südtirol – oder Achenkirch in Tirol.
Hotel Sepp
INFO HOTEL SEPP
Übernachtung und All-you-can-Brunch sind ab rund 100 Euro pro Person zu haben. Halbpension wird gar nicht erst angeboten, als Alternative zum 30-Euro-Pauschalpreis für das thematische 5-Gänge-Menü locken Rabatte im „Eder“ – aber nur, wenn man für die ganze Woche „durchbucht“. edersepp.com
Fotos © Hotel Sepp