Wer Skåne im Winter bereist, kommt schnell zur Ruhe. Lange Sandstrände, Kiefernwälder und Städte wie Helsingborg liegen unter einer feinen Schneedecke. Zu entdecken gibt es genug.
Wer kennt sie nicht, diese leichte Unsicherheit. Wenn man sich auf Reisen befindet, sich fremd fühlt und erst mal im Hintergrund bleiben will. Wem dieser Gedanke bekannt vorkommt, der sollte direkt nach der Ankunft in Skåne, der südlichsten Provinz von Schweden, zu Anita in ihr Lokal „Anita på Börringekloster“ fahren.
Weihnachtliche Speisen und Getränke
Bereits bei der Begrüßung stellt sich eine Entspannung und Vertrautheit ein, die die folgenden Reisetage anhalten wird. Nicht nur sprechen dort alle ganz selbstverständlich Englisch, sondern es wird mit Begeisterung reagiert, nachgefragt und erklärt.
Denn woher sollte man sonst wissen, was Julmust ist. Ein süß-herbes, leicht sprudeliges Getränk, die klassische schwedische Weihnachtslimonade. Und man könnte auch nicht sagen, ob man ein „Vörtbröd“ probieren wollte, ein in der Weihnachtszeit gereichtes Brot, das geschmacklich an Lebkuchen erinnert.
Mit regionalen Produkten überregional erfolgreich
Anita serviert das und noch vieles mehr in ihrem Restaurant. Es befindet sich im umgebauten, ehemaligen Stall des Börringekloster, einer Priorei aus dem 12. Jahrhundert, nur 20 Kilometer von Malmö, der Hauptstadt von Skåne, entfernt.
Anita versprüht Freude und Elan und hat es mit ihrer Küche zu überregionaler Bekanntheit geschafft. Gekocht wird überwiegend vegetarisch, mit saisonalen und regionalen Zutaten. „Unkraut ist zum Essen da“, sagt sie und erzählt, dass sie selbst jetzt im Winter regelmäßig in der Umgebung zum Pflücken und Sammeln unterwegs sei. Dann stellt sie mehrere Gerichte und Getränke zum Probieren auf den Tisch.
Veganer Hering und „Unkraut-Shots“
Die nächsten Minuten werden zum kulinarischen Crashkurs und Augenöffner: der vegane „Hering“ aus Pilzen ist deftig und sprüht vor Umami, dazu passt das knusprige Hanf-Knäckebrot. Der Grünkohlsalat mit Äpfeln ist voller Frische mit einem Hauch von Säure. Der Brennnesselkuchen mit Linsensahne schafft eine gute Unterlage für die hausgemachte Grütze aus schwarzen Apfelbeeren, Kirsche, Blau- und Preiselbeeren.
Es geht weiter mit Anitas „Special Shots“, zum Beispiel dem „Rödklövershot“ aus fermentiertem Rotklee. Der erinnert entfernt an Sauerkraut in flüssiger Form, ist allerdings noch saurer, eher wie Essig und im Abgang am Gaumen metallisch. „Entzündungshemmend und gut bei Hitzewallungen“, erklärt Anita. Danach noch ein „Maskrosshot“ aus fermentierter Löwenzahnwurzel, ein Schluck Bitterstoff mit minimaler Süße, der Nieren, Leber und den Magen stärken soll. „Wichtig gerade rund um Weihnachten, wenn du viel isst und trinkst, und denk auch an Hagebutte, du brauchst Vitamin C“, sagt Anita.
Während ihrer Krebserkrankung hatte sie die Ernährung umgestellt, sich mit den Erkenntnissen von Hildegard von Bingen auseinandergesetzt und nach Überwindung der Krankheit den Entschluss gefasst, ihr Wissen Anderen kulinarisch nahezubringen. Sie gibt deshalb Kochkurse und arbeitet an einem Kochbuch mit „Unkraut“.
Skåne im Winter: Schneeflocken bis Helsingborg
Aufgeputscht durch Anitas gute Laune und ihre Unkraut-Shots fliegen die knapp 100 Kilometer auf der Landstraße nach Helsingborg nur so dahin. Dunkelheit hat sich über die südschwedische Winterlandschaft gelegt, im Schein der Autoscheinwerfer tanzen Schneeflocken, in den vorbeiziehenden Ortschaften leuchten die Lichter gemütlich aus den Fenstern. Jetzt, Mitte Dezember, stehen festlich geschmückte Weihnachtsbäume in den Vorgärten.
