Radtasche oder Rucksack? Warum oder? Der Ortlieb Vario PS ist beides, seine Bestimmung verändert man im Handumdrehen. Wir haben das neue Hybridwunder getestet – im Alltag, im Freien, im Regen …
Fragerunde im Bekanntenkreis: Welche Marken fallen euch beim Thema Radtasche ein? Bei den Antworten ganz vorn dabei: Ortlieb. Der mittelfränkische Sportartikeltüftler hat es in vier Dekaden zu großer Bekanntheit geschafft. Lässt sich auch “draußen” schnell überprüfen: Die meist roten, aber längst auch in anderen Farben erhältlichen Packtaschen hängen bei vielen Stadt- wie Trekkingrädern am Gepäckträger, sei es ein- oder beidseitig. Der vielleicht stärkste Pluspunkt: Dank Polyester-, Nylon- und Corduragewebe sowie der gelungenen Roll- und Klicktechnik sind die Taschen absolut wasserdicht. Zudem langlebig und leicht zu handeln.
Allerdings kam (und kommt) der Kultbeutel mitunter an seine Grenzen. Beispiel Biketour an den Fluss. Die Räder werden irgendwann abgesperrt, da es nur noch zu Fuß am respektive im Wasser weitergeht. Da lässt die Schlaufe auf Dauer Tragekomfort vermissen. Ebenso wie im Einkaufszentrum, wenn sich der Behälter von Geschäft zu Geschäft füllt. Viele Kilos, wenig Schleppfreude. Schneidet einfach ein – und in ungewohntem Habitat schlecht ab.
Warum wurde der Ortlieb Vario PS nicht schon früher erfunden?
Doch nun gibt es Abhilfe, in Gestalt des relativ neuartigen Ortlieb Vario PS. Wobei das PS hier nicht für Pferdestärken steht. Stark ist das 1.200 Gramm schwere Stück aus reiß- und abriebfestem Nylongewebe dennoch. Denn es bietet nun klassische Gepäckträgerhalter (plus mitgelieferte Elemente, um diese wackelfrei am Rad zu befestigen) UND ergonomische Schultergurte und damit die Wahl: Die Tasche kann am Rad oder, weil das gerade nicht zur Verfügung steht, eben auf den Rücken transportiert werden.
Cool: Es dauert wirklich keine drei Sekunden, dann ist der Wechsel vollzogen. Wie das? Indem er Rucksackgurte bietet, die beim Biken noch mit einer Fronttasche verstaut sind. Diese Art Wende-Stoff, der zudem ein praktisches Zusatzfach etwa fürs Smartphone oder einen Geldbeutel bietet, ist eingehakt – es gibt drei Ösen, je nach gewünschter “Strenge” – und lässt sich schwupps auf die andere Seite drehen. Und dort wieder einhaken. Kurz: Einmal liegen die gut gepolsterten Schultergurte frei, ein andermal die beiden Gepäckträgereinhänger für den Bikeverkehr.
Die vom Anbieter für den “Umbau” angepriesenen drei Sekunden sind, ungewohnt für derartige Werbesprüche, tatsächlich nicht übertrieben. Damit stellt diese Produktweiterentwicklung nicht nur ein kleines Facelift dar, sondern eine – um im Bild zu bleiben – Volloperation. Und die ist eindeutig gelungen. Nach vier Monaten im Dauereinsatz kommen wir zur angenehmen Erkenntnis: Es gibt keinerlei Probleme, keinerlei Abnutzungen, keinerlei Materialschwächen.
Wie standhaft ist der Ortlieb Vario PS? Sehr!
Dafür kommen die Vorteile umso besser raus: Da wäre das im Vergleich zum alten Back-Roller-Classic um sechs Liter größere Fassungsvermögen. Nachvollziehbar, denn auf dem Rücken lässt sich mehr transportieren, jetzt also bis zu 26 Liter. Aber es geht beim Transport ja nicht nur um das Wieviel, sondern auch um das Wie. Digitale Nomaden mit wechselndem Arbeitsplatz schätzen das Extrafach im Inneren, in der ein Laptop schnell verstaut werden kann. Man muss keine Angst haben, dass etwa die im Hauptfach transportierten unterwegs gekauften Tomaten für unerwünschte Überraschungen sorgen. Oder die nasse Badehose vom Mittagsschwumm.
Traditionell gut ist der Rollverschluss, mit dem das Hauptfach verschlossen wird. Noch mehr gefällt die stark verbesserte Standfestigkeit. Sind ältere Modelle gern mal zur Seite gekippt, passiert das hier nicht, dank stabiler Bodeneinlage – und offenbar guter Austariertheit … Und noch ein Wort zur Wettertauglichkeit: Selbst im Münchner Septemberregen respektive Novembermatsch und Dezemberfrost (im Oktober war es ja meist schön) blieb alles angenehm trocken. Der wenige Spritzdreck lässt sich, getrocknet, stets leicht abklopfen.
Wo sind die Haken?
Manchmal muss man die “Strippen” schon etwas unter die Fronttasche stopfen. Wobei sie überraschenderweise stets “drinnen” bleiben und etwa nicht in die Speichen zu geraten drohen. Zufall? Irgendwie denkt man im Stillen: Bräuchte es da nicht auch noch einen Haken? Den gibt es ja oben. Beim “Verwandeln” kommt er auch wirklich oft zum Einsatz. Und manchmal geht das Aushaken, gerade mit Handschuhen, gefühlt einen Ticken zu schwer. Was man indessen noch wissen muss: Die kleine Fronttasche ist zum einen im Radtaschenmodus nicht gut zugänglich und zum anderen nicht wasserdicht, was dem Reißverschluss geschuldet, jedoch – hallo: Ortlieb als Synonym für wasserfest! – etwas enttäuschend ist, zumindest aber dem Nutzer klarer kommuniziert werden sollte.
Aber hey, wenn das alle Probleme sind! Und der Preis sollte es auch nicht sein. Klar, 170 Euro für das Modell QL 2.1 sind kein Schnäppchen (die gibt es, mit oft entsprechender Qualität, im Discounter) aber absolut angemessen. Insbesondere da der PVC-freie Ortlieb Vario PS komplett in Deutschland gefertigt wird – gut für den CO2-Fußabdruck und das grüne Gewissen – und es wie gewohnt fünf Jahre Garantie gibt. Wobei es gut vorstellbar ist, dass unser Testmodell um ein Vielfaches länger lebt!
Gut zu wissen: Der Ortlieb Vario PS kann auch als Handgepäck beim Fliegen genutzt werden. Welche Tipps es hier noch so gibt, lest ihr hier, in welchen Airlines es sich besonders entspannt fliegt, hier …
Ortlieb Vario PS
INFO ORTLIEB VARIO PS
Das Modell QL 2.1 kostet 169,99 Euro,
die Version QL 3.1 (mit einer zweiten Verschlussvariante) kommt auf 184,99 Euro,
weitere Infos: ortlieb.com