Santa Cristina ist eine große Privatinsel in der Lagune von Venedig. Das Eco-Retreat entpuppte sich beim Besuch von Gastreporterin Angelika Jakob als so nachhaltige wie luxuriöse Insel zweier Seliger…
Wenn die Nacht kommt, hüllt sich die Lagune erst in Hellgrün, dann in Smaragdblau und schließlich in samtenes Schwarz. Zeit für die Pfauen, ihre Schlafbäume aufzusuchen. Mit laut klagenden Rufen fliegen sie auf die Königspalmen vor der Villa Ammiana und lassen sich zwischen raschelnden Wedeln nieder.
Grund zu jammern haben die bunten Vögel nicht: Sie führen ein paradiesisches Leben auf der 14 Hektar großen, von Kanälen und Wassergärten durchzogenen Privatinsel Santa Cristina im Nordosten der Lagune von Venedig.
Santa Cristina: Die Insel kann Wein, Oliven und Gemüse
Als Symbol für Schönheit, Reichtum, Stolz und Liebe passen die ältesten Ziervögel der Welt gut zur 1870 auf Santa Cristina erbauten Villa und dem Stück Land von René und Sandra Deutsch. Ihnen gehört die 880 Meter lange und bis zu 420 Meter breite Insel, auf der nicht nur Pfirsiche, Marillen und Pflaumen wachsen.
Knorrige Olivenbäume liefern fein salziges Öl, rund 5.000 Weinstöcke ergeben etwa 10.000 Liter weißen und roten „Vin extrème“. Aus dem Gemüsegarten kommen die bei Feinschmeckern berühmten lila Artischoken, Tomaten, Bohnen und andere Köstlichkeiten.
Boho-Luxus und Wein mit Lagunen-Aroma
„Für mich ist das Leben hier echter Luxus, ich bin nah bei den wesentlichen Dingen“, sagt René, ein entspannter Typ Mitte 40 mit Bart, Männerdutt und in edler Hipsterkleidung. „Ich lebe mit der Natur und bin in Austausch mit den Menschen in meiner Umgebung.“ Im offenen Kamin auf der Terrasse flackert ein Feuer.
Ivan Garlassi, der Küchenchef, bereitet uns ein feines Menü vor, René schenkt eigenen Inselwein nach: „Er trägt das leicht salzige Aroma der Lagune in sich, genauso wie unser Honig und das Steinobst, das wir anbauen“, sagt Deutsch und zieht an seiner Zigarre. In der Dämmerung leuchtet der Pool.
Nicht neiden, einfach Santa Cristina mieten
Das alles wäre nur mäßig interessant, wenn die Beiden dieses Idyll für sich allein erschaffen hätten. Doch man kann die Isola Santa Cristina mieten. Komplett, mit Hausmeister, Bootsführer, Koch, Pfauen, Bienen, Fischgründen, Pool, Dachterrasse, Kaminzimmer, Bibliothek, Kunstgegenständen aus aller Welt und einem Yogaraum.
Natürlich muss man viel Geld in die Hand nehmen, konkret: 25.000 Euro für sieben Tage mit Koch, Boot, Yogaraum etc. Zieht man sich mit einer größeren Gruppe hierher zurück, hält sich der Aufwand für ein wirklich einmaliges Erlebnis absolut in Grenzen. Bis zu 16 Gäste kommen in den neun Zimmern und Suiten der Villa unter, das macht pro Kopf und Tag rund 220 Euro.
Swarowski und Yoga sei Dank
„Mein Stiefvater Gernot Langes-Swarowski kaufte die lange unbewohnte Insel vor 30 Jahren und machte aus ihr einen Feriensitz für die Familie. Ich war auch oft hier. Aber richtig lieben gelernt habe ich Santa Cristina nach einer langen Auszeit. Ich hatte eine Krise, eine Art burn-out. Sandra und ich zogen uns nach Australien in einen Ashram zurück und ließen uns zu Yogalehrern ausbilden. Als wir nach zwei Jahren zurückkamen, sahen wir Europa mit anderen Augen.“ Und der Senior überließ dem Paar das Feriendomizil der Familie.
