Mit der „Hanseatic Nature“ wird die Reise von den Falklands über Südgeorgien zur Antarktischen Halbinsel auch an Bord zum Erlebnis
Gut, dass wie die erste Nacht im Beagle-Kanal abgewartet hatten: Im Windschatten des Sturms über dem Südatlantik ist die zweitägige Überfahrt von Ushuaia auf die Falklands eine entspannte Angelegenheit. Die Zwei-Meter-Wellen fühlen sich mit den ausgefahrenen Stabilisatoren der „Hanseatic Nature“ so ruhig an, als wären wir auf einem Baggersee unterwegs. Küstenseeschwalben, Riesensturmvögel und hübsche Rußalbatrosse surfen dicht über dem Meer und nutzen die Leewalzen hinter dem Schiff, um sekundenschnell aufzusteigen und dann neugierig zu beobachten, was sich an Bord so tut.
Wildnis auf dem Meer, Hightech und Design an Bord
Dort gibt es vor allem für die Passagiere jede Menge zu entdecken. Ein Innendesign etwa, das Cruise-Neulinge anspricht, den Klaustrophobikern die Sorgen vor Schiffsreisen nimmt und für die erfahrenen Kreuzfahrer ein Erweckungserlebnis ist. Jawohl, Schiffe können auch innen schön hell und weiß, aufgeräumt und cool sein! Mit indirektem Licht, sogar in den Treppenaufgängen, die aus künstlichen Felsspalten heraus beleuchtet werden. Und mit jeder Menge Platz, der vor allem an Seetagen wie diesen eine Wohltat darstellt.
Obwohl mit 139 Metern nur 13 Meter länger als die alte „Hanseatic“ und mit maximal 230 Passagieren nur mit wenig mehr Menschen an Bord, hat man dem neuen Schiff annähernd das doppelte Volumen spendiert. Und Hightech in XL: Neben der Bibliothek, die auf einem Expeditionsschiff keinesfalls fehlen darf, stehen Touchscreens mit viel Multimedia-Inhalten zur Verfügung, sowohl über die Reise als auch zur Region. In der „Ocean Academy“ am Heck ist es sogar eine ganze Touchwand, „Study Wall“ genannt.
Falklands: Privatstrand für Pinguine
Land in Sicht! Und wie! An diesem Morgen ist es sonnig und nahezu windstill in Stanley. Dabei ist stürmischer Wind schon fast der USP der Falklandinseln. Und alles ist very, very british. Mit Landrovern und Union Jacks, wohin man blickt, mit roten Telefonzellen und 600.000 Schafen bei gerade einmal 3.400 Einwohnern. Stanley wirkt wie ein englisches Küstendorf, außerhalb wird es aber vergleichsweise exotisch – dank Königspinguinen, Eselspinguinen und den flugunfähigen Falkland-Dampfschiffenten. Letztere balgen sich an diesem Morgen mit Magellan-Pinguinen um den Platz an der Sonne auf dem schneeweißen Traumstrand von Gypsy Cove.
Die Sandstrände, malerischen Felsen und pampahaften Tussockgraswiesen, aus denen leuchtend grüne Rippenfarne und Diddle-Dee genannte Krähenbeeren herausragen, sind abseits der hölzernen Steg menschenleere Naturparadiese.
Multimedia und Multi-Expertenwissen an Bord hilft nach dem Landgang, das Erlebte zu verarbeiten. In seinem Vortrag über Seevögel verrät Ornithologe Martin Gottschling allerhand Wissenswertes zum Thema Vogelwelt in südlichen Breiten. Bekommen Pinguine kalte Füße? „Nein, Pinguine und andere Seevögel haben in den Beinen sehr eng verlaufende Venen, die wie Wärmetauscher arbeiten und eine effektive Fußheizung darstellen.“ Wie schlafen Seevögel, die teilweise Wochen auf dem Meer verbringen? „Sie können Gehirnhälften abschalten und in der
Luft ausruhen. Ein Vogel schläft häufiger und nur fünf bis zehn Minuten am Stück. Pinguine hingegen legen sich hin.“ Die Zuhörer erfahren außerdem, dass Wanderalbatrosse bis zu 80 Jahre alt werden können und Pinguine sich manchmal trennen, wenn es keinen Nachwuchs gibt.