Schweden-Dänemark im Halbstundentakt
Helsingborg ist die zweitgrößte Stadt der Provinz Skåne, liegt an der engsten Stelle des Öresund und direkt gegenüber dem dänischen Helsingør. Zwischen den Städten pendeln Fähren im Halbstundentakt, Arbeitskräfte nutzen sie wie Andere die U-Bahn.
Mit Karacho schießt die hell erleuchtete Fähre ins Hafenbecken, aber die Möwen auf den Landungsbrücken bleiben trotz des schwimmenden Monstrums sitzen. Im letzten Moment öffnet sich die Frontklappe, dann knallt Metall auf Gummipolster, kurz danach rollen die ersten LKW an Land, strömen Fußgänger zum Fährterminal das gleichzeitig Bus- und Zugbahnhof ist.
Beeindruckende Brückenarchitektur
Von der südlichen Seite des Terminals aus überspannt seit September 2022 die elegant geschwungene Varvsbron („Werftbrücke“) einen Teil des Hafenbeckens und verbindet die Innenstadt mit dem neu geschaffenen Stadtviertel Oceanhamnen. Aus den Wohnlofts und hell erleuchteten Büros in moderne Architektur muss man fantastische Blicke auf den Öresund und die Altstadt von Helsingborg haben. Im Erdgeschoss eines der Hochhäuser liegt der Benchwarmers Taproom.
Zeit für ein Bier
Benchwarmers braut Craft Bier in Helsingborg und beliefert ganz Skåne, im Taproom gibt es neben den malzigen Getränken eine kleine Auswahl großartiger Pizzen. Zu lässigem West-Coast-Sound gucken gemalte Kraken und Flamingos den Gästen über die Schulter, während junge Männer mit Bart, Basecap und langen Haaren die Bier-Flights heranschaffen.
Benchwarmers steht für starken Geschmack, wie wäre es also mit einem „Fjäll“, einem fruchtigen Sauerbier mit Noten von Mango, Passionsfrucht und Ananas. Von der Komplexität her eher Cocktail als Bier. Und am anderen Geschmacksende das „Classic Porter“, ein dunkles, rundes Bier mit leichter Mokkanote und dichtem Schaum.
An der Küste Wandern
Skåne hat eine lange Küstenlinie und Helsingborg liegt am südwestlichen Ende der Halbinsel Kullen, die auf dem 70 Kilometer langen Kullaleden-Wanderweg umrundet werden kann. Proviant in Form von hausgemachten, vegetarisch belegten Broten gibt´s im Café Vismarlöv in einer der kopfsteingepflasterten Altstadtgassen.
Dann fährt man mit dem Bus ins 20 Kilometer entfernte Dorf Viken und spaziert von dort auf dem Wanderweg immer der Küste entlang Richtung Süden. Rechts glitzert das Meer in der Morgensonne, hinter der Kaimauer schaukeln Segelboote im Winterschlaf, links stehen bunt gestrichene Häuser mit Panoramafenstern.
Winterwonderland Skåne
Über Nacht hat es noch etwas mehr geschneit und nun liegt Skåne unter einem weißen Teppich. Hinter dem Dorf Viken läuft der Weg zwischen Kiefern und Birken, an Hagebuttensträuchern hängen orangefarbene Früchte.
Die meisten sind saftig und erstaunlich süß, kein Wunder, dass Anita von ihnen schwärmte. Die nächsten Kilometer bestehen aus frischer Seeluft, in der Wintersonne funkelndem Schnee und Kiefern, die im Gegenlicht wie japanische Scherenschnitte wirken.
Auf dem Öresund ziehen Frachter dahin, am Strand führt ein dick vermummtes Paar ihren Pudel aus. Einige Kilometern später ist es Nachmittag geworden, Mütze und Handschuhe sind schon lange im Rucksack verstaut.
Blick von Skåne nach Dänemark
Die Küste macht einen Bogen, und am Horizont sind bereits die Häuser von Helsingborg zu sehen. Der Wanderweg führt einen Abhang hinauf, und von oben ist der Blick über das Meer hinüber nach Dänemark herrlich. Die Silhouette von Schloss Kronborg überragt die Stadt, Shakespeare war von diesem Bau so begeistert, dass er die Handlung von „Hamlet“ dorthin verlegte.