„Wir begannen mit dem Umbau. Aus Vaters chaletartigem Gebäude wurde eine helle, luftige Villa von klassischer Schönheit,“ sagt René. Das einzige Zugeständnis ans Blingbling der Swarowskis ist ein großer Kristall-Lüster in der Bibliothek, der tausend Lichtblitze um sich wirft. Er harmoniert auf wundersame Weise mit den tibetischen Tankas und den afrikanischen Skulpturen, die das Paar von seinen Weltreisen mitbrachte.
„Um den Kohlendioxid-Ausstoß möglichst niedrig zu halten, wurde das Gebäude gut isoliert, unsere Solarheizung wartet noch auf Genehmigung. Trinkwasser kommt aus dem Brunnen, Abwasser wird aufbereitet“ zählt René ein paar Fakten auf. „Nach der Villa nahmen wir uns die Landwirtschaft vor.“
With a little help from… Massimo
Höchstens zwei Meter ragt die Insel Santa Cristina bei Ebbe aus dem brackigen Wasser. Der Himmel spiegelt sich in einem Teich und vielen schmalen Wasserläufen. Doraden, Seebarsche, Meeräschen und Aale leben hier. „Valli da pesca“ heißen solche von Lagunenwasser durchspülten Kanäle, in denen die Venezianer seit Jahrhunderten ökologisch korrekte Fischzucht betreiben.
In den Valli von Santa Cristina hatte Swarowski Senior Krabben für Feinkost Käfer gezüchtet. Das hinterließ Spuren… Meereswissenschaftler aus Mestre inspizierten die alten, verschlammten Kanäle, rieten zum Ausbaggern und wiegten zweifelnd die Köpfe.
Ein Fischer von der Nachbarinsel Burano, Massimo, ein wettergegerbter Pirat mit roter Mütze und gewaltigem Profil, war sich sicher: „Setzt einfach Fische ein, das regelt sich.“ Dann sah er sich die Sache eine Weile an. Inzwischen ist er Teilhaber. „Restaurants kaufen unsere Fische. Sie sagen, sie schmecken wie Wildfang“, freut sich René. Massimo sitzt in groben Fischerklamotten neben ihm auf dem feinen, weißen Sofa im Salon und grinst. Läuft.
Wer Obst will, braucht Bienen
Der nächste Spezialist, den René nach Santa Cristina holte, war ein Imker. „Die Obstbäume blühten wunderschön, aber sie trugen keine Früchte“, erinnert er sich, „Es gab keine Bienen! Wir siedelten 12 Völker an. Für die Zugvögel pflanzten wir einen kleinen Wald. Im Wein leben Fasane, Rebhühner und Pfauen. Sie fühlen sich wohl. Ein einziges Paar Pfauen hatte mein Vater geschenkt bekommen, jetzt sind es sechzig Vögel.“
Und Venedig? Ganz hinten, im Dunst
„Die Insel taugt nicht für jeden“, schränkt Sandra ein. „Manche fragen bei der Buchung an, wie sie nachts aus der Disko vom Lido nach Hause kommen. Wir können alles möglich machen, aber nicht alles ist sinnvoll. Ausflüge nach Venedig, nach Burano, Torcello oder in die Lagune sind selbstverständlich. Aber man sollte die Ruhe der Insel mögen. Oft kommen Gruppen, die sich ihren Yogalehrer mitbringen oder Hochzeits-Ggesellschaften, die unter sich sein wollen.
Von der kleinen Dachterrasse sieht man im Norden die schneebedeckten Gipfel der Dolomiten, der schiefe Turm von Burano ist wie immer kurz vor dem Umfallen, die geheimnisvolle Kirche von Torcello erzählt von der ersten Besiedlung der Lagune, vom Christentum und von Malaria. Und an klaren Tagen sieht man die Kuppeln und Türme der Serenissima.
Die Lagune schimmert in allen Farben, Kanäle zeichnen sich dunkler ab, an tiefen, unbewegten Stellen spiegeln sich Himmel und Wolken. Salzwiesen malen grüne Flächen ins Blau. Endlos schauen. Nichts tun. Nichts wollen. Haben einen die Yogis schon an der Seele gepackt? Oder ist es das Meer?
Text: Angelika Jakob
Weitere Infos zu Santa Cristina
Du hast ein Faible für Insel-Retreats, die Luxus und Nachhatigkeit verbinden. Wie wäre es mit Bawah Island im Südchinesischen Meer oder Wa Ale in der Andamanensee?