Die zu Nova Scotia zählende Insel Cape Breton bietet für jeden etwas: Kulturfreunde streifen durch die XXL-Festung Louisbourg, Outdoorfans durch die Seenlandschaft und Highlands – zu Fuß, auf dem Bike oder im Kajak
Ich bin um die ganze Welt gereist. Ich habe die Rocky Mountains, Anden, Alpen und die schottischen Highlands gesehen, aber an schlichter Schönheit übertrifft Cape Breton sie alle!“ Sagte kein Geringerer als Alexander Graham Bell, einer der größten Erfinder des 19. und 20. Jahrhunderts. Dass der gebürtige Schotte und spätere Neu-Schotte nicht nur das Telefon zur Marktreife brachte, sondern mit neuen Fluggeräten, der Entsalzung von Meerwasser und Gehörlosenkommunikation herumexperimentierte, vermittelt das ihm gewidmete, ungemein umfassende Museum in Baddeck.
Der nimmermüde Unternehmer liebte aber ebenso die Natur, und mit dem idyllischen Binnensee Bras d’Or Lake hat er ja auch eine 1a-Wohnumgebung gewählt. Die Gegend ist typisch für die 800 Meter vom Festland entfernte und heutzutage leicht via Straßendamm erreichbare Insel im Südosten Kanadas. Es gibt auf Cape Breton generell wenig Besiedlung und kaum Industrie, dafür Natur satt. Konkret: viel Atlantikküste und obendrauf, oder besser: innendrin, Seen, Flüsse und Moore, dazu dichte Wälder und die Highlands im Norden. Plus jede Menge Steine. Wie lautet ein Sprichwort? „Am ersten Tag schuf Gott Cape Breton Island. Am zweiten Tag warf er Felsen drauf.“
Weißkopfseeadler auf Backbord!
Am besten macht man sich selbst ein Bild. Etwa mithilfe der Seakajaks von Angelo Spinazzola, der seine North River Kayak Tours eine halbe Autostunde nordöstlich von Baddeck startet. Mit ihm haben schon viele, darunter auch Promis wie Sängerin Stefanie Heinzmann oder die BMW-Quandts, Spaß gehabt. Dafür sorgen auch mehrere Ws. 1. wenig Wind und in der Folge meist niedrige Wellen. 2. wundervolle Wälder, die nicht nur im laubgefärbten Herbst eine Topkulisse abgeben. Und 3. würdevolle Weißkopfseeadler, die sich zuverlässig blicken lassen. Da vergehen drei Paddelstunden wie im Flug.
Lust auf mehr? Tagestouren führen zum Munroe Point Lighthouse. Lichtblicke in puncto Übernachtung geben Angelos neue „River Nest“-Holzhütten, Prädikat urig. Das gilt auch für das Setting am Waldrand mit Flussblick und Lagerfeuer. Mit Glück – wir hatten es! – greift der semiprofessionelle Musiker, der regelmäßig in Pus auftritt, zur Gitarre. Oder erzählt vom Vater, der als Stahlarbeiter in Sydney, der als „Steel City“ bekannten größten Stadt der Insel, geschuftet hat. „Kohle, Stahl, Holz – das waren einst die Standbeine.“ Heute sind es Energie, Umwelt, (Kreuzfahrt-)Tourismus.
Hochgefühle in den Highlands
Länger bleibende Touristen zieht es mit Vorliebe in den 949 Quadratkilometer großen Cape Breton Highlands National Park, der rund ein Zehntel der Insel bedeckt. Erste (An-)Laufstelle stellt der erst durch Wald und dann auf Holzbohlen auf eine Landzunge hinausführende Skyline Trail dar. Bei gutem Wetter ist die Sicht auf die zerklüftete Küste und den bei Walen beliebten Sankt-Lorenz-Golf zum Niederknien!
Generell dürfte der bis zu 533 Meter hohe Gebirgszug mit ein Grund sein, warum die Provinz Nova Scotia vom „Lonely Planet“ zu den 30 angesagtesten Reisezielen 2023 gewählt wurde. „Es sind jüngst nochmal neue Trails dazugekommen. Die nun 26 Strecken“, erzählt die als Guide aktive Geologin Miranda Dodd, „reichen vom Spaziergang bis zur Mehrtagetour. Dann sollte man vorab den Rangern Bescheid geben!“
Auf Cape Breton gibt es richtig viele Kaps
Nicht nötig ist das, wenn man an der „Keltic Lodge“, statt den Golfschläger zu schwingen, die Wanderschuhe schnürt. Der Middle Head Trail punktet mit eindrucksvollen Meeraussichten zu beiden Seiten. Aus erhabener Warte sieht die Szenerie noch eindrucksvoller aus. Praktisch: Die vor wenigen Jahren neu eröffnete Cape-Smokey-Gondel, die einzige in Atlantic Canada, chauffiert Lauffaule in zehn Minuten auf über 300 Meter Seh-Höhe – und ermöglicht nebenbei ganzjährigen Outdoorspaß, inklusive Skifahren und Mountainbiken. Was Riesenholzstühle ermöglichen: den Blick schweifen zu lassen, etwa auf den Cabot Trail.