Auf der schwedischen Seite ließe sich das Schloss Sofiero besuchen, es hat zwar nichts mit einem rachsüchtigen Prinzen zu tun, beherbergt dafür aber die bedeutendste Sammlung von Rhododendren nicht nur in Skåne sondern in ganz Europa. Bevor der Wanderweg wieder hinunter ans Meer führt, lässt sich ein Blick auf das Schloss mit seinen Giebeln und Türmen werfen.
Kaltbaden: Typisch Skåne
Kurz vor Weihnachten geht die Sonne in Skåne um halb vier unter, und dazu passend endet die Wandertour nach 20 Kilometern am Pålsjöbaden, einem von drei traditionellen Badehäusern der Stadt Helsingborg. Pålsjöbaden ist ein auf einem Steg ins Meer gebautes, langgestrecktes Holzgebäude mit Saunen, Dampfbädern und Treppen, die ins Meer hinabführen.
„Kaltbaden“, das ist der Clou in Skåne: nach dem Saunagang ins Meer eintauchen, danach noch auf der Terrasse dem Sonnenaufgang hinterherblicken und dann wieder zurück in die Hitze. Denn Schwitzen und Kaltbaden sollte man für den ultimativen, traditionellen Südschweden-Kick dreimal hintereinander. Das ist wunderbar entspannend, wunderbar wohltuend und sehr positiv für die Psyche. Wer überwindet schon den eigenen Schweinehund und geht freiwillig bei einer Außentemperatur von -8 Grad Celsius und einer Wassertemperatur von 3,9 Grad ins Meer?
Eben. Mir gefiel das so gut, dass ich auf meiner Skåne-Kurzreise gleich dreimal Kaltbaden war. Preislich kein Problem, das Vergnügen kostet umgerechnet nur 7 Euro. Und ist ein absolutes Highlight eines Urlaubs in Skåne.
Sandstrände, Kiefernwald und geräucherter Fisch
Dabei hat die Region im Winter noch viel mehr zu bieten, zum Beispiel die menschenleeren Sandstrände rund um Åhus: einsame, sandige Buchten zwischen Kiefernwald, im Wind wiegender Strandhafer und dazwischen bunte Strandhäuschen.
Oder Fisch-Räuchereien wie Björks Fiskbutik & Rökeri am fast 300 Quadratkilometer großen See Ringsjön. Wem nach feinem, eingelegtem Hering, übrigens ein Muss jedes schwedischen Frühstücks, geräucherten Forellen und Lachsen ist, der wird dort fündig.
Vom Kloster zum Schloss
Am Ringsjön liegt auch Bosjökloster, ein weißes Gebäudeensemble, das im 11. Jahrhundert als Benediktinerkloster gegründet und nach der Reformation zum Schloss umgebaut wurde. Mittlerweile wird ein kleiner Teil von ihm von der Familie Bonde bewohnt.
Mit dem Schlossherrn auf Entdeckungstour
Graf Thord Bonde kehrt den Schnee vom Schlosseingang. In Schiebermütze, wattierter Steppjacke, kurzen Arbeitsstiefeln und Cordhose sieht er genauso aus, wie man sich einen Grafen auf seinem Landsitz vorstellt.
Natürlich nicht beim Kehren. Aber: „Wenn du nicht selbst anpackst, bleibt die Arbeit liegen.“ Die nächste Stunde wird ein Parforceritt durch einige Jahrhunderte dänisch-schwedischer Geschichte, gespickt mit persönlichen Anekdoten und herrlich überraschenden Momente, wenn Graf Thord über den „alten Bonde“ spricht, als sei dieser einfach ein netter Opa gewesen, und dazu eben schwedischer König.
Thord erzählt, dass er die Turmuhr in der am Schloss angebauten Kirche jeden Samstag eigenhändig aufziehe. Nun erwarte er aber von der Gemeinde, dass diese endlich eine Automatik einbaue. Er sei schließlich nicht mehr der Jüngste, und wenn er dereinst oben im Turm den Löffel abgebe, dann hätten die wohl ein größeres Problem als heute die klammen Kassen.
Stundenlang könnte man zuhören und dabei mit ihm über das Gelände spazieren: zwischen Rosenbüschen hindurch, unter mittelalterlichen Gewölben und durch zu Bankettsälen umgebauten Stallungen, vorbei an prachtvollen Gemälden Adeliger oder der 1.000 jährigen Eiche. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass einen den Graf beim nächsten Besuch wieder eine Führung gibt, schließlich ist gutes Personal auch in Skåne schwer zu finden.