Südgeorgien, die Schatzinsel
Die Königspinguine an den Stränden Südgeorgiens dürften im schmerzhaften Fall einer Trennung keine Schwierigkeiten haben, mit neuen Liebschaften über den Verlust hinwegzukommen. Die Insel liegt direkt an der Antarktischen Konvergenz, der nördlichen Grenze der antarktischen Gewässer. Das nährstoffreiche, kalte Wasser sorgt hier für jede Menge Fisch. Und der schmeckt den rund 400.000 Königspinguinen, 1,5 Millionen Goldschopfpinguinen und 1,6 Millionen Seebären in Südgeorgien hervorragend.
Die Insel ist ein einzigartiger Naturschatz, ein Vogel- und Robbenparadies und auch die Walbestände erholen sich langsam vom Abschlachten, das bis 1965 auf der maritimen Tagesordnung stand. Wie eine Mauer im weiten Ozean hält das Eiland mit seinen fast 3.000 Meter hohen Bergen die subpolaren Westwindstürme auf, was auf der windabgewandten Seite für bizarre Wolkenformationen und Fallwinde in Orkanstärke sorgt, wie wir an diesem Morgen in Saint Andrew’s Bay erleben.
Saint Andrew’s Bay: Meer aus Pinguinen
Gerade noch ein laues Lüftchen, pustet der Wind Sekunden später Wolken aus Flaumfedern in den Himmel. Zwischen all den Königspinguinen und den Seeelefanten, die als sechs Meter lange Riesenwürste den Strand blockieren, ist es gar nicht einfach, den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu den Tieren einzuhalten.
Von einem Moränenhügel aus bietet sich dann der Blick auf ein wahres Meer aus Pinguinen: Die Brutkolonie hier wird auf 160.000 Paare geschätzt, dazwischen haben sich die fast einjährigen Küken als braune Flauschbälle zu Kindergartengruppen versammelt und erleben im juvenilen Kollektiv die erste Mauser. Der Nachwuchs ist kostbar, denn: „Ein Pärchen kann nur zwei Küken in drei Jahren großziehen“, erklärt Bordbiologin Sylvia Stevens vor Ort, „Ende Januar schlüpft das Küken dann nach 54 Bruttagen. Anfang Mai wiegt es bereits elf Kilo, Ende November beginnt die vierwöchige Mauser.“
WO SHACKLETON UMS ÜBERLEBEN KÄMPFTE
Ein dickes Daunenkleid hätte das Team von Ernest Shackleton gut gebrauchen können beim spektakulärsten Fehlschlag in der Geschichte der Polar-Expeditionen. Ziel der Imperial-Trans-Antarctic Expedition 1914–1916 war die erste Durchquerung des antarktischen Kontinentes. Doch ihr Schiff, die „Endurance“, fror fest, musste nach neun Monaten aufgegeben werden, das 28-köpfige Team driftete an die Packeisgrenze, erreichte mit Rettungsbooten das karge Inselchen Elephant Island, wo die Abenteuer bis an das (nahe) Lebensende gekauert hätten.
Darum machte Shackleton sich mit fünf Männern weiter auf und erreichte nach 16 Tagen durchs Polarmeer in einem mickrigen Holzboot Südgeorgien. In einer letzten Anstrengung überquerten sie die schneebedeckten Berge und Gletscher und kamen, mehr tot als lebendig, nach einem zweitägigen Fußmarsch in der Walfangstation Stromness an. Von dort organisierte Shackleton die Rettung seiner auf Elephant Island zurückgelassenen Männer. Auf den Spuren der Helden wandern wir am nächsten Morgen!
Fortuna Bay markiert den Startpunkt der letzten Etappe Shackletons bis zur Rettung. An den schwarzen Stränden der hübschen Bucht balgen Seebären-Teenager um Weibchen. Wie gemein: Manche der grunzenden Riesen werden ihr ganzes Leben lang nicht zum Zug kommen, während andere sich mit einem Harem von 15 Weibchen vergnügen. Mit Blick auf den König-Gletscher steigen wir durch hohes Tussockgras zu einer Hochebene auf und durch Geröllfelder hinauf zum kleinen Pass, von wo Shackleton nach fast zwei Jahren unterwegs die Sirene der Walfangstation in der Bucht von Stromness hörte.
