Insel-Hopping bis Key West, mit komischen Katzen und Käuzen, Schildkröten im Krankenhaus, vielen Sehnsuchtsorten und einem Kreuzfahrtfluch. Die Florida Keys sind allein eine Reise wert
Cary Grant macht ein Nickerchen, seelenruhig, in dem riesigen Bett oben im Schlafzimmer. Draußen im Garten turnt Gary Cooper fröhlich herum, gleich neben dem Grab von Frank Sinatra, während Humphrey Bogart noch etwas derangiert durch die Gegend schlurft. Übernächtigt, er hatte gestern Geburtstag. Seinen sechsten. Die Katzen mit den illustren Namen führen ein recht tiefenentspanntes Leben im einstigen Wohnhaus von Ernest Hemingway in Key West.
In jenen Momenten, in denen man in einem Pulk von Dutzenden Besuchern die Treppe des heutigen Museums hinaufgeschoben wird oder einem ein Tourist an Hemingways Swimmingpool seine Selfie-Stange auf den Schädel schlägt, beneidet man die lässige Ruhe der 50 Katzen, die sich auf dem Grundstück des Autors tummeln. Aber Key West und Ruhe – das ist per se schon ein Widerspruch.
Legendäre Sackgasse: Traumziel Key West
Key West, verklärtes Traumziel und Sehnsuchtsort am Ende der weltberühmtesten und wohl auch weltschönsten Sackgasse, der 200 Kilometer langen Traumstraße des Highways US 1. Hemingway ließ sich hier nieder und Mr. President Harry Truman baute hier seinen Wintersitz, das Little White House. Key West, das war schon immer anders. Man pflegt hier das liberale, tolerante Image. Aussteiger und Lebenskünstler, Weltverbesserer und Gescheiterte, Schwule und Lesben – all die, die sich woanders schwertun, fanden hier eine Heimat. Ein bunt gemischtes Volk in den Farben des Regenbogens.
Viel ist von diesem Lebensgefühl jedoch nicht zu spüren im Zentrum rund um den Mallory Square und die Duval Street. Ein Gedränge von Kreuzfahrern, die am Ende des Landgangs mit vollen Tüten aus den Billig-Souvenir-Shops zurück zum Hafen strömen, zu ihrem Riesenschiff, das die „Skyline“ der historischen Häuser mit ihrer karibischen Architektur um ein Vielfaches überragt.
Dazu ein lauter Mix aus Konservensound und Livemusik aus all jenen dicht aneinandergereihten Kneipen und Bars, der sich zu einem sonderbaren Akustikbrei vermengt. Ob im „Sloppy Joe’s“ oder dem „Irish Kevin’s“, dem „Flying Monkeys“ oder dem „Bull“ – es wird getrunken und gelärmt, bei Angeboten von drei Dollar für die Flasche Bier. Happy Hour, Party Time. Hier liegen die Florida Keys irgendwo zwischen Oktoberfest und Ballermann.
Flatterhafter Ruhepol: Butterfly Conservatory
Und doch gibt es ruhige Orte, geheime Oasen der Stille. Wie das versteckt gelegene Butterfly Conservatory am anderen Ende der Duval Street, kurz vor dem eingefärbten Stein, mit dem sie den „southernmost point of Continental U.S.A.“, den südlichsten Punkt der Vereinigten Staaten, markiert haben, zählt man Hawaii einmal nicht mit. 60 Schmetterlingsarten, die hier zu den Klängen klassischer Musik herumflattern, eine friedliche und fast meditative Stimmung, ein wohltuender Ausgleich zur aufgeheizten Bierzelt-Dröhnung eine Meile weiter nördlich.
Schwalbenschwänze, Pfauenaugen, Zebrafalter… und mittendrin, benannt nach den Figuren aus „Vom Winde verweht“, Rhett Butler und Scarlett O’Hara. Sind diesmal aber keine Katzen, sondern Flamingos. Flamingos erinnern immer an den Vorspann von „Miami Vice“. Vielleicht hätte man sie anders nennen sollen, eher Sonny Crockett und Rico Tubbs.