Dieser Rundparcours wird nicht umsonst als eine der schönsten Panoramastraßen der Welt bezeichnet. Dodd: „Die 300 kurven- und aussichtsreichen Küstenkilometer an einem Tag runterzureißen, wäre ein Jammer.“ Besser sind da Muße, gar eine Übernachtung (etwa in den Luxus-Domes des neuen Fünf-Sterne-Resorts „True North Destinations“) und Extraspeicherkarten für die Kamera.
Zumal, wenn noch ein paar Kulturhighlights am oder jenseits des Wegesrands eingebaut werden. Als da wären das „Les Trois Pignons“, ein Museum über die Kultur der Arkadier, das „Glenora Inn”, Nordamerikas erste Single Malt Whisky-Destillerie, oder der Ort Inverness samt dem Ceilidh Trail, ein lebendiger Ort für schottische Traditionen und gälische Folklore.
Rauchende Salven im XXL-Fort
Wie das genau war mit den ersten europäischen Siedlern im 16. Jahrhundert, den vielen anlandenden Schotten und den bis zur endgültiger Eroberung Kanadas durch die Briten 1759 dominierenden Franzosen, lässt sich in der 1713 gegründeten Festung von Louisbourg studieren. Das größte Rekonstruktionsprojekt Nordamerikas lässt erahnen, wie dort im 18. Jahrhundert Tausende lebten – und eine Flottenankunft bewerkstelligten.
Erfahrene Guides erzählen davon beim Rundgang durch das teils wiederaufgebaute Museumsareal. Den Höhepunkt markiert ein Kollege in historischer Uniform, der mit seiner Machete rauchende Salven abgibt. Für einen höheren Obolus, meint er, feuert er gar Kanonenschüsse ab. Wer das Geld lieber anderweitig anlegt, verbringt die Nacht in einem der Häuser. Ohne Komfort, nur mit dem Wachpersonal und dem Wind, der seit jeher um die Landzunge pfeift.
Sea View oder Sea Chowder?
Behaglicher schläft es sich auf der anderen Seite der Bucht. Die durch TV-Shows bekannten Designer Colin McAllister und Justin Ryan bauten die dortigen „Point of View Suites“ um und eröffneten sie 2022 als „North Star*“ wieder. Ein neuer Stern am Hotelhimmel der Insel!
Das Haus am Meer besticht mit geschmackvollen Wohneinheiten, aber auch mit einem heimelig-modernen Restaurant. So lässt sich das einfache „Charlene‘s Bayside Restaurant“ in Whycocomagh nicht unbedingt beschreiben. Aber ihr preisgekrönter Sea Chowder, salopp gesagt: Suppe mit allerlei Meeresgetier, gehört definitiv zu den besten weit und breit.
Fotos: © Christian Haas, Tourism NovaScotia
Lust auf noch mehr Kanada? Die Provinz Saskatchewan ist ein Geheimtipp. Auch die Northwest Territories sind spektakulär unberührt. Noch eine Idee: Wie wäre es mit einem Wildnistrip ins Bärenland von British Columbia? Oder wie wäre es mitt einem City-Trip nach Halifax?
Cape Breton
Infos Cape Breton
Anreise
Condor (condor.com) fliegt in 7,5 Stunden und ab etwa 450 Euro mehrmals die Woche von Frankfurt nach Halifax, auch Eurowings Discover bietet Direktverbindungen an. Lufthansa fliegt über Toronto, auch Air Canada, Icelandair und andere haben mindestens einen Zwischenstopp. Von Halifax per Mietwagen oder Bus in etwa 3,5 Stunden nach Port Hawkesbury auf Cape Breton
Einreise
Kanada ist für Touristen bis zu sechs Monate mit einem Reisepass visumfrei.
Allerdings müssen Flugpassagiere vor Reiseantritt eine elektronische Einreiseerlaubnis
(electronic Travel Authorization – eTA) einholen, ca. 25 Euro
Informationen
… über Cape Breton: cbisland.com
… über Nova Scotia: novascotia.com
… über Kanada: destinationcanada.com