Je näher wir den Ruinen kommen, umso lauter wird das Kreischen und Schnauben: Die stählernen Gerippe der Walfabrik und die verfallenen Hütten von Stromness sind längst zum Kontakthof für Robben und Pinguine geworden. Das gilt auch für die Station Grytviken, die wir am Nachmittag besuchen. In Grytviken wurden von 1904 bis 1964 rund 54.000 Wale verarbeitet, auf allen Stationen Südgeorgiens zusammen rund 175.000.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später scheint die Natur wieder versöhnt mit dem kleinen Dorf. Mit großen Glubschaugen schauen die Babys der Seeelefanten aus dem Wasser, während der Viereinhalbtonnen-Papa am Strand schläft. Direkt neben den schwarzen Töpfen, mit denen man einst das Robbenfett auskochte, träumt eine junge Seebärin vom Sommer. Während die Walfangboote, Maschinen und riesigen Kessel vor sich hin rosten, werden Museum,Kirchlein und Friedhof sorgsam gepflegt. Hier ruht Sir Ernest Shackleton, der in Grytviken 1921 zu Beginn einer weiteren Expedition an Herzversagen starb.
Kurs Antarktis: Auf ins Blaue
Der schneidend kalte Wind an Deck kündigt die Antarktis an, ebenso die Eisberge, die als blaue Inseln durchs Südpolarmeer driften. Gruppen von Adeliepinguinen fahren ein Stück mit auf den Giganten, als Erholungspause zwischen der Fischjagd. Bei Brown Bluff betreten wir antarktisches Festland, von hier könnten wir zum Südpol laufen – der allerdings noch fast 3.000 Kilometer entfernt ist. Wir befinden uns auf der Spitze der Antarktischen Halbinsel, die mit ihrem Labyrinth aus Fjorden und Inseln weit in Richtung Südamerika fingert.
Es ist später Südfrühling und die Eselspinguine sind emsig mit lautstarker Balz, tolpatschigem Sex und Nestbau aus Steinen beschäftigt. Dabei sind sie nicht zimperlich: Steinchen-Diebstahl aus fremden Nestern ist allerorten zu beobachten. Behutsam wird dagegen mit dem Ei umgegangen, das regelmäßig zwischen den dicken Füßen gedreht wird.
Nächste Station ist Deception Island. In die Caldera des aktiven Vulkans einfahren zu können ist nicht selbstverständlich, oft blockiert Eis oder verhindert Nebel das Vorhaben. Selbst ohne Wetterkapriolen ist das Nadelöhr von Zufahrt nicht ohne. Jetzt bloß keine Delle ins nagelneue Schiff machen! Aber Kapitän Natke meistert die enge Passage an den Felswänden von Neptune‘s Bellows vorbei locker. Kurz darauf ankern wir vor den stählernen Gerippen der alten Walfangstation Whalers Bay.
Der schwarze Strand dampft geothermisch vor sich hin und treibt Wölkchen von Schwefelgeruch durch die gespenstisch wirkende Kulisse. Ein Stück weiter hat es sich ein älterer Seeleopard zwischen Walknochen gemütlich gemacht. Ab und zu schubbert er sich den Bauch im Vulkansand und gähnt ausgiebig. Dem Giganten mit dem riesigen Gebiss und den langen Reißzähnen möchte man beim Schwimmen nicht begegnen! Denn das ist beliebt bei Cruise-Passagieren in Deception island, schließlich ist das Wasser hier ein paar Grad wärmer (aber deshalb noch lange nich warm!) als im offenen Ozean.
