„MS Roald Amundsen“. Wir waren auf der dritten Reise von Hurtigrutens neuem Hybrid-Expeditionsschiff mit an Bord: Arktisches Peak Shaving zwischen Tromsø, Nordkapp und Spitzbergen
Das nach Norwegens großem Entdecker (1928 auf Spitzbergen spurlos verschwunden) benannte Schiff der norwegischen Reederei Hurtigruten ist 140 Meter lang, 23,6 Meter breit und hat 5,3 Meter Tiefgang. Die Eis- klasse PC 6 erlaubt Fahrten durch Eis von bis zu einem Meter Dicke. „Das kann man schon extreme Eisverhältnisse nennen!“, so Kapitän Benny Didriksen bei meinem Besuch der aufgeräumten Brücke.
So schläft und wohnt man
Das Schiff hat 265 Außenkabinen, rund 50 Prozent davon – sämtliche Suiten und ein Teil der höherklassigen Kabinen – haben einen Balkon. Geschmackvolles Interieur mit bequemen, verstellbaren Sesseln anstatt von Sofas prägt die knapp 17 Quadratmeter großen „Polar Außenkabinen“ sowie die „Arktis Außenkabinen“.
Das gewisse Etwas
Auf jeden Fall das Design. Der markante, wuchtige Bug der „MS Roald Amundsen“ mit senkrechtem Vorsteven durchschneidet das Wasser, statt es zu verdrängen. Dies reduziert die Widerstandskräfte und sorgt für ruhiges Fahrverhalten. Konzipiert wurde er von Rolls-Royce, das in vielen Bereichen des Neubaus involviert war, so auch beim „neu entworfenen, besonders eisfesten Seitenstrahlruder“, so Chefingenieur Jonny Johnsien, Chef über 15 Mann im Maschinen- und Kontrollraum.
Das schicke Design der Kabinen, Restaurant- und Barbereiche trägt die Handschrift von Espen Oeino International. Spektakulär: der sieben Decks hohe LED-Bildschirm im Atrium für Filme und Livestreams von der 360°-Kamera am Mast oder der Unterwasserdrohne (!).
Hybrider Antrieb und Peak Shaving
Die Kombination von vier dieselelektrischen Maschinen mit je 3.492 Kilowatt (entspricht 4.750 PS) Leistung und zwei Lithium-Ionen-Batterieblöcken mit je 1.750 Kilowatt auf einem Kreuzfahrtschiff ist weltweit neu. „In erster Linie dient diese Technik“, so Chefingenieur Jonny Johnsien, „dem Peak Shaving. Bei steigendem Energiebedarf, etwa beim An- und Ablegen, werden nicht die Maschinen hochgefahren, sondern springen die Batterien ein.
Die werden wieder aufgeladen, sobald die Maschinen mehr Strom produzieren, als für Antrieb und Schiffsbetrieb verbraucht werden. Es geht nicht in erster Linie darum, längere Strecken rein elektrisch zu fahren. Sollte dies aber notwendig sein, würde die aktuelle Speicherleistung für 20 Minuten ausreichen.“
Bald wird man die teuren und schweren Batteriekapazitäten um das Dreifache erhöhen müssen: Ab 2026 dürfen nur noch emissionsfreie Schiffe Norwegens Welterbe-Fjorde Nærøy-, Aurlands-, Geiranger-, Sunnylvs- und Tafjorden befahren.
Sechs Schiffe auf der Postschiffroute entlang Norwegens Küste sollen in naher Zukunft im Gas-Batterie-Betrieb unterwegs sein. Dazu will Hurtigruten neben LNG auch LBG (Liquified Biogas) einsetzen, das aus Fischereiabfällen und Biomasse aus der Forstwirtschaft gewonnen wird. Peak Shaving reduziert den Verbrauch an Marine-Diesel um rund 20 Prozent und damit den Kohlendioxidausstoß um jährlich 3.000 Tonnen.
