Bei unserer Saunatour durchs verschneite Lappland erkundeten wir das Wesen der Saunakultur – und der finnischen Seele. In den Nebenrollen: delikate Rentiere, Skidoos, Saunawürste und Eisbadelöcher
Saunaregeln?“ Juha, der erste Gastgeber unserer Saunatour in Finnland, starrt mich ungläubig an, grinst dann über das ganze Gesicht. „Meinst du das ernst? Bei uns gibt es keine Regeln. Jeder macht, was und wie er will.“ Juha schüttelt ungläubig den Kopf und schleudert drei Kellen Wasser auf den Ofen. Da geht ein feucht-heißer Sturm durch die alte Sauna mitten im Wald.
Männer, auf nach Finnland!
Sind in Deutschland Saunabesuche meist ein Mix aus Kasernenhof, Sanatorium und Zentralfriedhof, sieht das in Finnland ganz anders aus. Prall. Lebendig. Fröhlich. Und mit kleinem Hicks. In der finnischen Sauna tobt das Leben – eigentlich ist es eine überheizte Kneipe, ein bestens temperierter Salon. Sauna ist übrigens das einzige Wort, das Finnland in die Welt exportiert hat. Im Gegenzug dazu wurden deutsche Begriffe wie Besserwisser und Kitsch importiert …
Wurst und Bier in der Sauna
Man isst Würstchen, trinkt Bier während und nach den Saunagängen. Fröhlich tropft der Schweiß aufs Holz der Bänke, keiner käme die Idee, sich ein Handtuch unter die Füße geschweige unter den Hintern zu legen. Für letzteren tut es ein Stück Wegwerfkrepp. Im vorgelagerten „Ruheraum“ von Juhas Rauchsauna wird laut gelacht, gescherzt, gekalauert, dass die Männerbrüste wippen. Scheiß auf Kontemplation!
Und dann ist da noch das Loch im Eis. Da geht es rein. Eiskalte zwei Grad. Juha, der Besitzer des Hotels „Iso-Syöte“, und die anderen sollen keinen Grund haben, über uns zu lachen. Also rein in die Eisbrühe, sich prustend in die Brust werfen und beschwören, dass das Ganze gar nicht sooooo kalt sei. Und zehn Sekunden länger drinbleiben …
Artgerechte Männerhaltung: Grillwurst und Bier
Juha hat schon in der Früh um acht mit dem Beheizen seiner Rauchsauna (=Savu-Sauna) begonnen, eine Tonne Steine wollen zum Glühen gebracht werden. „Zu heiß darf es nicht werden, sonst entzünden sich die Rauchgase und die Sauna brennt ab“. Es gebe in Lappland kaum eine Rauchsauna, die älter als 30 Jahre ist. „Stimmt“, wirft Juha ein, „manche sind schon drei- oder viermal abgebrannt.“
Durch die Öffnungen an den Seiten und die offene Tür zieht Stunden später der beißende Qualm wieder ab. Bevor die Schwitzwilligen kommen, schließt man die Tür wieder und die über 1.000 Kilo glühend heißen Steine erhitzen den Raum im Handumdrehen auf 85 Grad.
Parole Makkara: Die Saunawurst
„Bier, fette Würste, 30 Minuten Schwitzen und danach das Eisloch – das muss doch jedes Jahr Hunderte Finnen ins Jenseits schaffen, oder?“ Rauno, Juha und Antti beschwören, dass es so gut wie niemals zu Herzinfarkten komme. Dann pellen die drei ein paar Makkara-Würstchen aus dem Vakuumplastik und spießen sie auf einen Ast.
Kaminofen auf, Würste rein, bis die Pelle platzt und die Dinger höllenheiß dampfen, gern etwas angekokelt. Senf und Ketchup drauf und runter damit, nachgespült wir mit ein, zwei kalten Bier. Willkommen im Männerschutzgebiet! Hier wird Ungesundes gegessen, geschwitzt und gebrüllt.
Finnland delikat: Rentier-Sashimi
Szenenwechsel. 230 Kilometer weiter im Norden sitzen wir an einem Lagerfeuer im Wald. „Hannu zerlegt ein Rentier in zehn Minuten, komplett“, raunt mir Ari Talusén zu. Der Rauch brennt in den Augen, Hannu Lahtela brät „Finnish Fast Food“: dünnste Scheiben vom Rentier, eine Minute gebraten, mit den Fingern aus der Pfanne in den Mund – zergeht auf der Zunge.
Fast wie das rohe Rentier-Sashimi, das wir zuvor genießen. „Klunssi ist das beste Stück vom Rentier, das ist ein handballengroßer Part unterhalb der Lende, unfassbar gut und sehr teuer.“ Hannu serviert uns die Klunssi mit Teriyaki-Soße – großartig.
Der stille Kerl ist in Finnland eine Berühmtheit. Nicht nur, weil er den großen Köchen des Landes erklärt, was die besten Stücke am Trughirsch sind, und weil er Jahr für Jahr viele Hundert der fast 5.000 Rentiere im Aufzuchtbereich Pohjois Sallan Paliskunta kunstgerecht ins Jenseits befördert. Hannu beliefert die besten Restaurants Finnlands mit Fleisch und Salami – und den Starkoch Markus Maulavirta.