Cuverville Island: Pinguin-Rushhour
Zwischen den Eisbergen vor unserer nächsten Station Cuverville Island bläst ein Buckelwal am Morgen eine dicke Fontäne Dampf in die kristallklare Luft. Wie eine glitzernde Säule bleibt sie für Sekunden stehen, doch vom mopsigen Meeressäuger ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Dafür ist bei den Eselspinguinen der großen Kolonie gerade Rushhour. Wie pfeilschnelle Torpedos zischen sie unter den Zodiacs hindurch, nachdem sie sich ulkig nach vorn ins Wasser haben fallen lassen. Etwas schwerfälliger und mit dicken Bäuchlein voller Fisch kommen die anderen vom Beutefang zurück. Die Stille wird an diesem Morgen nur von Aufruhr unterbrochen, als eine Raubmöwe ein Pinguin-Ei stibitzt. Es geht weiter nach Skontorp Cove, wo wir eine Zodiac-Cruise entlang turmhoher Gletscherabbrüche unternehmen.
Die nächste Station ist einer von Kapitän Thilo Natkes Lieblingsorten: Neko Harbour. Man weiß gleich, warum. Über Kilometer erstreckt sich dort der 50 Meter hohe Gletscherabbruch über dem Meer. Einen Schneehang bergaufwärts stapfen wir vorbei an zwei Eselspinguinkolonien zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man die Welt aus Eis überblicken kann. Wow!
Am Morgen unseres letzten Expeditionstags steuern wir Port Lockroy auf Goudier island an. Die britische Forschungsstation „Base A“ war bis 1962 besetzt. Nachdem sie über 30 Jahre lang ungenutzt geblieben war, hatte man das Haupthaus restauriert und in ein Museum umgewandelt. Die Hütte wird seither in den Sommermonaten mit Mitarbeitern des Antarctic Heritage Trust besetzt.
Port Lockroy: auf Zeitreise
Touristen können im südlichsten Postamt der Welt analoge Grüße nach Hause schicken, die bis zu drei Monate unterwegs sind. Bis zur Tür ist die Station von Eselspinguinen in Beschlag genommen. Drinnen hat man den Originalzustand aus den 1960ern perfekt bewahrt. In der Küche stehen Original-Konserven von damals. Das aufgeschlagene Kochbuch erklärt die Zubereitung von Robbenhirn-Omelette. In der Stube hängen noch die verfilzten Pullover, von der Wand lächelt die mädchenhafte Queen und über den Betten sind die Sexsymbole der Nachkriegszeit gekonnt aufgepinselt.
Man ist fasziniert, erschaudert und freut sich, dass nur eine Minute Schlauchbootfahrt entfernt Fünf-sterne-Plus-Komfort wartet.
Lust auf mehr Meer mit Eis? Wie wäre es mit Grönland oder Spitzbergen?
Südpolarmeer & Antarktis
INFO SÜDPOLARMEER & ANTARKTIS
Anbieter
Die baugleichen, 2019 in Dienst gestellten „Hanseatic Nature“ und „Hanseatic Inspiration“ von Hapag-Lloyd Cruises vereinen mit viel Freiraum, drei Restaurants und cool-dezentem Design Expeditionskreuzfahrt mit modernem Lounge-Komfort. Preis für die 18-Tage-Seereise Falklands-Südgeorgien-Antarktis inklusive Sonderflüge Buenos Aires–Ushuaia ab 14.792 Euro. Hapag-Lloyd Cruises bietet ab 1.800 Euro An- und Abreisepakete bis/ab Buenos Aires an, die Übernachtungen und eine Stadtrundfahrt einschließen.
Hurtigruten sind auf vielen Routen in der Antarktis aktiv. Bei der Reise „Kurs Süd“ mit der neuen „Roald Amundsen“ bildet eine Fjord-Cruise an der Küste Chiles den Auftakt. 18 Tage ab 9.599 Euro.
Wie Hurtigruten, spricht auch Oceanwide Expeditions ein internationales Publikum an. Bei den „Basecamp“-Touren hat man neben diversen Outdoor-Aktivitäten die Möglichkeit, eine Nacht in der Antarktis zu campen. Elf Tage ab/bis Ushuaia ab 6.550 Euro.
Covid 19
Covid 19 hat weiterhin Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr, in besonderem Maße für Kreuzfahrten und bei Einreisen weltweit zur Folge. Achtet bitte deshalb unbedingt auf die aktuellen Reiseinformationen des Auswärtigen Amts unter auswaertiges-amt.de und auf die Infos der Kreuzfahrtanbieter.