Kein Einwegplastik und Biotop-Schutz
Hurtigruten hat schon zu seinem 125. Geburtstag Einwegplastik von Bord verbannt. Bei Anlandungen trägt man Leihstiefel, die nach jedem Landgang gereinigt werden, sodass kein biologisches Fremdmaterial verbracht wird. Laut Beschluss der internationalen Schifffahrtsorganisation ist seit 1. Januar 2020 weltweit nur noch Kraftstoff mit 0,5 Prozent Schwefelanteil erlaubt (Schwefelgehalt von Pkw-Diesel: 0,001 Prozent). Die „Roald Amundsen“ fährt mit Low Sulfur Marine Gasoil mit unter 0,1 Prozent Schwefelgehalt.
Was uns besonders gefällt?
Der teils gläserne Horizon-Pool am Heck. Das opulent mit Mikroskopen, Exponaten, Wissenschaftsbüchern und interaktiven Screens ausgestattete Science Center. Und das kompetente Expeditionsteam mit Ozeanografen, Glaziologen, Geologen, Marine-Biologen und Ornithologen aus aller Welt.
Das Hauptrestaurant „Aune“ unter Ägide von Chefkoch Yannick Peltier, der zuvor an Bord der Luxuskreuzer von Ponant diente, serviert internationale und norwegische Gerichte in kleiner, aber feiner Auswahl. Norwegischem Fine Dining hat sich das „Lindstrøm“ verschrieben, das allerdings in erster Linie den Suitengästen vorbehalten ist. Für die anderen Gäste ist es aufpreispflichtig und mit Wartelisten verbunden. Burger, Dim Sum und Pizza gibt es gegen Aufpreis im „Fredheim“.
Sauna und Wellness
Kleine Sauna mit schöner Aussicht auf Deck 10 der „MS Roald Amundsen“, aber leider ohne Ruhebereich, dafür muss man aufs Pool-Deck. Joggingbahn und Open-Air-Trainingsgeräte für Bodyweight-Workout in der frischen Luft auf Deck 11. Zudem gibt es ein überschaubares, aber gut ausgestattetes Gym beim Wellnesscenter auf Deck 7.
Die „MS Roald Amundsen“ ist ideal für …
… aktive Entdecker mit Wissensdrang. 14 Zodiacs mit Oxe-Diesel-Außenbordern (90 Prozent weniger Stickoxidausstoß als klassische Benziner) und zwölf Doppelkajaks sowie ein paar SUP-Boards nebst Tro- ckenanzügen garantieren Action auf dem Wasser. Karin Strand, Vice President Expeditions, dazu: „Wir planen, die Zodiacs mit Elektromotoren auszustatten.“ Dies wäre in der Tat begrüßenswert: Abgase und Lärm beeinträchtigen bei den Ausfahrten und Anlandungen den Genuss einsamer Fjorde oder Gletscherbuchten. In der Regel gibt es pro Tag eine Anlandung sowie eine Zodiac-Cruise für alle – und dazu thematisch passende Vorträge.
Die Preisfrage
Wer gern Wein trinkt und die horrenden Preise auf dem norwegischen Festland kennt, wähnt sich im Paradies. So schlägt eine Flasche Domdechant Werner Riesling mit 35 Euro zu Buche, der Ramòn Bilbao Single Vineyard mit 29 Euro. Bier vom Fass kostet fünf Euro, ein Gilde-Aquavit sechs Euro.
Der Durchschnittstagespreis (inklusive Anlandungen und Aktivitäten) an Bord der „MS Roald Amundsen“ liegt bei 600 bis 1.000 Euro pro Person. Eine 24-tägige Durchquerung der Nordostpassage kosten in der niedrigsten Kabinenkategorie ab 23.604 Euro. 14 Tage Alaska und Kanada in der Expedition Suite ab 7.500 Euro, in der Standardkabine ab 4.935 Euro.
Lust auf mehr Kreuzfahrt bekommen?
Mit der „Europa 2″ in den Norden
Bilder ©Hurtigruten
Roald Amundsen
INFO ROALD AMUNDSEN
Aktuelle Routen und Preise finden sich unter hurtigruten.de