Tonwaren aus Skåne für ganz Schweden
Das gilt ebenso für das Töpferhandwerk und betrifft auch die Stenkarlsfabrik Wallåkra, obwohl vermutlich jeder schwedische Haushalt mindestens ein Gefäß mit der typisch dunkelbraun schimmernden Oberfläche besitzt. Die Farbe geht auf den besonderen Ton der Gegend südlich von Helsingsborg zurück, der im 18. Jahrhundert entdeckt wurde.
Schweißtreibendes Handwerk mit Tradition
Es ist aber nicht nur die Farbe, sondern auch die Tatsache, dass es nur mit dieser Tonerde möglich ist, bei unfassbaren 1.300 Grad Celsius zu brennen. Dazu wird der haushohe Ofen zunächst über Wochen mit den getöpferten Rohlingen gefüllt und anschließend über mehrere Tage mit insgesamt sieben Tonnen Kohle angeheizt.
Ist es im Ofen schließlich 1.300 Grad heiß, wird Salz in den Ofen geschaufelt. Das Natrium vom Salz reagiert mit dem Quarz der Tonerde und bildet Natriumsilikat, also Glas, und das wiederum bildet die typisch glänzende Glasur der Wallåkra-Töpferware. Die wiederum zur Lagerung von Fisch, Gemüse und Beeren perfekt ist.
Das Befüllen und Befeuern des Ofens ist reine Handarbeit und wird von drei Frauen ausgeführt, die sich dem traditionsreichen Handwerk verschrieben haben. Wer durch Skåne reist, kommt an einem Besuch bei Åsa, Lisbett und Jennifer nicht vorbei, kann an einer Führung teilnehmen, im Laden einkaufen und im Lokal Regionales auf Wallåkra-Geschirr speisen.
Typisch Skåne: Magische Winterstimmung
Der Weg durch den Mischwald im Naturschutzgebiet Forsakar führt einen steilen Abhang hinauf. Die Bäume ringsum erstarrte Gerippe, ihre Äste von einer dünnen Eisschicht überzogen. Rostrote Blätter bedecken den Boden. Auf Felsbrocken und umgestürzten Bäumen wächst Moos. Der Legende nach soll die Gegend von Riesen erschaffen und von Trollen bevölkert sein, die hier ihr Unwesen treiben.
Der Weg endet an einem Vorsprung. Im schmalen Tal darunter rauscht Wasser. Der Bach ein blau-schwarzes Band auf rostroter Fläche. Im einsetzenden Schneefall verschwimmen die Farben zu einem Hauch Pastell.
Noch mehr Schnee haben wir auf einer Saunatour durch Finnland gefunden. Wenn ihr Lust auf die Nordsee im Winter bekommen habt, dann guckt doch auf der Hallig Nordstrandischmoor oder auf Amrum vorbei.
Skåne
Infos Skåne
Weitere Reiseinfos zu Skåne findet ihr unter visistskane.
Anreise
Im Sommer (März-September) fährt der Nachtzug Snälltåget regelmäßig von Berlin und Hamburg direkt nach Malmö. Im Winter sind die Fahrten leider unregelmäßig.
Flüge gibt es von mehreren Städten nach Kopenhagen. Von dort könnt ihr mit dem Zug (Abfahrt Flughafen im 20-Minuten-Takt) über die Öresundbrücke in 20 Minuten nach Malmö fahren und dort ein Fahrzeug mieten.
Übernachten
The Vault Hotel. Hotel in schickem Design in einem ehemaligen Bankgebäude in der Stadtmitte von Helsingborg. Abends und v.a. am Wochenende verwandelt sich die Lobby in eine der angesagtesten Bars der Stadt. DZ ab 239 $. thevaulthotel
Elisefarm. Nahe dem See Ringsjö. Zuerst war der ehemalige Gutshof nur ein Golfplatz, dann kam das Hotel mit Spa dazu. Wochenenddomizil im Grünen mit guter Küche und großem Loungebereich im Country-Stil. DZ ab 120 Euro. elisefarm
Åhus Seaside. Ende 2022 eröffnetes Hotel in skandinavisch-reduziertem Stil direkt am Strand Täppet. Exzellentes Spa mit mehreren Saunen, Dampfbädern und einem heißen Outdoorpool. Sehr gutes Frühstücksbuffet. DZ ab 310 Euro ahusseaside.com