Florida Keys’ goldene Mitte: Marathon
Auf dem Rückweg durch die Duval Street, kurz vor der Abreise, begegnet man noch einem traurigen Spider-Man. Auch einer dieser Straßenmusiker, die hoffen, dass ihnen die Leute mehr Geld geben, wenn sie Kostüme von Filmhelden tragen. Aber Spider-Man wirkt heute so gar nicht heldenhaft, geknickt sitzt er am Bürgersteig und beklagt sich über die hohe Gebühr von vielen Hundert Dollar, die ihm die Stadt für die Straßenmusikantenlizenz abknöpft, und dass Künstlern wie ihm das Leben immer schwerer gemacht werde. Der Traum vom Sehnsuchtsort Key West, reine Illusion?
Um einen wirklichen Sehnsuchtsort zu finden, muss man die Sackgasse Florida Keys nicht bis ans Ende fahren. Der bezauberndste und verzauberndste Ort dieser Inselgruppe im Süden von Florida findet sich mittendrin auf den Keys, in einem Ort namens Marathon. Im Turtle Hospital von Marathon umsorgt Bette Zirkelbach seit vielen Jahren kranke und verletzte Schildkröten, die sich hier nach Vergiftungen durch Plastikmüll oder nach Kollisionen mit Booten und Schiffsschrauben hegen und pflegen lassen.
Manche Patienten liegen hier jahrelang, andere können nach wenigen Wochen das Krankenhaus verlassen. Und manch eine Schildkröte ist hier schon Stammgast. Eine Geschichte von der Mission, Tiere zu hegen und pflegen, und von dem verzweifelten Versuch, das Bewusstsein der Menschheit für Umweltschutz und Tierschutz zu schärfen.
Key-Highlight: Sundowner unter der Brücke
Direkt am Anfang der atemberaubenden Seven Mile Bridge, der mit elf Kilometern längsten Brücke des Highways nach Key West. Ob mit einem Sundowner-Cocktail auf der Terrasse der „Sunset Grille & Raw Bar“ oder bei einem Spaziergang auf dem Heritage Trail, der alten Eisenbahnbrücke, die einst die Keys verband und 1935 bei einem Hurrikan zerstört wurde – die Stimmung bei Sonnenuntergang, mit Blick Richtung Westen auf die Silhouette der fast bis zum Horizont reichenden Brücke, das ist gewiss der magischste Moment, den man auf den Keys erleben kann.
Man fühlt sich leicht, entrückt, glücklich. Wunderbar entspannt. Seelenruhig. Ein bisschen wie Cary Grant und Gary Cooper.
Lust auf mehr Florida? Hier geht’s nach Miami und St. Augustine, hier zu Seekühen und Traumstränden an der Westküste.
Florida Keys und Key West
INFO FLORIDA KEYS & Key West
Aussteigen
Die Sunset Grille & Raw Bar an der Seven Miles Bridge ist zu allen Uhrzeiten einen Besuch wert, doch der Name kommt nicht von ungefähr. Bei Sonnenuntergang ist die Stimmung im Restaurant mit der riesigen Terrasse und Swimmingpool magisch. Obendrein schmecken Fisch und Sushi super.
Reingehen
Das Ernest Hemingway Home and Museum in Key West ist nicht nur für Fans des Schriftstellers ein Muss. Auch Katzenfans kommen in der Villa auf ihre Kosten, schließlich tapsen gleich mehrer Dutzend Nachfahren seiner sechszehigen Katze Snow White über Bett und Möbel, alle mit dem putzigen Gendefekt. Rund ein Jahrzehnt lang lebte Hemingway in den 1930er-Jahren hier mit seiner Frau Pauline Pfeiffer. Hier schrieb er unter anderem „To Have or have not“.
Das Schmetterlingshaus des Butterfly & Nature Conservatory ist ein wunderbarer Ruhepol im quirligen Key West. In die tropische Welt mit Hunderten verschiedener Schmetterlinge taucht man auf liebevoll angelegten Wegen ein. Es geht an Bächen und Wasserfällen vorüber. Im „Learning Center“ erfährt man viel Wissenswertes
über die farbenfrohen Flattertiere.