Vom Sternelokal in die Wildnis
Markus kochte zuletzt im „Ilmatar“, dem wohl besten Lokal Helsinkis. Stieg dann aus, um am Arsch der Welt mit Ari Talusén das Wilderness-Camp „Arctic Aihki“ (Claim: no nonsense, no noise) zu gründen. Ein großes Blockhaus-Cottage, ein See, eine über 50 Jahre alte Saunahütte und eine traditionelle Grillhütte, Kota genannt. Dazu gibt es Angeltrips, Bärenjagd (!) oder Yoga im Wald – das breite Angebot reicht von Ommm bis blutig-naturburschikos.
Finnland-Happen: Rentierzunge
Als Rentierzüchterin und Aushilfsköchin Raisa die Delikatesse des Abends serviert, wird klar: Das trendige „from nose to tail“ haben keine tätowierten und Hipster-Bart tragenden Szenemetzger aus Berlin oder New York erfunden, sondern die Lappen. „From tongue to tail“ heißt es hier. Hannu schwört, dass sich Finnen um das letzte Stück Rentierzunge prügeln würden. Gut. Meine Sache ist es nicht …
Niemals ohne Wasta, basta!
Zwischen Lagerfeuer und ein Hirtensuppe passt eine ordentliche Saunarunde. Wir durften Späne schnitzen, den Saunaofen und den Waschwasserkessel mit Holz beheizen, dann so lange schwitzen, wie wir wollten. Dreimal zog eine kleine Prozession von Wollsocken tragenden Wohlstandsbäuchen zum Eisloch und wieder zurück auf die Veranda. Zeit für ein Bier.
Mit dem Birkenzweigbündel „Wasta“ wurden nach Leibeskräften Schultern, Rücken und Oberschenkel gepeitscht. „Wenn man die Zweige zu Mittsommer schneidet und dann trocknet, halten sie ein, zwei Jahre!“ „Igitt!“, entfährt es mir, „da hängt also der Schweiß von beinahe 400 Saunagängen drin, Ari?“ Der grinst. „Wir tauchen die immer wieder ins Wasser und legen sie zur Desinfektion auf die Saunasteine.“ Glauben wir mal dran … Alle drei, vier Minuten gibt es einen Aufguss, Löyly genannt. Ari: „Meist nehmen wir drei Kellen, für die Heilige Dreifaltigkeit.“
Unsere Saunatour in Finnland geht weiter. Zwei Autostunden vom Camp „Arctic Aihki“ erreichen wir Ruka. Dort treffen wir nach unserer Sauna-Tour den Outdoor-Guide Aapo. Dick verpackt in Overalls und Neopren legen wir uns in den Fluss Kivekoski. Das klingt nach einem unsinnigen Outdoor-Action-Blödsinn, wirkt aber enorm entspannend. Man treibt den Fluss hinab, wird von der Strömung sacht gedreht. Über uns schwerer, grauer Himmel und die Spitzen der Nadelbäume. Es kluckst und kluckert. Sonst nur Stille.
Da kommt man schnell ins Grübeln, während sich das Eiswasser seinen Weg durch den Kragen sucht. Etwa darüber, wie das deutsche Wort Besserwisser seinen Weg ins Finnische gefunden haben mag. Und über Poronkusema: Das „Pissen des Rentiers“ ist die Distanz (rund sieben Kilometer), die ein Rentier zwischen zwei Pinkelpausen zurücklegen kann. Und Poronkusema gilt hier im Norden als offizielle Weglängen-Maßeinheit. Darauf heute abend einen Terva Snapsi. Der berüchtigte Holzteerlikör ist so eine Art Rauchsauna zum Trinken. Kippis!
Lust auf mehr Skandinavien? Ab nach Norwegen und Finnland im Sommer
Finnisch Lappland
INFO FINNLAND
Arctic Aihki
N 67 18.119, E 29 23.853
Schönes Blockhaus mit zehn Zimmern, mehr als 30 Kilometer von der nächsten Teerstraße gelegen. Am kleinen Kenttälampi-See warten eine alte Sauna und viel Wildnis vor der Tür. Zwei-Tage-Package mit drei Übernachtungen, VP vom Feinsten, Sauna, Hiking, Fischen, Rudern und Lagerfeuer für 750 Euro/Person. Touren werden von den zertifizierten Wilderness Guides Ari Talusén oder Markus Maulavirta geführt. arcticaihki.fi
Iso-Syöte
Großer Hotelkomplex auf dem Skiberg mit toller Aussicht. Angeboten werden unter anderem Skidoo-Touren. Gute Küche. Tipp: eines der 20 rustikalen Kelo-Cottages mit eigener Sauna und offenem Kamin buchen. Kelo für zwei Personen mit Frühstück ab 150 Euro. hotelli-isosyote.fi
Sauna Tour
Ruka Safaris bietet Saunatouren in Kleingruppen an, nach dem Motto „treat yourself the arctic way“. Man fährt im Bademantel von Privatsauna zu Privatsauna – ein heißes Vergnügen, für das insgesamt neun Saunen zur Auswahl stehen. Ultimate Sauna Tour mit fünf Saunen, Guide, Transfers, Snacks, Badetüchern und Sauna-Yoga-Paket für sechs Personen ab 5.250 Euro. Kleine Saunatour mit Pyhäpiilo-Sauna und Ice-Sauna am Ufer des Pyhäjärvi-Sees ab 100 Euro pro Person bei mindestens vier Teilnehmern. rukasafaris.fi
Weitere Infos
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